Tatjana Pokorny
· 19.05.2025
In Lorient hat Boris Herrmann zu Wochenbeginn bekanntgegeben, dass sein Team Malizia die neue Rennyacht vom Typ Imoca im Verbund mit zwei weiteren Teams geplant und entwickelt hat. Jetzt wird gebaut. Für das Design der Imoca-Drillinge zeichnen Yachtkonstrukteur und Segler Antoine Koch, das Unternehmen Finot-Conq und Gsea Design verantwortlich. Der Bau der Boote läuft auf der CDK-Werft in Lorient.
Zur Wahl von Antoine Koch als Chefdesigner sagte Boris Herrmann: “Antoine Koch ist ein Freund und ein hochtalentierter Yachtkonstrukteur. Ich wollte schon lange mit ihm zusammenarbeiten. Jetzt vertrauen wir ihm nicht nur den Entwurf unseres neuen Bootes an, sondern tun dies auch gemeinsam mit TR Racing und dem Team Banque Populaire.”
Dieses Projekt baut auf dem Fundament auf, das Antoine Koch und ich seit 2019 entwickelt haben.” Thomas Ruyant
Die französischen Rennställe Thomas Ruyant Racing, Team Malizia und Banque Populaire setzen bei ihren neuen Vendée-Globe-Anläufen auf Synergieeffekte und die Kraft einer gemeinsamen Kampagne. Thomas Ruyant, Boris Herrmann und Banque-Populaire-Aufsteiger Loïs Berrehar sehen ihren Dreigang als Pionierprojekt mit viel Potenzial.
Wir sind überzeugt, dass wir mit drei Teams stärker sein werden.” Boris Herrmann
Als Erster soll Projektinitiator Thomas Ruyant sein neues Boot für die Vendée Globe und andere Rennen im Vorwege Anfang Juni 2026 bekommen. Schon kurz darauf soll Team Malizias Schwesterschiff Ende Juni 2026 fertig werden. Loïs Berrehar, der im Sommer das Ocean Race Europe mit Team Malizia bestreitet, muss sich noch bis Anfang 2027 gedulden. Den ersten Segeltag mit Boris Herrmann seit der Vendée Globe erlebte Berrehar aber schon am vergangenen Sonntag.
An diesem Montag beschrieb Boris Herrmann die längst laufende Zusammenarbeit der drei Teams in einer Pressekonferenz in Lorient als “einzigartig” und sagte: “Wir glauben, es ist ein smarter Weg, Resourcen zu sparen und sehr viel voneinander zu lernen. Wir bündeln nicht nur unser Fachwissen und unsere Intelligenz, sondern teilen auch Werkzeuge, was unter anderem dazu beiträgt, den ökologischen Fußabdruck des Baus zu verringern.” Naturgemäß wirkt das Joint Venture auch kostensenkend.
Das neue Boot, so Herrmann, werde sich deutlich von der Vorgängerin unterscheiden. Der 43 Jahre alte Skipper aus Hamburg sagt: “Es werden schlankere Schiffe sein, mit einen spitzerem Bug als jetzt bei 'Malizia'”. Antoine Koch erklärt den Designprozess auch mit Blick auf Thomas Ruyants aktuelle “Vulnerable”, die als Ausgangspunkt für die Entwicklung der neuen Boote dient.
Der französische Konstrukteur sagt rückblickend auf “Vulnerable”: "Die abgerundete Rumpfform des Bootes macht das Leben an Bord komfortabler und weniger brutal, da es sich gut durch das Wasser bewegt. Wir kennen seine Stärken, insbesondere bei rauer See und Rückenwind. Aber wir haben auch seine Schwächen erkannt: bei Gegenwind und auf flachem Wasser.”
Der Teufel steckt im Detail, und wir machen in allen Bereichen Fortschritte." Antoine Koch
Auf diese Schwächen wurde und wird reagiert, wie Antoine Koch erklärt: “Wir arbeiten daran, die Vielseitigkeit zu verbessern. Unser Ziel ist es, in den Übergangsphasen zu gewinnen, unsere kleinen Lücken bei leichtem Wind zu schließen und das Verhalten des Bootes in den Wellen kontinuierlich zu verbessern.”
Antoine Koch bewertet das Dreier-Projekt als “eher selten” in Imoca-Kreisen. Seine Sicht auf die Aufgabe: “Allein die gemeinsame Nutzung der Werkzeuge für drei Yachten dürfte dazu beitragen, die Umweltbelastung durch den Bau zu verringern und Skaleneffekte zu erzielen – eine Möglichkeit, besser auf die Herausforderungen unserer Zeit zu reagieren.”
Im Detail sagt Antoine Koch: “Allein die Werkzeuge machen knapp die Hälfte der CO2-Emissionen eines einzelnen Bootes aus. Jedes Boot wird daher einen geringeren CO2-Fußabdruck haben. Wir arbeiten nicht an drei separaten Projekten, sondern an einem einzigen Design, was durch die umfassende und offene Zusammenarbeit der drei Teams ermöglicht wird, die auf dem Wasser weiterhin Konkurrenten bleiben."
