Vendée GlobeBoris Herrmann mit neuen Flügeln – Refit-Comeback für ”Malizia – Seaexplorer”

Tatjana Pokorny

 · 26.03.2024

Comeback für "Malizia – Seaexplorer" in Lorient
Foto: Marie Lefloch/Team Malizia
Für Boris Herrmann läuft der Countdown zur zweiten Solo-Weltumsegelung. In 230 Tagen fällt der Startschuss zur 10. Jubiläumsedition der Vendée Globe am 1o. November. Heute feierte Team Malizia in Lorients La Base das Comeback der “Malizia – Seaexplorer” nach ihrem drei Monate währenden Winterrefit. Die schönste Bescherung sind ein Paar neue Flügel für den 60-Fuß-Foiler

Frisch beflügelt und bestgelaunt feierten Boris Herrmann und sein Team Malizia zu Wochenbeginn die Rückkehr der “Malizia – Seaexplorer” aus dem dreimonatigen Winterrefit. In Lorient ging das bei Multiplast gebaute und von Herrmann mitentwickelte VPLP-Design von 2022 wieder ins Wasser und wurde am frühen Dienstagmorgen Krängungstests unterzogen. Das vom gerade erst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Boris Herrmann 2016 gegründete Team Malizia hat seine Rennyacht für das Vendée-Globe-Jahr wieder in ihr Element zurückgebracht.

Neue Foils für Boris Herrmann

Als auffälligstes Refit-Ergebnis trug die rund 18,30 Meter lange “Malizia – Seaexplorer” ein schmuckes Paar neuer Foils. “Sie sehen gut aus”, schwärmte Boris Herrmann vor den ersten Härtetests. Ein Team von rund 15 Malizia-Experten hatte sich in den Wintermonaten weitgehend um die Updates für Herrmanns Imoca gekümmert. Anfang Februar hatte Herrmann die neuen Foils zuletzt im Entstehungsprozess begutachtet, bevor er sie nun mit Boot erproben kann. Sie sollen “Malizia – Seaexplorer” befügeln.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

“Die beiden Hauptprojekte dieses Winterrefits waren die neuen Foils und die Ergonomie”, erklärte Skipper Boris Herrmann, “unser Boot läuft sehr gut vor dem Wind, also ist es unser Ziel, schneller am Wind zu segeln. Wir haben unsere ‘Malizia - Seaexplorer’ gestern zu Wasser gelassen, heute früh einen 90-Grad-Test gemacht und heute Nachmittag die neuen Foils installiert, sodass wir sie bereits diese Woche testen können, zusammen mit anderen Änderungen, die wir vorgenommen haben, was sehr aufregend ist.”

Leistungsverbesserung für die Vendée Globe

Rebecca Sainson, Ingenieurin im Konstruktionsbüro von Malizia, erklärte: “Wir haben ein neues Paar Foils gebaut, die von Sam Manuard entworfen wurden und auf unseren vorherigen Foils basieren, um die Leistung und Hydrodynamik zu verbessern. Sam hat zwar auch die V2-Foils entworfen, aber sie waren ursprünglich nicht für unser Boot gedacht. Kurz vor dem Start von The Ocean Race entdeckten wir, dass unsere V1-Foils beschädigt waren, was unsere Teilnahme an der Weltumsegelung gefährdete. Also mussten wir schnell neue finden. Nach intensiven Bemühungen und einem Glücksfall gelang es uns, ein Paar zu finden, das zu unserem Boot passte, obwohl wir die Lager der Foils anpassen mussten.”

Während das Team Malizia in verschiedenen Rennen rund um den Globus unterwegs war, hatten sich die V2-Foils als recht effizient erwiesen, waren aber nicht ideal. Unter anderem weil sie sich nicht vollständig einfahren ließen. Die Form der V3-Foils wurde überarbeitet, um zu verhindern, dass sie im eingefahrenen Zustand Widerstand im Wasser kreieren. “Wir haben auch das Profil verfeinert”, erklärte Rebecca Sainson. Und weiter: “Diese neuen Foils sollten die Leistung des Bootes deutlich verbessern. Wir freuen uns darauf, sie in den kommenden Wochen zu testen.”

Der technische und operative Direktor Pifou Dargnies fügte hinzu: “Wir haben auch an der Ergonomie gearbeitet. Imoca-Boote sind für ihren sehr begrenzten Komfort bekannt, also versuchen wir, die Dinge zu verbessern und Boris optimale Schlaf-, Ess-, Arbeits-, Manövrier- und andere wichtige Funktionen an Bord zu bieten.”

