Seit dem Abend des 30. Dezember ist es wieder Charlie Dalin, der im heiß umkämpften Spitzenduell der Vendée Globe die Führung vor Yoann Richomme übernommen hat. Der südwestlich vom Power-Duo segelnde drittplatzierte Sebastien Simon, der bei Kap Hoorn vor sechs Tagen noch 700 Seemeilen Rückstand auf die beiden Dominatoren hatte, ist inzwischen auch mit gebrochenem Steuerbord-Foil auf 282 Seemeilen an Dalin herangekommen!
Damit zählt der 34-jährige Sébastien Simon zum Jahresende mit seinem 2021er-Verdier-Design von Guillaume Verdier zweifellos zu den bisherigen Gewinnern der Vendée Globe. Er steuert die frühere Ocean-Race-Siegerin “Mãlama” unter ihrem neuen Namen “Groupe Dubreuil” bislang stark durch das Solo-Rennen um die Erde. Nach dem vorzeitigen Aus bei seiner Vendée-Globe-Premiere 2020/2021 und der Achterbahnfahrt mit Team Guyot durchs Ocean Race 2023, kann Simon aktuell glänzen.
Das tut er auch zur Freude von Veranstaltern und Fans, denn Sébastien Simon ist im Heimathafen der Vendée Globe groß geworden. Er hat das Segeln in Les Sables-d’Olonne gelernt, ist von dort aus in seine Seesegelkarriere durchgestartet. Am Silvestermorgen teilte Seb Simon seine Einschätzungen in für ihn aktuell leichteren Winden von Bord der bei CDK Technologies gebauten “Groupe Dubreuil”.
Seb Simon berichtete : “Ich habe nur sechs Knoten Wind und hatte den ganzen Tag über zwischen sechs und acht Knoten. Also versuche ich einfach, das Boot in Bewegung zu halten, denn wenn der Wind aufhört, wird es schwierig. Ich erwarte, dass ich zwei Tage lang diesen leichten Wind haben werde. Ich versuche, mich auf mein eigenes Rennen zu konzentrieren und will keine Energie verlieren, indem ich auf die anderen beiden schaue.”
“Groupe Dubreuil”-Skipper Seb Simon machte sich keine Illusionen über anstehende leichte Verluste bei seiner Aufholjagd in Richtung Spitze: “Sie werden wahrscheinlich einen Tag vor mir rauskommen, aber wir werden sehen. Wir sind nicht in der gleichen Position. Sie sind östlicher als ich, was für die Zukunft besser sein wird.”
Er selbst wolle fokussiert bleiben und blickte auch hinter sich: “Ich beobachte Thomas Ruyant. Der ist im Aufwind und ich erwarte, dass er etwas zurückkommt. Aber ich erwarte auch, dass ich meinen Vorsprung halten kann, denn ich habe 1000 Meilen Vorsprung und bin wirklich glücklich.”
Das ist wirklich ein guter Moment bei dieser Vendée Globe.” Sébastien Simon
Seb Simon berichtete auch über sein alltägliches Bordleben im Südatlantik auf Kurs Äquator: “Das Wetter ist wärmer, also habe ich heute geduscht. Ich habe mehr als einen Monat ohne Dusche verbracht. Also ist das wirklich großartig. Ich fühle mich so gut und kann an Deck gehen und den Himmel, den Sonnenaufgang und die Sterne beobachten. Das Rennen ist so intensiv, aber das Boot ist so schnell gewesen im ganzen Südpolarmeer. Dass es jetzt mal etwas langsamer geht, ist auch schön.”
Die Prognose des aktuellen Flotten-Dritten: “Wir haben noch 15 oder 16 Tage zu segeln, bevor das Rennen zu Ende geht. Im Moment ist es also in Ordnung, aber im Nordatlantik, ein paar Tage vor der Ziellinie, werden die Bedingungen echt hart sein.” “Vulnerable”-Skipper Thomas Ruyant lag am zu Ende gehenden 51. Renntag seit dem Vendée-Globe-Start am 10. November rund 1100 Seemeilen hinter Seb Simon auf Platz vier. Weit hinter ihm rang im atlantischen Süden das Jäger-Sextett mit Boris Herrmann um Anschluss.
“Biotherm”-Skipper Paul Meilhat war am Silvestermorgen am weitesten nach Norden vorgedrungen. Doch Nico Lunven (”Holcim - PRB”) war als Fünfter relativ zur Loxodrome besser positioniert. Als Achter verteidigte der britische “Vulnerable”-Skipper Sam Goodchild keine zehn Seemeilen Vorsprung mehr gegenüber Boris Herrmann.
Der “Malizia – Seaexplorer”-Skipper kämpfte zuletzt in um die 15 Knoten Wind ums Comeback auf Platz acht. Boris Herrmann sagte am Silvestermorgen: “Es könnte ein harter Tag werden.” Über Nacht hatte er eine anspruchsvolle technische Herausforderung gemeistert und sein kaputtes Hdraulik-System für die Foil-Einstellung im Handbetrieb neu eingestellt, um über die so veränderte Neigung der Foils seine Geschwindigkeit zu optimieren.
Gleichzeitig beschrieb Boris Herrmanns Co-Skipper Will Harris in der achten Folge der Malizia Vendée Show die bevorstehenden Herausforderungen für die Verfolgergruppe in den Top Ten: “Die Situation ist sehr interessant. Es kann sich leicht anfühlen wie ‘Ah, jetzt haben wir den Southern Ocean geschafft’. Es kann sich leicht wie angenehmes Flachwasser-Segeln anfühlen. Was es auch sein kann…”
Es kann sich bis zum Äquator noch alles ändern.” Will Harris
Andererseits machte sich Will Harris keine Illusionen: “Realistisch betrachtet, ist es eine der taktisch anspruchsvollsten Phasen des Rennens, weil es so viele verschiedene Optionen gibt. Da kommen Massen an verschiedenen Wettersystemen ins Spiel. Es ist wirklich nicht klar, was passieren wird. Es kann sich bis zum Äquator noch alles ändern.” Respekt äußerte Will Harris für Seb Simon: “Der macht seine Sache wirklich gut!”
Vendée Globe: zu Silvester noch 35 Boote im
Der aktuelle Stand zu Beginn der achten Rennwoche der Vendée Globe und gleichzeitig zum Jahresende: 35 Skipper sind noch im Rennen. Fünf sind ausgeschieden. “Medallia”-Skipperin Pip Hare ist nach ihrem Mastbruch längst gut in Melbourne angekommen. Auch Titelverteidiger Yannick Bestaven, der gestern hatte aufgeben müssen, hat mit Argentiniens südlichster Stadt Ushuaia seinen schützenden Hafen erreicht.
“L’Occitane en Provence”-Skipperin Clarisse Crémer ist trotz ihrer Computerprobleme gut unterwegs. Die Französin lag am Silvestermorgen auf Platz elf knapp vor Benjamin Dutreux (”Guyot Environnement”). Beide sollten dürften Kap Hoorn am Neujahrstag passieren. Und wer kann schon von sich sagen, den ersten Tag des Jahres auf See am berühmtesten Kap des Planeten verbracht zu haben?