Vendée GlobeBeyou und Meilhat feiern, “nie erlebte Bedingungen” für Herrmann

Tatjana Pokorny

 · 24.01.2025

Überglücklich als Fünfter im Ziel: "Biotherm"-Skipper Paul Meilhat.
Foto: Jean-Louis Carli/Alea/VG2024
Jérémie Beyou und Paul Meilhat sind im Ziel. Während der Vierte und der Fünfte der Vendée Globe nach ihren Kanaljubelfahrten in Les Sables-d’Olonne gefeiert werden, haben ihre Verfolger auf See teilweise brutalste Bedingungen zu meistern. Und schwere Entscheidungen zu treffen. So auch Sam Davies und Boris Herrmann. Die Britin hat schon gegen ihre Renninteressen und pro guter Seemannschaft entschieden.

Sowohl in Les Sables-d’Olonne als auch bei den Vendée-Globe-Akteuren schlugen heute die Wellen hoch. Es sind Wellen der Emotionen und die Wellen des Atlantiks, gepaart mit stürmischen Winden, die dafür sorgen, dass Lust und Leid beim Solorennen um die Welt weiter ganz eng beisammen liegen.

Jérémie Beyou und Paul Meilhat erlebten ihr Finale in Les Sables-d’Olonne zwar in Wind und Regen, doch das hielt weder die Fans noch die Skipper von einem Jubelempfang ab. Es waren schöne Szenen, die bei der Live-Übertragung aus dem französischen Start- und Zielhafen der Vendée Globe gezeigt wurden.

Es gibt schöne vierte Plätze und nicht so schöne vierte Plätze. Dieser ist ein schöner vierter Platz.” Jérémie Beyou

Als Erster der beiden Freitag-Finisher war Jérémie Beyou bereits in der Nacht ins Ziel gekommen. Er holte Platz vier bei seiner fünften Vendée Globe. Wer Sorge hatte, dass dem Vorstart-Mitfavoriten das verpasste Podium zu stark aufs Gemüt geschlagen hat, der wurde positiv überrascht. Der 48-Jährige genoss seine Parade und zeigte sich lächelnd, charmant und erfrischend offen. Dann sagte Beyou: "Es sind die Herausforderungen, die dieses Rennen so wertvoll machen. Ich bin unglaublich stolz auf diesen vierten Platz.”

Bewertung

Jérémie Beyou ist stolzer Vendée-Globe-Vierter

Nach der Ankunft am Dock von Port Olona reflektierte der "Charal"-Skipper in einer ersten kurzen Bilanz auch den Prozess, durch den er bei diesem Rennen gehen musste: “Ich musste irgendwann erkennen, dass ich das Podium nicht mehr erreichen kann. Das war hart zu akzeptieren." Aufgegeben aber habe er nie: "Ich war seit dem Indischen Ozean in Figaro-Modus unterwegs."

Über den britischen "Vulnerable"-Skipper Sam Goodchild, mit dem er sich bis zu dessen Großsegelbruch ein so packendes Duell geliefert hatte, sagte Beyou: "Diese Jungs, Nico Lunven, Sam Goodchild, die sind Champions. Sam Goodchild ist ein ziemliches Monster. Was er da mit seinem Großsegel gemacht hat… das ist verrückt. Er hat sehr gut gesegelt. Er ist ein großer Segler wie Nico, wie Paul, wie alle die Segler in dieser Gruppe. Das Niveau war sehr hoch."

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Beyou war mit seiner Zeit von 74 Tagen, 12 Stunden, 56 Minuten und 54 Sekunden fast sechs Tage schneller als Charlie Dalin vor vier Jahren, als der die Ziellinie damals als Erster erreicht hatte. Bei diesem Rennen fehlten Beyou zu Dalins neuem Fabelrekord 9 Tage, 17 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden. Die 29.048,9 Seemeilen über Grund hat “Charal” mit einem Durchschnittsspeed von 16,2 Knoten gemeistert. Der ihm auf Platz fünf folgende Paul Meilhat dagegen hat bei insgesamt nur 28.051 Seemeilen über Grund fast 1000 Seemeilen weniger im Heck seiner “Biotherm”. Er kam auf durchschnittlich 15,6 Knoten.

Rennleitung macht Sturmtor zum Ziel

Für den “Biotherm”-Skipper hatte die Rennleitung am Freitagmittag erstmals die “Ligne Tempête” aktiviert. Das Sturmtor liegt vor der üblichen Ziellinie, ist ein Pflichttor, das bei schwerem Wetter in eine Ziellinie umgewandelt werden kann. Die Linie ist länger und liegt weiter draußen als das klassische Ziel der Vendée Globe, um die Segler in stürmischen Winden nicht zu nah an die Küste zu zwingen. Paul Meilhat konnte bei seinem Timing aber direkt nach der Zielankunft hinter Jérémie Beyou in den Kanal einfahren.

