Tatjana Pokorny
· 21.01.2025
Die härtesten Prüfungen beschert die zehnte Vendée Globe ihren Herausforderern ab Platz vier in diesen Finaltagen. Das gilt vor allem für jene, bei denen schwerer Materialbruch und schweres Wetter zusammenkommen – aktuell oder bald. An der Spitze der verbliebenen Flotte kämpfte sich “Charal”-Skipper Jérémie Beyou morgens am 21. Januar in Winden von immer noch an die 30 Knoten der “nur” noch weniger als 900 Seemeilen entfernten Ziellinie entgegen.
Erwartungsgemäß zurückgefallen ist Sam Goodchild, nachdem am Vortag sein Großsegel in Folge einer Patenthalse “explodiert”, einmal komplett durchgerissen war. Knapp 100 Seemeilen hinter seinem bis eben noch schärfsten Duellgegener Beyou, war der britische “Vulnerable”-Skipper unter zwei gesetzten Vorsegeln eine Handvoll Knoten langsamer unterwegs als Beyou. Beide segelten hintereinander am zu Ende gehenden 72. Renntag der Vendée Globe am Dienstagmorgen auf der Ideallinie nach Les Sables-d’Olonne.
Keine weiteren Neuigkeiten gab es bis zum frühen Morgen dazu, wie weit Sam Goodchild mit möglichen Großsegel-Reparaturen vorangekommen ist. Hinter ihm haben “Holcim - PRB”-Skipper Nico Lunven und “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat die Plätze getauscht. Beide sind bis auf weniger als 15 Seemeilen Rückstand an Goodchilds “Vulnerable herangerückt und dürften den seiner Großsegelkraft beraubten Konkurrenten über den Tag überholen.
Dahinter machten auch die rund 100 Seemeilen voneinander getrennt auf den Plätzen acht und neun liegenden Justine Mettraux (”TeamWork - Team Snef”) und Goodchilds Teamkollege Thomas Ruyant (”Vulnerable”) in Winden von mehr als 25 Knoten Boden gut. Mildere Bedingungen erlebt – noch – die rund 800 Seemeilen südwestlich von “Charal” segelnde Gruppe der Boote auf den Plätzen zehn bis 13, den Boris Herrmann mit gebrochendem Backbord-Foil hält.
In 16 bis 20 Knoten kamen Benjamin Dutreux (”Guyot Environnement – Water Family”), Clarisse Crémer (”L’Occitane en Provence”) und Samantha Davies (”Initiatives - Cœur”) an Tag 72 der Vendée Globe gut voran. Dabei war Dutreux auf Platz zehn mit knapp 20 Knoten Speed in den aus Norden stärker werdenden Winden schneller als Clarisse Crémer mit um die 17 Knoten. Sam Davies kam nach den zuletzt leichteren Winden mit etwa elf Knoten erst wieder in Fahrt.
Ben Dutreux sagte: “Im Moment baut sich der Wind weiter auf, also ist es cool! Wir sollten in den nächsten Tagen 15 bis 25 Knoten haben. Mit unserer Gruppe versuchen wir, uns mit dem nächsten Tiefdruckgebiet zu verbinden – also von Tiefdruckgebiet zu Tiefdruckgebiet zu segeln. Das sollte es uns erlauben, bei einigen Übergangsphasen nach Norden zu klettern.”
Dabei wusste der ehemalige Ocean-Race-Co-Skipper von Robert Stanjek: “Wir müssen immer noch dranbleiben! Der ganze Kurs bis zum Ziel wird nicht einfach sein. Wir müssen vor dem letzten Tief hinkommen, denn das dahinter liegende Tief ist wirklich groß! Ich hoffe, dass meine kleine Gruppe vorher ins Ziel kommt, denn normalerweise sollte uns das Tief noch überholen. Aber wir wissen, dass zwischen Vorhersage und Realität oft ein großer Unterschied besteht.”
Ich bin jetzt vor Boris. Ich hatte das Gefühl, auf ein verwundetes Tier zu schießen.” Benjamin Dutreux
Aus der Tatsache, dass er inzwischen Boris Herrmann und “Malizia – Seaexplorer” mit ihrem gebrochenem Backbord-Foil überholt hat, zog Ben Dutreux keine große Freude. “Es ist Teil des Spiels, aber ich habe nicht viel getan, um ihn zu überholen, weil er mit seinem Foil langsam war.” Mehr Spaß macht ihm der aktuelle Zweikampf mit Clarisse Crémer: “Es ist immer gut mit Clarisse zu kämpfen, weil sie nie aufgibt. Genauso wenig wie ich. Wir kämpfen also gut und haben dabei manchmal auch was zum Lachen. Das hilft uns, zusammen vorwärts zu kommen.”
Mit seiner geäußerten Hoffnung, vor dem letzten großen Tief ins Ziel zu kommen, unterstrich Dutreux auch die Prognosen, die Boris Herrmanns Co-Skipper Will Harris am Vorabend in der Malizia Vendée Show erklärt hatte: Nach aktuellen Prognosen ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Art “Monster-Tief” die Boote auf den Plätzen zehn bis 13 bei der Zielannäherung treffen könnte. Will Harris sagte: “Wir könnten am kommenden Wochenende 70 bis 80 Knoten Wind bekommen.”
Weiter sagte Will Harris: “Das wird wirklich fordernd. Das ist noch eine Woche entfernt und alles kann sich ändern. Momentan weisen die Routings (Red.: für Boris Herrmann) auf noch sechs bis acht Tage hin. Aber das ist mit der neuen Bootsgeschwindigkeit schwer zu berechnen. Wir drücken die Daumen, dass der Sturm nicht zu groß wird.”