SeenotVendée Globe: Kevin Escoffier über Untergang und Rettung

Andreas Fritsch

 · 30.11.2020

Seenot: Vendée Globe: Kevin Escoffier über Untergang und RettungFoto: Yann Riou/Polaryse
PRB

Der Franzose erzählt, wie er das Sinken seiner "PRB" erlebte und später die Rettung. Boris Herrmann gibt ebenfalls Einblicke in den Verlauf der Suche

In einem Interview mit Vendée Globe TV gab Escoffier Einblick in den Verlauf seiner Rettung.

Der Schaden

Kevin Escoffier über seine Rettung

Es ist unglaublich, was passiert ist – es hat das Boot bei 27 Knoten Speed auf einer Welle einfach zusammengefaltet. Ich hörte den lauten Knall, aber ehrlich, es war nicht nötig, den zu hören, um zu verstehen, was passiert war. Ich schaute zum Bug. Der zeigte 90 Grad in den Himmel. In ein paar Sekunden war überall Wasser. Das Heck war unter Wasser, und der Bug zeigte in den Himmel. Das Boot brach vor dem Schott am Mast in zwei Hälften. Es war, als würde es zusammengefaltet. Ich schwöre, so war es! Ich übertreibe nicht. Ich hätte ein Foto machen sollen!

Zum Mayday

Ich hatte keine Zeit, irgend etwa zu tun, nur meinem Team konnte ich noch die Textnachricht schicken: "Ich sinke. Ich mache keine Witze. Mayday." Zwischen dem Moment, in dem ich draußen stand und Segel trimmte und dem, in dem ich mich in einem Überlebensanzug wiederfand, vergingen gerade einmal zwei Minuten.

Organisation der Rettung

  Kevin EscoffierFoto: Jean-Louis Carli/Alea/VG2020
Kevin Escoffier

"Ich kam aus dem Boot und zog den Überlebensanzug an. Ich konnte Rauch sehen. Die Elektrik brannte. Alles ging hoch. Mein einziger Reflex war, das Telefon zu schnappen und die Nachricht ans Team zu schicken. Den Anzug habe ich immer griffbereit. Ich wollte noch das Grab-Bag für den Notfall greifen, aber das Wasser stand schon so hoch, dass ich nicht mehr herankam. Ich schnappte mir die Rettungsinsel am Heck. Geöffnet konnte ich nicht einsteigen, weil sie unter Wasser lag. Das Wasser stand da schon bis zur Luke im Cockpit.

Der Sprung in die Rettungsinsel

Ich wäre gerne noch länger an Bord geblieben, aber ich sah, wie schnell das Schiff unterging. Ein Brecher erwischte mich, und ich war plötzlich mit der Rettungsinsel im Wasser. In einer Rettungsinsel zu sein bei 35 Knoten Wind ist nicht gerade vertrauenerweckend. Ich war erst erleichtert, als ich Jean sah. Aber das Problem war, wie er mich an Bord holen konnte. Wir riefen uns ein paar Worte zu, als er vorbeisegelte. Es war wirklich ein Schlachtfeld da draußen. Er musste etwas von mir wegsegeln, aber ich konnte sehen, dass er dicht bei mir blieb. Ich hatte mich darauf eingestellt, in der Rettungsinsel zu bleiben, am nächsten Tag bei weniger Wind und Tageslicht umzusteigen. Ich war bereit für eine Nacht in der Rettungsinsel. Sie lag sogar überraschend stabil bei dem Seegang.

Die Rettung

Ich hörte plötzlich ein Segel schlagen, steckte den Kopf aus der Rettungsinsel, und da war Jean, vielleicht 200 Meter entfernt. Ich war mir nicht sicher, ob das Wetter ein Manöver erlauben würde. Er rief: "Wir machen es jetzt!" und wollte sein Boot zu mir treiben lassen. Er verfehlte mich um ein paar Meter, aber ich erwischte die Leine, die er warf und zog mich an Bord. Der Seegang betrug noch immer etwa 3,5 Meter. Es ist schwer, bei solchen Bedingungen an Bord eines Open 60 zu klettern, besonders, wenn du einen Überlebensanzug trägst. Zum Glück bin ich fit. Es ist wirklich nicht leicht.

An Bord von "Yes We Cam"
Als ich mich auf den Cockpitboden gezogen hatte, fielen wir uns erst einmal in die Arme. Er sagte zu mir: "Du bist an Bord, du bist an Bord, Kevin!! Das war schwierig!" Ich antwortete: "Es tut mir leid, dass ich dein Rennen versaut habe!". Er antwortete nur: "Das macht nichts, letztes Mal habe ich Vincents Rennen versaut!"

Was nun?

Im Moment weiß ich nicht, wie es weitergeht. Wir werden das mit der Race-Leitung besprechen. Ich habe gerade zwei Stunden geschlafen und bin erholt. Ich habe mit dem Boot alles gemacht, was ging, habe es verstärkt und alles. Ich habe nichts zu bereuen.

Später interviewte Vendée TV auch Boris Herrmann, der sichtlich erschöpft von der Nacht war und berichtete, wie sie die Suchmuster absprachen:

"Ich war auf meine Aufgabe voll konzentriert. Ich habe einen Suchsektor zugeteilt bekommen, welchen ich sehr genau absuchen sollte – mit nur 600 Metern Abstand zwischen den einzelnen Passagen. Eine Passage davon abzusegeln nahm eine Stunde in Anspruch. Ich hätte also 15 bis 20 Stunden gebraucht, um das gesamte Suchgebiet, das mir zugeteilt worden war, abzusuchen. In dem Moment wird man sich natürlich bewusst, wie unglaublich groß das Suchfeld ist und dass wir hier eine Nadel im Heuhaufen suchen. Ich war sehr, sehr motiviert und habe versucht so gut es geht in alle Richtungen zu gucken."

"Gleichzeitig war es absehbar, dass man es nicht schaffen wird, 10 Stunden durchgehend Ausschau zu halten. In der Nacht war es extrem kalt, bei einem hohen Seegang und Gischt, die über das Deck kam. Es war toll zu sehen, dass die Regattaleitung alle Boote umgeleitet hat, die in der Nähe verfügbar waren und dass wir mit einer Flotte gemeinsam suchen konnten. Wir haben dem Glück eine Chance gegeben und das Glück hat letztendlich dazu geführt, dass Kevin gefunden werden konnte. Das ist eine große Erleichterung und jetzt fällt die Anspannung ab. Natürlich ist das auch mit einer gewissen Traurigkeit verbunden und meine Gedanken sind bei ihm. Ich fahre schon wieder mein normales Rennen weiter, aber bin mit meinem Kopf noch nicht ganz dort, wo das Rennen ist. Das wird aber sicherlich bald kommen. Ich gebe mir jedenfalls heute ein bisschen Zeit, die Sache sacken zu lassen."