Boris Herrmann sagte zur Projektphilosophie: “Ich glaube, wir leben in einer sehr wettbewerbsstarken Klasse. Die Vendée Globe existiert jetzt 40 Jahre, wird immer wettbewerbsintensiver. Wir entwickeln alle unsere Projekte, werden immer professioneller. Wir versuchen, smarte Dinge zu tun. Gemeinsam zu arbeiten, bringt für jede Diskussion mehr Leute an den Tisch. Es stehen damit auch mehr intellektuelle Resourcen zur Verfügung.”
Auch die Imoca-Klasse, so Boris Herrmann, setze sich über Vorgaben für eine Reduzierung von Emissionen und eine verbesserte Umweltfreundlichkeit ein. “Die Idee, drei Schwesterschiffe zu bauen und die gleichen Werzeuge dafür zu benutzen, spart eine Menge Resourcen”, konstatierte der sechsmalige Weltumsegler, der mit Team Malizia und der neuen Imoca auch das nächste Ocean Race um die Welt im Visier hat.
Mögliche Probleme oder gar Auseinandersetzungen bei komplexen Entscheidungsprozessen im Dreier-Verbund sieht Boris Herrmann nicht: “Wir haben uns alle drei für Antoine Koch als führenden Yachtkonstrukteur entschieden. Es sind natürlich noch viele Designer und Leute mehr involviert. Aber er ist wirklich derjenige, der die drei Projekte vereint. Am Ende des Tages könnte natürlich jedes Team etwas ändern, wenn es das tun will, aber alle haben das Interesse, effizient und pünktlich zu sein, die gleichen Dinge zu tun, so dass wir in der Philosophie der Schwesterschiffe bleiben.
Deswegen, so Boris Herrmann, “gehen wir auch ein paar Kompromisse ein, wo wir es vielleicht alleine ein bisschen anders gemacht hätten”. Er ist sicher: “Im Großen Bild ist es für uns nützlich, wirklich die gleichen Schiffe zu bauen.” Dass die über viele Jahre gewachsenen Beziehungen und Freundschaften mit Thomas Ruyant und Loïs Berrehar dieses ambitionierte Projekt ebenfalls beflügeln, unterstrich Boris Herrmann deutlich.
"Thomas und ich sind seit vielen Jahren befreundet, haben 2017 gemeinsam das Transat Jacques Vabre gesegelt. Ich habe großen Respekt vor ihm als Segler, und er hat ein sehr erfahrenes Team, das bereits drei Vendée Globe-Kampagnen hinter sich hat. Das Team Banque Populaire verfügt außerdem über ein erstklassiges Designbüro und kehrt nun mit Loïs als Skipper in die IMOCA-Klasse zurück”, sagte Boris Herrmann.
Es ist ein echtes Privileg, mit diesen brillanten Menschen zusammenzuarbeiten.” Boris Herrmann
Mit Loïs Berrehar wird Boris Herrmann in diesem Jahr viele gemeinsame Segeltage im Ocean Race Europe an Bord von “Malizia – Seaexplorer” erleben. Über den jungen Aufsteiger sagte er: “Obwohl es sein Debüt in dieser Klasse ist, kenne ich Loïs schon seit seiner Kindheit. 2008 taufte er meine Class40 ‘Beluga Racer’. In diesem Jahr wird er als Co-Skipper mit dem Team Malizia im The Ocean Race Europe an den Start gehen. Jetzt arbeiten unsere drei Teams gemeinsam mit Antoine. Eine solche Zusammenarbeit ist in unserem Sport selten und hat den Entwurfsprozess für unser neues Boot inspirierend und motivierend gemacht.”
Das neue Boot spiegelt diesen Geist wider: innovativ, präzise entwickelt und voller Potenzial.” Boris Herrmann
Die Regatten in diesem Jahr bestreitet Team Malizia noch mit der 2022er-Imoca «Malizia – Seaexplorer», bevor das Boot im Herbst an die neue Skipperin Francesca Clapcich und ihr Team powered by 11th Hour Racing übergeben wird. Die Teilnahme am Ocean Race Europe mit Start am 10. August in Kiel markiert den sportlichen Jahreshöhepunkt für Boris Herrmann und Team Malizia.
Der Skipper aus Hamburg sagte: “Darauf freue ich mich sehr. Kiel ist die beste Segelstadt Deutschlands und wir hoffen auf so viele Zuschauer wie beim Ocean-Race-Flyby 2023 – oder noch mehr.” In Kiel werden in der Woche bis zum Start 250.000 Besucher erwartet.
In dieser Saison geht es noch auf “Malizia – Seaexplorer” zur Sache. Hier der Clip zu ihrem Refit für die Abschiedssaison mit Team Malizia. Zum ersten Training seit der Vendée Globe war das Boot am 18. Mai erstmals wieder mit Boris Herrmann und auch mit Loïs Berrehar und weiteren Teammitgliedern im Einsatz: