Tatjana Pokorny
· 17.01.2025
Siegerfackeln, Feuerwerk, Glücksmomente und Gäsnsehaut: Sébastien Simon ist zurück in seiner Heimatstadt Les Sables-d’Olonne, wo er als kleiner Optisegler einst das Segeln gelernt hatte. Der Vendée-Globe-Dritte erlebte einen überwältigenden Jubelempfang dort, wo er jede Planke und die Menschen so gut kennt. Und sie ihn.
Ich bin ein Kind der Vendée Globe.” Seb Simon
“Es ist ein fabelhafter Kurs, es ist mein Kurs, ich bin hier großgeworden”, sagte Seb Simon im ersten Interview auf dem Dock in Port Olona. Vier Jahre zuvor sei er “mit Pech aus dem Rennen ausgeschieden”, jetzt einfach nur “glücklich”. Simon dankte seinen Sponsoren und der Dubreuil-Gruppe, die in französischen Medien bereits signalisiert hat, ihren Skipper zu einer weiteren Vendée Globe begleiten zu wollen. Entweder mit einem Neubau oder einem der beiden Top-Boote dieser Auflage, so war es zu lesen.
Das Rennen seines Lebens hat Sébastien Simon in 67 Tagen, 12 Stunden, 25 Minuten und 37 Sekunden bestritten. Als der “Groupe Dubreuil”-Skipper bereits am Donnerstagabend die Ziellinie der zehnten Edition der Vendée Globe als Dritter überquert hatte, schrieb er ein historisches Kapitel in der Geschichte des wichtigsten Solos um die Welt: Er holte die erste Podiumsplatzierung eines Seglers aus der Vendée-Globe-Stadt, in der Start und Ziel der legendären Nonstop-Weltumsegelung liegen.
Simons Sieg ist auch ein bemerkenswerter Triumph über Widrigkeiten und zahlreiche Rückschläge in seiner Vergangenheit. Darüber hinaus unterstreicht seine Leistung sein Talent, das sich in Vergangenheit öfter als bei anderen hinter Schäden oder Unfällen verbarg.
Deutsche Segelfans werden sich vor allem an die Achterbahnfahrt des Teams Guyot durch letzte Ocean Race erinnern, in dem er neben Co-Skipper Robert Stanjek, Annie Lush und Phillip Kasüske an der Seite seines langährigen Vendée-Freundes und Co-Skippers Benjamin Dutreux die französische Hälfte des Teams bildete, das so viel Bruch und Rückschläge einzustecken hatte.
Unvergessen bleibt vom Ocean Race nach vorherigen Tiefschlägen für das schwerst geprüfte Team Guyot, dem Mastbruch und der Wiederauferstehung der Schock-Crash beim Etappenstart in Den Haag, als Seb Simons Team eine dramatische Kollision mit den späteren Siegern vom Team 11th Hour verursachte. Es ist genau dieses damals “aufgespießte” und heftig beschädigte amerikanische Siegerboot, das Sébastien Simon jetzt als “Groupe Dubreuil” erfolgreich um die Welt getragen hat.
Auf dem Weg zu seinem Triumph hat Sébastien Simon zwischen dem 26. und 27. November mit 615,33 Seemeilen einenneuen fabelhaften 24-Stunden-Solo-Geschwindigkeitsrekord aufgestellt. Plötzlich fand er sich an der Spitze des Feldes als Sieganwärter wieder, bis am 7. Dezember das Steuerbord-Foil von “Groupe Dubreuil” brach.
Der 34-Jährige, der mit dem Segeln einer Optimisten-Jolle vor den Stränden von Les Sables d'Olonne aufgewachsen ist, zeigte schon in jungen Jahren großes Talent, holte 2013 den dritten Platz bei der 420er-WM im früheren America’s-Cup-Hafen von Valencia. Mit seinem Gesamtsieg bei der Solitaire du Figaro 2018, bei der er zwei der drei Etappen der letzten Herausforderung auf Figaro-2-Booten gewann, stieg Seb Simon zum Segelhelden seiner Heimatregion Vendée auf.
“Ich wollte diese Vendée unbedingt beenden. Dieser Traum ist nun vollendet. Ich habe dafür 100 Prozent gegeben”, sagte Seb Simon in den ersten Stunden nach seiner triumphalen Heimkehr. Vor vier Jahren hatte er die Vendée Globe mit Foilproblemen bei Kapstadt aufgeben müssen. Da lag er auf Platz vier. Es folgte die Trennung vom damaligen Team und den Sponsoren. Simon stand zunächst ohne Unterstützung da.
Als ihm die Zeit in Vorbereitung auf die aktuelle Vendée Globe schon davonzulaufen schien, wendete sich Simons Schicksal durch eine SMS des Groupe-Dubreuil-Firmeninhabers erneut. Im Juli 2023 erhielt Simon grünes Licht für seine Kampagne und traf die kluge Entscheidung, das Boot von 11th Hour Racing zu kaufen, das gerade das Ocean Race gewonnen hatte.
Bei Simons erstem Solorennen auf dem Boot, der Rétour à La Base, lag er an vierter Stelle, bevor er auf die Azoren ausweichen musste, um Reparaturen an der elektrischen Anlage vorzunehmen. Bei seinem Achterbahnritt hatte sich Seb Simon zudem Kopf- und Rückenverletzungen zugezogen, kämpfte aber weiter, bis er wenige Meilen vor dem Ziel in Lorient seinen Mast verlor. Da hing die erhoffte Vendée-Globe-Qualifikation am seidenen Faden.
Mit unglaublicher Ausdauer und Kampfgeist setzte Simon damals ein Jury-Rigg und driftete noch über die Ziellinie, um sich sein Vendée-Globe-Ticket zu sichern. Danach zwang ihn ein gebrochener Wirbel, den größten Teil des vergangenen Winters – drei lange und qualvolle Monate lang – im Bett zu verbringen, während er und sein Team gleichzeitig einen Ersatzmast finden und einstellen mussten.
Dann hatte sich Simon hungrig und entschlossen zurückgemeldet. Es spricht Bände über diesen oft so schwer einzuschätzenden Segler, dass er trotz Platz vier im New York Vendée im Frühsommer 2024 bei den Experten nicht in die Gruppe der angenommenen Top-Favoriten für die Vendée Globe vorrückte. Doch nun hat sich sein Programm mit einer sehr gut optimierten Imoca bewährt.
Seb Simons Belastbarkeit, seine Zähigkeit und sein Segekönnen haben sein Rennen geprägt. Er war schnell unterwegs, vor allem im Südmeer. Er lag an zweiter Stelle und lieferte sich ein aufregendes Duell mit Charlie Dalin, ging mit dem Dominator der 10. Vendée Globe durch den Sturm im Süden, dem andere auswichen – bis er sein Foil verlor. Dass SImon es auch auf einem Foil aufs Podium schaffte, spricht für seinen Kampfgeist.
Als Seb Simon am am 16. Januar seine letzten Seemeilen bis ins Ziel segelte und als Held von Les Sables-d’Olonne empfangen wurde, versprach er bereits sein Comeback für 2028: “Meine Geschichte mit der Vendée Globe ist nicht beendet, bevor ich sie gewonnen habe.” Schon auf der Bühne setzte er bei seiner Ehrung hinzu: “Ich habe jetzt schon nur noch eines im Sinn: die Vorbereitung für die nächste Vendée Globe.”