Andreas Fritsch
· 30.11.2020
Jean Le Cam konnte den Skipper der "PRB" heute Nacht um 02:18 Uhr aus dem Meer fischen. Er ist wohlauf. Die Yacht des Franzosen war in einer Welle zerbrochen
Die erlösende Nachricht kam mitten in der Nacht: Der Franzose Jean Le Cam verschwand für eine Weile aus dem Sichtfeld der Unter-Deck-Kamera seines Bootes, die er nonstop während der Rettung laufen ließ, und als er zurückkam, tauchte hinter ihm plötzlich Kevin Escoffier im Survival-Anzug auf. Le Cam hatte seinen Landsmann nach achtstündiger Suche bei fünf Meter Welle und um die 30 Knoten Wind gefunden. Gestern im Laufe des späten Abends waren insgesamt vier Yachten auf der Suche nach Escoffier, der seine "PRB" nach schwerem Wassereinbruch um etwa 14 Uhr fluchtartig, bei sechs bis sieben Windstärken und fünf Meter Seegang, hatte verlassen müssen.
Kevin Escoffier nach seiner Rettung
Le Cam war gegen etwa 17 Uhr an der letzten bekannten Position der "PRB" angekommen und hatte Escoffier gefunden, dann aber wieder aus den Augen verloren. Später sichtete er dessen Blitzlicht. Unter zweitem Reff und ohne Vorsegel oder Motor fuhr er mit etwa 1,5 Knoten Speed. Ein kräftig leuchtender Vollmond bei fast sternenklarem Himmel half glücklicherweise bei der Suche. Die französischen Seenotretter hatten ihm Drift-Berechnungen zugesandt, die den Bereich seiner Suche einzugrenzen halfen. Derweil wurden auch Boris Herrmann mit seiner "Seaexplorer", Yannick Bestaven ("Maître Coq"), und Sébastien Simon ("Arkea Paprec") zur Unglücksstelle umgeleitet. Die zwei Erstgenannten kamen gegen 23 Uhr dort an und begannen ebenfalls mit der Suche, wie auf den Kursverläufen des Race-Trackers gut zu erkennen ist.
Doch ausgerechnet Jean Le Cam, der selbst bei der Vendée 2008 aus seinem nach Kielabriss durchgekenterten Boot "VM Matériaux" von Vincent Riou auf dessen "PRB" gerettet werden musste, gelang es nun seinerseits, Escoffier zu retten. Ein skurriler Wink des Schicksals mit vertauschten Vorzeichen.
Mittlerweile hat Escoffier in einem kurzen, auf Französisch geführten Interview erste Angaben gemacht. Es scheint, als ob "PRB" sich in eine große Welle gebohrt hätte und dann in der Mitte glatt durchgebrochen sei. "Der Bug ist 90 Grad hochgeklappt, wie im Film!" Eine weitere Welle spülte so viel Wasser ins Schiff, dass die gesamte Elektronik ausfiel. Dem Franzosen blieben dann nur noch wenige Minuten, um seinen Survival-Anzug anzuziehen und sich in die Rettungsinsel zu begeben. Seinem Team konnte er nur noch eine Textnachricht schicken, dnach war die Kommunikation tot: "Ich brauche Hilfe. Ich sinke. Das ist kein Witz!"
Er könne sich das Versagen nicht erklären, habe das Boot noch extra vor dem Rennen mit etwa 200 Kilo zusätzlichem Kohlefaser-Laminat verstärkt. Escoffier ist Ingenieur, hat über viele Jahre bei Top-Teams als technischer Leiter gearbeitet; er war maßgeblich bei der Entwicklung und dem Bau des Maxi-Tris "Banque Populaire" beteiligt.
Escoffier ist im Video, das etwas später nach der Bergung aufgenommen wurde, noch sichtlich mitgenommen. Er ringt an einigen Stellen mit den Tränen, vielleicht, weil ihm bewusst wird, wie knapp er davongekommen ist, lacht dann aber wieder auch. Als er den Verlust des Bootes bedauert, fällt ihm der 61-jährige Le Cam ins Wort und sagt, das sei nur ein materieller Verlust, es sei viel wichtiger, dass er lebe. Schließlich fasst es Escoffier in einem schönen satz zusammen: "Als ich Jean auf mich zusegeln sah, war ich mir sicher: Ich bin gerettet"
Die Rettung geschildert von Jean Le Cam
Auch Jean Le Cam erzählte später in einem Video von der Rettung aus seiner Sicht:
"Als ich an der Postion ankam, habe ich Kevin in der Rettungsinsel angetroffen. Ich habe ihm zugerufen, dass ich das Manöver vorbereite und zu ihm zurückkomme. Es war nicht leicht zu manövrieren, es wehten 30 bis 32 Knoten Wind. Als ich an der Position zurück war, an der ich ihn gefunden hatte, war er dort nicht mehr. Ich fuhr dann 5.6 Manöver, konnte ihn aber nicht sehen. Ich wollte dann eigentlich auf Standby bleiben, bis es hell wird, aber dann dachte ich mir, im Dunkeln sehe ich seine Notlampe vielleicht sogar besser und bin wieder los.
Dann habe ich ein Licht gesehen, eine Reflexion auf einer Welle. Das war ein unrealer Moment, in dem Verzweiflung zu Hoffnung wurde. Ich bin dann zu dem Licht gefahren, und es war Kevin. Er rief mir zu: ‚Kommst du wieder zurück?‘ und ich sagte: "Nein, das ziehen wir jetzt gleich durch!" Ich habe mich dann in Luv von ihm positioniert, bin auf ihn zugetrieben. Dann konnte ich ihm den Rettungskragen rüberwerfen, und er kriegte ihn zu fassen. Und dann war er schon an Bord."
Auch die Rennleitung um Jaques Caraes erzählte mittlerweile ihre Version des Ablauf
"Wir hatten immer ein Not-Signal von Kevin, wir wussten aber nicht, hat er die Bake am Mann, weil sich das Signal sehr zufällig bewegte, von einem Platz zum anderen sprang. Wir wussten also nicht, ist as EPIRB vielleicht in der Rettungsinsel oder sogar noch im Boot oder treibt sie vielleicht sogar? Aber dann bekamen wir die Drift-Berechnungen und die stimmten mit der Position der EPIRB überein. Wir haben eine Dreiecks-Suche mit Boris und Yannick organisiert. Sie fuhren Muster, sieben Meilen auseinander und Schleifen mit 0,3 Meilen Abstand. Sie segelten alle mit dem dritten Reff, eine Empfehlung von Jean, weil die Wetterbedingungen vor Ort ein Kampf waren. Jean fuhr sieben Such-Scans, dann hatte er Kevin gefunden."
Nach der erfolgreichen Rettung sind die anderen drei Yachten wieder ins Rennen gegangen, auch Boris Herrmann mit seiner "Seaexplorer". Was nun mit Escoffier geschieht, ist noch unklar, auf dem Schiff von Le Cam kann er jedenfalls nicht mitfahren, es dürfte zu wenig Nahrung dafür an Bord sein. Sowohl Le Cam als auch Herrmann, Bestaven und Simon werden wohl für die Teilnahme an der Rettungsaktion eine Zeitgutschrift bekommen, so war es zumindest bislang in ähnlichen Fällen.