Der 42-Jährige Meilhat hat im zweiten Anlauf erstmals das Vendée-Globe-Ziel erreicht. Nach dem unglücklichen Bruch-Aus vor acht Jahren kam der "Biotherm"-Skipper am Freitagmittag als überglücklicher Fünfter rund neun Stunden nach Jérémie Beyou ins Ziel. Seine Zeit für das gelungene Solo um die Welt: 74 Tage, 22 Stunden, 38 Minuten, 15 Sekunden.

Mit einem der kleineren Budgets in den Top-15, einem privaten Bankkredit für ein Paar neue Foils (die gleichen wie die von Boris Herrmann) und viel Wettkampflust war der „Biotherm“-Dynamo in seine zweite Vendée Globe gestartet. Sein Heimathafen ist Lorient, wo er mit Ehefrau und Augenärztin Stéphanie und zwei Jungs im Grundschulalter lebt. Nach dem Sportstudium und vielen Jahren in olympischen Segelklassen wie Laser und 49er, war Meilhat 2015 in die Imoca-Klasse eingestiegen.

Meilhats Liebeserklärung an die Vendée Globe

Seine Vendée-Globe-Premiere 2016/2017 war nach schweren Kielproblemen der „SMA“ mit der offiziellen Aufgabe an Heiligabend 2016 geplatzt. Da hatte er an Position drei gelegen. Danach machte er sich mit Rennsiegen bei der Route du Rhum und weiteren Erfolgen einen Namen. Zwischenzeitlich bei Top-Akteuren wie Charlie Dalin und Sam Davies als Co-Skipper hoch im Kurs, hat sich Paul Meilhat mit Team Biotherm über vier Jahre sein eigenes kleines, aber feines Projekt aufgebaut.

"Ich habe während des Rennens gelernt, mit den neuen Foils zu segeln. Ich wusste, dass sie langfristig gut für mich sein werden. Das war eine Stärke", zog der 42-jährige "Biotherm"-Skipper nach der Ankunft eine erste kleine Bilanz. Dazu sei es "unglaublich" gewesen, "mich im Gegensatz zu meiner anderen Vendée Globe mit den Booten Seite an Seite messen zu können", so der Wettkämpfer Meilhat. Er sei jetzt "absolut müde und kaputt", aber das Rennen sei "niemals langweilig" gewesen.

"Ich habe mich da draußen nie gefragt, was ich da tue. Es war die ganze Zeit Vollgas", erklärte Meilhat. Und weiter: "Wir haben unsere ganze Philosophie vier Jahre lang aufgebaut, vor vier Jahren Entscheidungen getroffen, die funktioniert haben. Das ist einfach brilliant!" Die Nacht vor dem Zieldurchgang am Freitagmittag sei noch einmal sehr schwer gewesen, weil er eine Sturmfront hinter sich hatte.

Die Vendée Globe ist fantastisch!” Paul Meilhat

Meilhat berichtete: "Da waren Böen mit 40 Knoten. Ich habe ein paar Crash-Halsen fabriziert. Es war nicht leicht, doch heute früh wurde es ruhiger. Ich wusste, dass ich noch ein bisschen Zeit hatte bis zur Kanalfahrt. Also habe ich mir Gedanken zum Rennen gemacht. Was wir erreicht haben. Ich bin wirklich stolz auf mich, stolz auf das Team. Das Boot ist in ziemlich guten Zustand. Und jetzt bin ich einfach glücklich, menschliche Gesichter zu sehen. Denn ich habe seit zwei, drei Monaten keine Menschen mehr gesehen. Es ist so schön, meine Freunde, meine Familie und das Team zu sehen. Ich bin superglücklich! Danke!"

Der Purist Paul Meilhat zählte vor Rennbeginn nicht zu den Top-Favoriten, hat aber mit guten strategischen Entscheidungen, zupackenden Reparaturleistungen und mentaler Stärke das Maximum aus seinen Möglichkeiten gemacht. „Biotherms“ Vorzüge in leichten und mittleren Winden setzte er phasenweise sehr gekonnt ein, als anderen die Puste ausging. Am Ende konnte er sich im Duell mit Nico Lunven um Platz sechs auf Kurs Biskaya-Endspurt besser positionieren.

Das Meer fordert die noch aktiven Vendée-Globe-Skipper

Dass Meilhat sein Solo aus einem bewusst offenen gestalteten Cockpit des im Ocean Race hart erprobten 2022er-Verdier-Designs "Biotherm" bestritt, hat ihn befügelt: „Das ist für mich zentral, um in Kontakt mit dem Meer zu bleiben, das ich so liebe.“ Dieses Meer forderte die Beyou und Meilhat am Freitag noch auf See folgenden Skipper zuletzt stark.

Der dem Ziel als Sechster entgegenstrebende Nico Lunven wusste ein Lied davon singen. In einem nicht enden wollenden Halsen-Marathon kämpfte sich der “Holcim - PRB”-Skipper in stürmischen Winden seiner Erlösung entgegen. Im wiederum folgten Thomas Ruyant, Justine Mettraux und Sam Goodchild. Alle vier Boote wirkten nachmittags am 24. Januar wie zum Gänsemarsch durch die Biskaya aufgereiht: Lunven hatte noch rund 50 Seemeilen bis ins Ziel vor sich. Gute 110 Seemeilen hinter ihm verteidigte Thomas Ruyant auf “Vulnerable” seinen siebten Platz.

Auf Ruyant hat Justine Mettraux zuletzt etwas verloren. Die Schweizer “TeamWork - Team Snef”-Skipperin verteidigte aber ihrerseits den achten Platz gegen den auch mit lädiertem Großsegel weiter angreifenden zweiten “Vulnerable”-Mann Sam Goodchild.

Sturmwarnung verdirbt Davies’ Vendée-Globe-Finale

Den Tränen nahe war Sam Davies an diesem bewegten Freitag, als sie per Video mitteilte, dass sie ihre Entscheidung im Umgang mit der Sturmwarnung für Sonntag und Montag getroffen habe. Die "Inititatives - Cœur"-Skipperin hat ihre Fahrt schon gedrosselt. "Ich habe bereits in der Nacht die Handbremse gezogen. Das Frustrierende ist, dass ich bis zur Ziellinie segeln könnte, aber die Bedingungen nach dem Überqueren der Linie so schwierig sein würden, dass ich unmöglich nach Les Sables-d'Olonne reinfahren kann.”

Weiter sagte Sam Davies: “Die Vorhersagen zeigen, dass es 40 bis 50 Knoten Wind geben könnte. So nah der Küste ist das sehr gefährlich. Ich musste mich jetzt entscheiden, dann danach wäre es sehr schwer geworden, umzukehren und hier zu warten. Ich weiß, dass es hier sicherer, wenn auch bucklig ist. Ich bin so enttäuscht, dass ich nicht am Sonntag ankomme und meine Rennzeit nun verlängere.” Das war auch im Tracker zu sehen, denn ihr Boot bewegte sich zeitweise in die “falsche” Richtung.

Die gute Seemannschaft ist meine Priorität.” Sam Davies

Sam Davies erklärte ihre schwere Entscheidung: “Ich muss mich um mein Boot kümmern, das fast eine ganze Weltumseglung hinter sich hat. Ich weiß, dass es zu Unfällen führen kann, wenn man es eilig hat, um jeden Preis nach Hause zu kommen. Jetzt muss ich ein anderes Wetterfenster finden, um sicher nach Les Sables-d'Olonne zu gelangen. Das ist nicht einfach. Am Dienstag beispielsweise haben wir zehn Meter Seegang in der Biskaya. Das ist nicht praktikabel… Alles in allem: 'Rennmodus aus, Abenteuermodus an.'"

Boris Herrmann beobachtet die Entwicklung

“Malizia – Seaexplorer”-Skipper Boris Herrmann, der in Folge von Davies’ Entscheidung inzwischen fast schon “gleichauf” mit ihr lag, wollte seinen Kurs vorerst fortsetzen und die Wind- und Wetterentwicklung beobachten. Seine aktuelle Herausforderung beschrieb er als “Geduldsübung”, sagte bei seiner sechsten Weltumseglung: "Ich habe so etwas noch nicht erlebt.” Der 43-Jährige segelte seine Imoca am Freitag mit gebrochenem Backbord-Foil auf dem "guten Bug" in mäßigen Winden.

Doch auch er blickt dem bedrohlichen Wetter- und Windszenario für sein Finale – aufmerksam entgegen. Dennoch blieb Team Malizias Skipper seinem Kurs zunächst treu, sagte: "Ich werde für den Moment so weitersegeln wie jetzt. Ich bin etwa bei den Kanarischen Inseln. Es liegt also noch ein langer Weg vor mir. Die Vorhersagen könnten sich ändern. Was die Windstärke und die Wellenhöhe bei Kap Finistèrre angeht: Ich habe solche Bedingungen noch nie in meinem Leben erlebt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll…"

UPDATE: hier geht es zum aktuellen Clip von Boris Herrmann von Freitagabend:

REPLAY! Hier geht es zur Nachmittagssendung mit Pip Hare und dem früheren Malizia-Segler Christopher Pratt im Studio bei Moderator Andi Robertson sowie schönen Bildern von den jüngsten Zieldurchgängen und Willkommensfeiern:

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