Mehr Komfort für den Skipper

“Wir haben ein neues Heckkojen-System entwickelt”, erklärte Rebecca Sainson. “Das vorherige war ziemlich unbequem, es war fest mit dem Carbon verbunden und sehr steif. Also haben wir die Koje abgesenkt und ein neues Federungssystem eingebaut, das den Wellenschlag etwas besser abfedert. Es gibt nur eine Liege in der Achterkabine, an Steuerbord, aber sie kann in beide Richtungen gekippt werden, je nachdem, auf welchem Bug das Boot fährt.” Das Technikerteam hat auch kleine Verbesserungen an der Küche vorgenommen, die sich auf der Backbordseite befindet.

Die Ingenieurin ergänzte: “Eine große Verbesserung der Ergonomie ist der Cockpitsitz. Wir hatten nach der letzten Sommerüberholung einen Cockpitsitz eingebaut, aber der war nicht schlüssig. Seine Position war nicht optimal, zu nah an den Winschen und auch ein bisschen im Weg. Deshalb haben wir bei diesem Refit einen neuen Sitz gebaut, der sich ein wenig an dem der ‘Paprec Arkéa’ orientiert, aber komplett an das Cockpit unseres Bootes angepasst ist.”

Rebecca Saison sagte: “Der neue Sitz ist jetzt an der Cockpitwand angebracht und kann auch an der anderen Wand befestigt werden. Außerdem ist er gefedert, ein bisschen wie bei Stoßdämpfern eines Fahrrads. Wir haben die Kojen im Cockpit ein wenig verkürzt, um Platz für den Sitz zu schaffen. Boris kann jetzt bequem sitzen und hat eine optimale Position, um alle seine Bildschirme zu sehen, die Schot zu halten, den Autopiloten zu bedienen und mehr.”

Ein zuverlässiges Energiesystem im Visier

Während der Winterüberholung überprüfte Malizias Technik-Team den gesamten Rumpf, verstärkte die Struktur ein wenig und arbeitete an den Aspekten Energie und Leistung. “Während der Vendée Globe wird es entscheidend sein, ein zuverlässiges Energiesystem zu haben”, stellte Pifou Dargnies klar.

Weiter sagte er: “Wir verfügen über Sonnenkollektoren, zwei Hydrogeneratoren und haben jetzt einen Windgenerator am Heck des Bootes installiert, um eine noch höhere Effizienz zu erreichen. Die Erprobung verschiedener Energiequellen, die sich gegenseitig ergänzen, ist von entscheidender Bedeutung, zumal sich die Regeln der Imoca-Klasse allmählich dahingehend entwickeln werden, dass ausschließlich erneuerbare Energiequellen vorgeschrieben werden.”

Abschließend sagte Pifou Dargnies: “Was die Segel betrifft, so verwenden wir unser Großsegel aus dem Ocean Race, bis wir ein neues für die Vendée Globe bekommen. Und für diejenigen, die sich wundern: Wir haben das Segel, das Sekunden nach der Ziellinie der Retour à La Base gerissen war, inzwischen repariert. Es ist jetzt unser Ersatzgroßsegel.”

Mit seinem Boot in neuem Glanz bereitet sich Boris Herrmann auf eine Gipfelsaison vor. Bis zum Start zu seiner zweiten Vendée Globe am 11. November stehen mit dem Transat CIC (Start: 28. April) und dem New York Vendée Les Sables-d’Olonne (Start: 29. Mai) zwei fordernde Transat-Prüfungen, viele Tests, intensives Training und das letzte Kräftemessen der Imoca-Granden beim Klassiker Le Défi Azimut auf dem Programm. Dann folgt der Gipfelsturm: Die 10. Jubiläumsausgabe der Vendée Globe wird ihre Herausforderer von und nach Les Sables-d’Olonne über 24.000 Seemeilen einmal nonstop um die Welt führen.

Zwei Transats für Boris Herrmann

Boris Herrmann hatte dem Einhand-Abenteuer bei seiner Premiere 2020/2021 auch hierzulande einen enormen Popularitätsschub beschert. Nun nimmt der erste deutsche Teilnehmer in der Vendée-Globe-Geschichte – wie auch die in München geborene Deutsch-Französin Isabelle Joschke – zum zweiten Mal Anlauf. Beide stehen auf der Liste der 43 Kandidaten für 40 Startplätze (Rekordfeld). Boris Herrmann ist sicher qualifiziert, Isabelle Joschke so gut wie sicher.

Während Boris Herrmann beide anstehenden Transatrennen bestreiten wird, setzt Isabelle Joschke auf längere Erholungsphasen, nimmt nur an der Hin-Regatta, nicht aber am Rennen zurück nach Frankreich teil.


Der Video-Trailer zum Transat CIC:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta