Vendée GlobeDalin schon im Pazifik, Herrmann passiert Kap Leeuwin

Tatjana Pokorny

 · 13.12.2024

Nico Lunvens "Holcim - PRB" lag am Morgen des 13. Dezember rund 750 Seemeilen hinter Spitzenreiter Charlie Dalin.
Foto: Nico Lunven/VG2024
Schön und schwer zugleich muss die Kap-Leeuwin-Passage für Boris Herrmann gewesen sein: Der zweite große Meilenstein der Vendée Globe ist für den “Malizia – Seaexplorer”-Skipper seit dem Abend des 12. Dezember geschafft. Gleichzeitig machte das Ereignis auch bewusst, dass der Rückstand auf Spitzenreiter Charlie Dalin an diesem Punkt mehr als drei Tage betrug. Dalin ist indessen bereits in den Pazifik eingetaucht.

32 Tage, 4 Stunden, 20 Minuten und 54 Sekunden hat Boris Herrmanns zweite Vendée Globe vom Start- und Zielhafen Les Sables-d’Olonne bis zur Passage des Längengrades von Kap Leeuwin gedauert. Dann konnte der fünfmalige Weltumsegler diesen zweiten der drei großen Kap-Meilensteine entlang der Route am Abend des 12. Dezember feiern. Dafür zog er eine Flasche Rum hervor und sagte: “Wisst Ihr, was das bedeutet? Wenn die Rumflasche rauskommt, dann heißt das, wir haben ein großes Kap passiert!”

Herrmanns Prognose: Sturm am Montag

Weiter sagte Boris Herrmann: “Es ist ein großer Erfolg für Team Malizia, hier zu sein. Ich muss dem Team meinen Dank sagen. Wir haben ein verlässliches Boot. Ich fühle mich gut. Wir gehen jetzt das nächste Kap an, das in zwei Wochen und ein paar Tagen kommt. Hoffentlich vor dem 1. Januar. Wir haben einen Sturm, der am Montag aufziehen wird und auf den zu achten ist. Wünscht uns also Glück am nächsten Montag, wenn Ihr ins Büro geht. Denkt an uns und verfolgt uns weiter.”

Die am frühen Freitagmorgen 43 Seemeilen hinter Boris Herrmann liegende Schweiterin Justine Mettraux (”TeamWork - Team Snef”) sowie die gut 100 Seemeilen hinter ihr segelnde Britin Samantha Davies (”Initiatives - Cœur”) und die weitere 20 Seemeilen zurückliegende Clarisse Crémer (”L’Occitane en Provence”) haben Kap Leeuwin ebenfalls passiert.

Während sich die Boris Herrmann jagenden Skipperinnen noch um den 45. Breitengrad Süd oberhalb der dort hoch in den Norden gezogenen Verbotszone nach Osten vorarbeiteten, hatte der auf Platz zehn liegende “Malizia – Seaexplorer”-Skipper am zu Ende gehenden 33. Renntag der Vendée Globe bereits den “Sinkflug” nach Süden eingeleitet und den 47. Breitengrad erreicht.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Vendée-Globe-Frontmann Dalin im Pazifik

Gleichzeitig ist Spitzenreiter Charlie Dalin kurz nach Mitternacht am sehr frühen 13. Dezember bereits den Pazifik eingetaucht. Er hat als Erster den dritten Ozean der Vendée Globe erreicht. Wie seine Verfolger, hangelte sich auch der Dominator an der Eisverbotszone entlang. Mit beinahe chirurgisch scharf an die Grenze entlang gesetzten Halsen segelte Dalin beim 50. Breitengrad Süd mit etwa 18 Knoten Speed ostwärts. Schon in Kürze wird der Franzose den nächsten Eckpunkt der Exklusionszone erreicht haben, an der sie steil bis auf den 56. Breitengrad Süd abfällt. Entsprechend ist dann mit Dalins “Sinkflug” in die “Schreienden Fünfziger” zu rechnen.

Bei 11.923 formidabel absolvierten und 11.966 ausstehenden Seemeilen war Charlie Dalin seinem persönlichen Vendée-Globe-Halbzeitgong beim 7-Uhr-Update schon sehr nahe gekommen. Der “Macif Santé Prévoyance”-Skipper führt die Flotte seit fast zehn Tagen an. Mit rund 200 Seemeilen hält er weiterhin einen angenehmen Vorsprung vor Sébastien Simon (”Groupe Dubreuil”). Dem wiederum sitzt der weiter stark aufkommende Yoann Richomme (”Paprec Arkéa”) im Nacken.

Seb Simon, Dalins erster Verfolger aus dem französischen Département Vendée, sagte: “Ich sehe, dass Yoann stark drängelt, um mich einzuholen, koste es, was es wolle. Ich bin in meinem Rhythmus geblieben. Ich schaue ihm zu, ich segle meinen Kurs, mein Rennen, das ist es, was mir erlaubt hat, meine kleine Verschiebung im Osten vorzunehmen. Ich glaube, das wird in den nächsten 24 Stunden von Vorteil sein. Es gibt eine Möglichkeit für eine kleine Atempause, wenn sich die Routings als richtig erweisen werden.”

Holt das Hochdruckgebiet auch vordere Boote ein?

Andererseits könnten abflauende Winde das schnelle Fortkommen auch ausbremsen, wie Seb Simon erklärte: “Da ist immer noch das Hochdruckgebiet, das von hinten kommt. Ich befürchte, dass wir mit all den Halsen entlang der verbotenen Zone ein bisschen langsam sein werden!”

Um ihren Kurs so kurz und damit so schnell wie möglich ostwärts zu halten und den Südwind optimal zu nutzen, kleben die führenden Solisten aktuell an der Grenze der Eiszone wie Motten am Licht. Sebastien Simon, der vor einer Woche sein Foil verloren hatte, erzählte, wie sich das Segeln unterhalb von Australien für ihn anfühlt: “Mein Boot ist jetzt natürlich ‘asymmetrisch’. Mir fehlen mir auf einer Seite etwa 30 Prozent des Bootes.”

Zu den Auswirkungen erklärte Sebastien Simon: “Ich habe nicht das Gefühl, dass es den Kurs grundlegend verändert. Es verlangsamt mich nur ein bisschen auf Backbord. Das merkt man nicht so sehr, wenn der Seegang wirklich schrecklich ist. Es wird mehr auffallen, wenn die See länger wird und das Foil Surfen erlaubt, das ich dann nicht machen kann!”

Dalin und Simon zu Weihnachten bei Kap Hoorn?

Aktuelle Routings besagen, dass “Groupe Dubreuil” Kap Hoorn bereits am 26. Dezember erreichen könnte. Charlie Dalin entsprechend vorher, sollte er seine Führung weiter im bisherigen Stil verteidigen können. Seb Simon sagte: “Das wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk! Es wäre ziemlich unglaublich, den Pazifik in nur zwölf Tagen so schnell wie den Atlantik durchqueren zu können. Ich kann es kaum erwarten, das alles zu entdecken.”

Aktuell offene Wünsche hatte Seb Simon einen Tag vor dem 3. Advent auch: “Gerne hätte ich ein bisschen mehr Sonne und auch ein bisschen ruhiges Wetter – also nicht zu ruhig – um ein bisschen aus dem Cockpit herauszukommen und frische Luft zu schnappen. Wir sind seit ein paar Tagen da drinnen eingesperrt. Es würde gut tun, etwas an die Luft zu kommen.”


“Wieder ein denkbürdiger Moment an Bord von ‘Malizia’!” – mit diesen Worten läutet Boris Herrmann seinen Clip von der Kap-Leeuwin-Passage ein:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta