Andreas Fritsch
· 03.01.2013
François Gabart und Armel Le Cléac’h entscheiden sich für unterschiedliche Taktik auf dem Weg zum Äquator – ein taktisch kritischer Moment
Tausende von Seemeilen beharkten sich die beiden jungen Franzosen in einer Intensität, wie es sie wohl kaum je zuvor bei einem Rennen um die Welt gab. Dutzende Male wechselte die Führung, mal lag Le Cléac’hs "Banque Populaire" vorn, mal Gabarts "Macif". Tage, ja wochenlang trennten sie nur Zehntelknoten im Bootsspeed. Und nun geht das Rennen auf die Zielgerade: Der Weg den Südatlantik hinauf zum Äquator ist ein taktisch sehr anspruchsvoller mit diversen tückischen Fallen. Es gilt, den südlich setzenden Gegenstrom direkt unter der Küste Südamerikas zu meiden, zwei Hochdruckgebiete nördlich richtig zu nehmen. Wer hier die Passage zwischen den beiden Druckgebieten "versemmelt", verliert wichtige Meilen, schlimmer noch, kann gar den Anschluss verlieren, wenn er aus dem Wettersystem des Gegners herausfällt.
Zurzeit sieht es so aus, als ob François Gabart sich entscheiden würde, das vor den beiden liegende und langsam ostwärts ziehende Hoch eher östlich queren zu wollen, während Armel Le Cléac’h eine westliche Variante wählt und dafür zurzeit mehr Höhe fährt als sein Rivale. Gabart fährt so zwar länger gen Nordosten mit den stärkeren Winden des abziehenden Tiefs mit, nimmt dafür jedoch das Risiko in Kauf, dass er mehr Strecke zurücklegen muss und vielleicht länger im Hochdruck liegen bleibt. Fast 30 Meilen trennen die beiden nun schon in Ost-West-Richtung.
Le Cléac’h bleibt damit seiner schon oft im Rennen gezeigten Linie treu, den direkten Weg zum Ziel zu bevorzugen, auch wenn dafür nervenzehrende Phasen nötig sind, in denen der Bootsspeed drastisch heruntergeht. Das hatte er mehrfach bei der Ansteuerung der Icegates im Southern Ocean bewiesen. Auf jeden Fall eine sehr interessante Situation.
Etwas unbemerkt davon ist das Rennen hinter den beiden Führenden wieder spannender geworden. Jean-Pierre Dick, der kurz vor Australien wegen eines technischen Defekts den Anschluss an das Führungsduo verloren hatte, ist wieder dichter dran. Er profitierte von gutem Wind in den letzten 48 Stunden, während die beiden Führenden schon deutlich langsamer wurden. Sein Rückstand von zeitweise rund 1000 Seemeilen ist auf 367 zusammengeschmolzen, und es sieht so aus, als ob er von der nicht ganz einfachen Wettersituation vor den beiden Landsmännern weiter profitieren könnte. Sein Weg nach Norden sieht zurzeit etwas direkter aus, sodass er wahrscheinlich weiter Meilen gutmachen kann.
Hinter ihm segelt Alex Thomson mit seiner "Hugo Boss" weiter solide auf Platz vier, mit rund 250 Seemeilen Abstand, allerdings auch nicht wirklich mit Aussicht auf die Chance, schnell näher zu kommen. Hinter ihm klafft dann die große Lücke, bis das Hauptfeld, angeführt von Jean Le Cam, folgt. Durch das pflügt mittlerweile im Eilschritt der Schweizer Bernard Stamm, wahrscheinlich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch nach seiner Disqualifikation durch die Rennleitung wegen "Outside Assistance". Er hat die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, mittlerweile haben fast alle Skipper im Feld mehr oder weniger klar gefordert, dass die Jury die Entscheidung zurücknehmen sollte. Natürlich ist es für ihn aussichtlos, noch auf einen Podiumsplatz zu segeln, doch dem Schweizer wäre es sehr zu wünschen, das Rennen regulär zu beenden.