1555 Stunden und fast 23 Minuten hat Sieger Charlie Dalin für seinen entfesselten Sieglauf bei der 10. Vendée Globe nur gebraucht. Knapp 2738 Stunden dauerte die Prüfung für Fabrice Amedeo, dem offiziell letzten Skipper im Ziel. So viele Stunden haben die Protagonisten des Solorennens um die Welt den Fans spektakulär spannenden Sport, große und kleine Geschichten von See geboten.
Nachdem das letzte Boot am vergangenen Dienstag die Ziellinie vor Les Sables d'Olonne innerhalb des Zeitlimits überquert hat, ist die Vendée Globe 2024/2025 Geschichte. An der Spitze war es eine Weltumsegelung, wie die Fans sie nie zuvor gesehen und erlebt haben. Die neuen Imoca-Raketen lieferten sich packende Kämpfe, bevor der Franzose Charlie Dalin auf “Macif Santé Prévoyance” seinem verdienten Sieg mit Siebenmeilenstiefeln unaufhaltsam entgegeneilte.
Der 40-Jährige, der schon bei der vorherigen Auflage als Erster im Ziel war, aber nach Zeitgutschriften für alle an der Rettungsmission für Kevin Escoffier beteiligten Skipper auf Platz zwei zurückgestuft wurde, hat seinen Verfolgern dieses Mal keine Chance gegeben. Dalin gewann das Rennen mit einzigartiger Entschlossenheit, umsegelte die Welt in 64 Tagen und 19 Stunden und brach damit den bisherigen Rekord um sagenhafte neun Tage und acht Stunden.
Dabei erreichte er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,79 Knoten und segelte 27.667 Seemeilen über Grund. Hinter ihm katapultierten sich seine Landsleute Yoann Richomme, der mit “Paprec Arkéa” 23 Stunden nach Dalin als Zweiter ins Ziel kam, und Sébastien Simon auf “Groupe Dubreuil”, der zwei Tage und 17 Stunden hinter Dalin Dritter wurde, auf die weiteren Podiumsplätze.
Eine Woche nach Simons Zieleinlauf entschied der Franzose Jérémie Beyou auf “Charal” den intensiven Kampf um die Plätze vier bis neun für sich. Nach Beyou kamen Paul Meilhat (”Biotherm”) mit formidablem Endspurt, Nicolas Lunven (”Holcim-PRB”) mit starker Rookie-Leistung, der etwas gerupfte Co-Vorstartfavorit Thomas Ruyant (”Vulnerable”), die beste Skipperin und erste nicht-französische Teilnehmerin Justine Mettraux aus der Schweiz (”Teamwork-Team SNEF”) und der Brite Sam Goodchild (”Vulnerable”) ins Ziel.
Boris Herrmann konnte den Erfolg des fünften Platzes bei seiner Premiere vier Jahre zuvor nicht wiederholen. Er kam als Zwölfter ins Ziel, musste sich seine Befriedigung nach frühen Verlusten, zwischenzeitlichen Aufholjagden, mentalen Siegen über sich selbst und einer am Ende souverän gemeisterten mehrtägigen schweren Sturmrüfung anderswo suchen.
Für die Zukunft fühlt sich der Team-Malizia-Gründer aber gut gerüstet, sagte: “Ich bin stolz auf mein eigenes mentales Spiel. Das war gut. Im Grunde genommen fühle ich mich jetzt belastbarer, mehr bereit, Herausforderungen und Schwierigkeiten anzunehmen. Ich kann mir vorstellen, dass man mal durch so einen Rückschlag gehen und diesen Schritt machen muss, um wieder kraftvoll voranzukommen.”
Bei den Non-Foilern war das Rennen kaum weniger intensiv. Der Franzose Benjamin Ferré auf “Monnoyeur-Duo For a Job” kam als Erster ohne Foils mit Platz 16 ins Ziel. Nur 16 Minuten später folgte ihm nach hochspannendem Finish Tanguy Le Turquais auf “Lazare”. Der mit 65 Jahren älteste Rennteilnehmer Jean Le Cam (”Tout Commence En Finistère - Armor-Lux”) holte mit seinem neuen Non-Foiler Platz drei in diesem Rennen im Rennen. Insgesamt segelte Jean Le Cam auf Platz 20.
Unter den Novizen mit betagteren Booten war die Französin Violette Dorange auf “DeVenir” (2006), die als 25. ins Ziel kam und sich im Alter von erst 23 Jahren auf erfrischende Weise in die Herzen der Fans segelte. Sie ist die jüngste Seglerin, die jemals die Vendée Globe absolviert hat. Damit zog sie ganz Frankreich in ihren Bann. Sieben Plätze hinter ihr beendete mit dem bemerkenswerten Jingkun Xu (”Singchain-Team Haikou”), der als Kind bei einem Unfall seinen linken Unterarm verlor, der erste chinesische Vendée-Globe-Segler das Rennen.
Die Platzierungen erzählen aber nur einen Teil der Geschichte. Gemeisterte Herausforderungen, persönliche Höhepunkte, bittere Rückschläge und Aufgaben, Herzschmerz und überschäumende Freude säumten den Kurs. Der überraschende Vendée-Globe-Dritte Sébastien schraubte den 24-Stunden-Rekord für Monohulls mit fabelhaften 615,33 Seemeilen in eine neue Dimension.
Ausgeschieden sind dieses Mal Titelverteidiger Yannick Bestaven (”Maītre Coq 5”), Maxime Sorel (”V and B Monbana-Mayenne”), Eric Bellion (”Stand As One”), Louis Burton (”Bureau Vallée”), Arnaud Boissières (”La Mie Câline”) und Pip Hare (”Medallia”). Auch Denis Van Weynbergh musste einen Tag nach dem Erreichen des Start- und Zielhafens mit “DNF” gewertet werden. Hier geht es zu den Hintergründen dafür. Die Ausfallquote von nur 17,.5 Prozent ist die niedrigste aller zehn Auflagen. Zweimal hatte die Quote in der Vergangenheit sogar 60 Prozent erreicht.
Unvergessen bleiben vom Jubiläumsrennen auch Brutalo-Einsätze wie der von Guirec Soudée (”Freelance. com”), der siebenmal sein Rigg erklomm und unter sein Boot tauchen musste, um in der Nähe von Kap Hoorn seinem Kiel zu befreien. Imoca-Präsident Antoine Mermod beschreibt das Rennen in allen seinen Facetten als “fantastisch”. Es habe bei den Protagonisten wie den Anhängern so starke Emotionen ausgelöst “wie es nur die Vendée Globe vermag”.
Mermod unterstrich: “Wir haben das Rennen mit großer Leidenschaft verfolgt - all die Abenteuer der Segler, vom ersten bis zum letzten Teilnehmer. Und von November bis jetzt scheint es sehr schnell gegangen zu sein, aber in dieser Zeit sind so viele Dinge passiert.” Dalins Zieleinlauf sei etwas Besonderes gewesen, so Mermod. Er erklärte: „Die Emotionen waren so stark, weil dies eine fantastische Leistung war, besonders nach dem, was vor vier Jahren passiert ist.”
Die Rekordflotte der 40 Boote und ihrer Skipper haben die zehnte Vendée Globe zu einem sportlichen Hochkaräter gemachr. Mermod sagt, dass die Beibehaltung der gleichen Klassenregeln in den letzten vier Jahren dazu beigetragen habe, das Niveau der Zuverlässigkeit der Boote zu erhöhen. Ebenso wie das strenge Qualifikationsverfahren für das Königsrennen der Solisten und die Imoca Globe Series insgesamt, in deren Rahmen die Boote mehr als 60 Tage im Jahr im Regattaeinsatz sind.
„Ein weiterer positiver Punkt“, erklärte Mermod, “ist die Tatsache, dass die letzte Vendée Globe von 2020/2021 ein Erfolg war. Das bedeutete, dass die meisten Teams dank der Gewinne, den sie bei diesem Rennen erzielten, gute Geschäftspartner finden konnten. Das wiederum bedeutete, dass sie in der Lage waren, stärkere Teams mit einem höheren Niveau an beteiligten Personen zu gründen.”
