Tatjana Pokorny
· 18.06.2022
Bei der Vendée Globe musste sie mit Kielschaden aufgeben, jetzt riss das Großsegel: Wieder sind die Kämpferqualitäten der Deutsch-Französin gefordert
Nun hat das Sturmtief auch Isabelle Joschke aus dem Rennen geworfen. Die in München geborene Deutsch-Französin musste schmerzhafte 40 Seemeilen vor der neu gelegten virtuellen Ziellinie des zweiten Vendée Arctique aufgeben. Ihr beschädigtes Großsegel hat die Weiterfahrt ohne zu große Gefahr für Skipperin und Boot unmöglich gemacht. Wieder muss die Solistin Kämpferqualitäten beweisen. Schon bei der Vendée Globe 2020/2021 hatte sie mit einem Schaden an der Kielhydraulik aufgeben müssen. Mit gerissenem Groß kehrte Joschke lieber um und bemüht sich nun darum, die "MACSF" heil in den Start- und Zielhafen Les Sables-d'Olonne zu bringen. Ein Porträt der Imoca-Seglerin lest Ihr in der aktuellen YACHT 13.
Am späten Samstagnachmittag befand sich Joschke bereits auf dem Rückweg zwischen dem 64. und dem 63. Breitengrad Nord. Dem Zielhafen am dichtesten war zu dem Zeitpunkt Louis Burton, der sich auf seiner "Bureau Vallée" bereits dem 62. Breitengrad Nord näherte. Der so stark in die zweite Auflage des Vendée Arctique gestartete Franzose hatte die imaginäre Ziellinie nach Verlusten in flauen Phasen als Fünfter gekreuzt. Gewonnen hat das verkürzte Rennen Charlie Dalin auf "Apivia" vor Jérémie Beyou auf "Charal" und Thomas Ruyant auf "LinkedOut". Ebenfalls aufgegeben haben Arnaud Boisières auf "La Mie Câline" und Manuel Cousin auf "Groupe Sétin". Während einige der Spitzenreiter am Wochenende schützende isländische Buchten zum Abwettern des Tiefdruckgebietes gewählt hatten, suchten andere ihr Glück auf dem Heimweeg mit bestmöglicher Positionierung. Die stärksten Winde sind inzwischen von der Flotte überstanden.
Wie dramatisch es auf einigen Booten in den letzten 24 Stunden zuging, fasste immer wieder die britische Skipperin Pip Hare in verständliche Worte. Am Freitag schrieb sie von Bord: "Das ist ein Himmel, der dir sagt, dass er dich bei lebendigem Leibe fressen wird." Kurz vor ihrem stolzen Zieldurchgang als 13. sagte sie: "Es sind noch drei Seemeilen bis ins Ziel. Der Seegang ist brutal und baut sich momentan immer weiter auf. Ich werde immer wieder von den Wellen gehoben, bevor das Boot hart zurückhämmert." Das Team von Manuel Cousin, der bereits einen Tag zuvor aufgegeben hatte, erklärte: "Angesichts der riesigen Depression, die mit über 60 Knoten Wind über einen Teil der Flotte der Arctique Vendée – Les Sables d'Olonne herfällt, hat Manu aufgegeben, seine Imoca diesen Bedingungen länger auszusetzen." Auch hatten seine Routings nach der Bekanntgabe der neu gesetzten Island-Ziellinie ein für ihn sehr schwieriges Szenario ergeben, wie Cousin selbst beschrieb: "Ich habe die ganze Nacht Routings erstellt. Dabei ergab sich, dass für mich – würde ich zum Island-Tor fahren – die Depression dort extrem stark sein würde. Es ist schade, dass ich umkehren muss, denn es ist mein erstes Imoca-Solo seit meinem Einstieg in die Klasse 2017, das ich aufgeben muss. Aber ich wollte mein Boot nicht riskieren."
Zur Entscheidung, das Rennen beim Island-Tor enden zu lassen, sagte Renndirektor Francis Le Goff: "Wir wussten vorher von diesen schnellen und brutalen Wetterwechseln. Doch hier sind nun unsere schlimmsten Befürchtungen wahr geworden. Was allerdings alle bei diesem 1.500-Seemeilen-Aufstieg auf Kurs Island erlebt haben – die Schwierigkeiten des Segelns und der Navigation, den Kampf mit dem Management der Boote und die Widerstandsfähigkeit im Ringen mit den Elementen –, das steht für eine eindrucksvolle Vorbereitung auf die Vendée Globe." Hier geht es zu den Ergebnissen und dem Live-Tracker mit den aktuellen Positionen der Boote (bitte anklicken!).