Weiter sagte Antoine Mermod: “Man kann sehen, dass sich das technische Niveau und die Größe der Teams im Vergleich zu vor vier Jahren enorm verbessert haben, was auch die Verbesserung der Zuverlässigkeit erklärt.“ Mermod ist optimistisch, die 40-Boote-Rekordflotte auch 2028 wieder erreicht werden kann.
„Wir werden sehen”, so der Imoca-Dirigent, “aber es gibt mit Sicherheit mehr als 40 Skipper, die das nächste Mal teilnehmen wollen, denn es ist ein fantastisches Rennen und eine fantastische Herausforderung“, sagte er. „Die Rendite für die Sponsoren und die Zahlen scheinen sehr gut zu sein - wir werden dies in den kommenden Wochen veröffentlichen. Aber es scheint sehr positiv und sehr stark zu sein, und das bedeutet, dass es den Skippern helfen wird, Partner zu finden und starke Projekte aufzubauen, und ich hoffe, dass wir wieder 40 werden können.“
Die Vendée Globe spricht junge Menschen an, Menschen, die in Städten leben, Menschen aus der Bretagne und Menschen mit nicht-französischem Hintergrund auf der ganzen Welt.” Antoine Mermod
Antoine Mermod sagte, die Attraktivität der Vendée Globe für kommerzielle Partner liege in der Art und Weise begründet, wie sie die Geschichten einer globalen Solosegelregatta und von Menschen am Limit erzählt, die sich auf das Abenteuer ihres Lebens einlassen. Weiter sagte Mermod: „Wenn sie unsere Geschichte entdecken, spüren sie die Leidenschaft des Rennens. Und das ist der Weg, um Partner zu überzeugen, sich uns anzuschließen“.
Mermod hielt auch fest, dass der Erfolg des Rennens in hohem Maße dem Rennleitungsteam und den Organisatoren der SAEM Vendée zu verdanken sei, deren Mitarbeiter rund um die Uhr gearbeitet hätten, um ein erfolgreiches, sicheres und gut beworbenes und geleitetes Ereignis zu gewährleisten. „Es gab viele Leute, die Tag und Nacht hart gearbeitet haben, um dieses Rennen zu einem Erfolg zu machen“, wird Mermod in einer ausführlichen Pressemitteilung der Imoca-Klasse vom 11. März zitiert.
Mermods Fazit: „Der Erfolg dieser Veranstaltung ist den Skippern und den Teams zu verdanken, aber auch diese Menschen haben einen großen Anteil daran.” Und weil nach dem Rennen schon wieder vor dem Rennen ist, passt es gut, dass die Imoca-Klasse brummt. Es bilden sich neue Teams, neue Skipper drängen in die Klasse, Boote wechseln die Eigner.
Manche Teams haben schon die Startblöcke zum Anlauf zur elften Vendée Globe verlassen, andere sind noch auf dem Weg, kämpfen um eine eigene Kampagne oder “einfach” um den Aufstieg ins Oberhaus des Solosegelns. Mermod erzählt, dass sich die Klasse jetzt auf die kommenden Herausforderungen konzentriere. Sein Eindruck: “Das konnte man bei den Zielankünften spüren. Die meisten Skipper haben sich bereits auf die nächste Saison konzentriert, die eine fantastische Saison mit sehr starken Rennen sein wird - insbesondere das Ocean Race Europe, das eine sehr interessante Herausforderung für die Teams darstellt.”
Es sei aber auch “der ganze Zyklus, der jetzt vor uns liegt”. In den kommenden vier Jahren stünden 18 faszinierende Rennen auf dem Programm. Sie werden laut Antoine Memrod wieder “viele Herausforderungen, viele Geschichten bringen. Und das mit einer Flotte, die sich weiter verbessern und das Spiel spielen wird.”
Jenseits des Rennens – Boris Herrmanns Team Malizia hat einen eigenen Film zur zweiten Vendée Globe des “Malizia – Seaexplorer”-Skippers veröffentlicht: