Boris Herrmann ist optimistisch ins neue Jahr gestartet, an dessen Ende mit der 10. Vendée Globe seine zweite Solo-Weltumseglung winkt. Das gute Gefühl verdankt der 42-Jährige seiner Leistung bei der Retour à La Base. Kurz vor Weihnachten hat er sich als Vierter im Transat-Solo mit Selbstvertrauen und Zuversicht selbst beschenkt. Der erste Platz neben dem Podium fühlte sich für Herrmann nach technischen Problemen an wie ein Sieg. Ärger mit der Lichtmaschine und der Kampf gegen Wassermassen im Cockpit, die durch defekte Abflüsse ins Boot strömten, hatten ihm Stehvermögen abgefordert: „Ich war im roten Bereich.“
Weil die Energieversorgung an Bord gefährdet war, verzichtete Herrmann auf die Lenzautomatik, schöpfte das Wasser über Tage per Hand aus dem Boot. Zwei wertvolle Erkenntnisse nimmt er mit ins neue Jahr: Er fühlt sich nach dem Ocean-Race-Teamerlebnis und den Einsätzen mit Co-Skipper Will Harris auch solo wohl an Bord, sagte: „Ich habe mich nicht wie früher mit der Einsamkeit herumgeplagt, war guter Stimmung in meiner kleinen Bubble.“ Ihm noch wichtiger: „Malizia – Seaexplorer“ bleibt seine Favoritin: „Das Boot ist super, das Konzept geht auf. Es kann die Vendée Globe auch gewinnen.“
Der guten Stimmung tat keinen Abbruch, dass drei Skipper bei der Retour à La Base schneller waren. Herrmann hat gesehen, was er sehen wollte: Noch vor Ankunft der neuen Foils im April kann er mit seinem Boot punkten.
Das Podium besetzten drei Co-Favoriten: Yoann Richomme glänzte mit seiner Koch-Conq-Rakete „Papric Arkéa“ nach Platz zwei im Transat Jacques Vabre mit dem Solo-Sieg in 9 Tagen, 3 Minuten und 48 Sekunden. Es folgten Jérémie Beyou auf “Charal” (2022) und Sam Goodchild auf “For the Planet” (2019).
Beyou hatte das Rennen anfangs angeführt, als ihn technische Ausfälle stolpern ließen. Sein Bericht: “Ich habe meine UKW-Antenne, meine Windgeber und die Oscar-Kamera verloren – alles weg.” Er habe an Umkehr gedacht, sich dann aber mit Reparaturen bei hohem Tempo durchgebissen.
Der erst 34 Jahre alte Sam Goodchild gewann mit dem fünften dritten Rang bei einer Imoca-Regatta die Saisonmeisterschaft der Klasse. Seine Erfolge hatte der Shooting-Star meist mit dem klugen Design-Kopf Antoine Koch erfochten – und zum Jahresende solo bestätigt. Erst seit einem Jahr Junior-Mitglied in Thomas Ruyants Rennstall TR Racing, ist Goodchild ein schneller Aufstieg gelungen. Sein Credo: “Wir sind auf Ballhöhe mit den neuen Booten und sehr erfahrenen Skippern. Das gibt uns Sicherheit.”
Boss Thomas Ruyant war als Top-Favorit ins Jahresfinale gestartet. Er holte einen fabelhaften 24-Stunden-Weltrekord für Solisten auf Einrumpfyachten: 539.94 Seemeilen! Dann zahlte er mit kaputten Segeln den Zoll für die Raserei, Platz 17 im Ziel.
Beeindruckt haben auch Damien Seguin und Sam Davies. Seguin, weil er mit „Groupe Apicil“ ein VPLP-Verdier-Design von 2015 als Fünfter in die Spitze brachte. Im Einhand-Modus als einziger tatsächlich nur mit einer Hand in einem Sport im Einsatz, wo gleichzeitiges Festhalten und Arbeiten Standard sind, zeigte der Paralympics-Sieger, was mit Willen und Können auf See möglich ist. Sam Davies war als Sechste im Atlantik-Konzert von 32 Imocas auf „Initiatives Cœur“ die beste Skipperin: Ihre Gedanken während des Atlantik-Ritts: „Und dann denkst du, oh, mein Gott, bei der Vendée Globe musst du das siebenmal so lange machen. Das wird hardcore!“ Als zweitbeste Skipperin der Retour à La Base segelte „Macsf“-Skipperin Isabelle Joschke als Neunte in die Top-Ten. Die zähe Deutsch-Französin und ihr VPLP-Verdier-Boot von 2007 bleiben ein Duo, mit dem bei der Vendée-Globe ab 10. November 2024 zu rechnen ist.
Andere mussten sich beim großen Saisonfinale dagegen von erhofften Top-Rängen verabschieden. So Louis Burton, der in der zweiten Rennhälfte einen gewagten Nordsturm riskierte. Das funktionierte, bis die Segel von „Bureau Vallée“ nachgaben. Es blieb Platz sieben. Heftiger erwischte es Sébastien Simon auf „Groupe Debreuil“. Team Guyots Ocean-Race-Navigator segelte anfangs in der Spitzengruppe, bis ihn eine Kopfverletzung und ein darauffolgender elektronischer Totalausfall an Bord der ehemaligen Mālama, die Simon erst kurz vor dem Transat Jacques Vabre vom US-Team 11th Hour Racing gekauft hatte, zum Notstop auf der Azoreninsel Flores zwang.
Er kämpfte sich zurück, doch nur 10 Seemeilen vor der Ziellinie ein erneut heftiger Rückschlag: Mastbruch! Das Unglück erwischte den Franzosen und seine “Groupe Dubreuil” in 25 Knoten Wind und schwerer See. Beenden wollte er das Rennen dennoch, um seine Qualifikation für die kommende Vendée Globe zu sichern. Und auch das zweite Comeback gelang Simon beim ersten Solo mit dem neuen Schiff. Unter Notrigg überquerte der 33-Jährige nach 11 Tagen, 18 Stunden und 36 Minuten die Ziellinie vor Lorient an Position 19.
Kurz zuvor hatte es auch Pip Hare in den frühen Morgenstunden hart erwischt - allerdings bereits nach Zieldurchgang. Die Elftplatzierte der Retour à La Base war direkt zur Rücküberführung nach Poole in Großbritannien aufgebrochen, dann jedoch übermüdet vor St. Austell auf Grund gelaufen. Nur mit Hilfe der Seenotretter (RNLI) und der Coastguard gelang es, ihre “Medallia” wieder ins sichere Fahrwasser zu bringen. Nach einer kurzen Begutachtung des Schadens entschied sich das Team, das Boot dennoch zur Basis zu segeln, welche noch spät am selben Tag erreicht wurde. “Ich bin am Boden zerstört”, hatte eine sichtlich mitgenommene Pip Hare zuvor während der Überführung in einem Video in den sozialen Medien erklärt. Sie habe geschlafen und dabei offenbar auch viele Alarme ihres Imocas verpasst.
Dass sie überhaupt direkt im Anschluss und alleine nach Hause segeln wollte, habe auch finanzielle Gründe gehabt, erklärte die 49-Jährige: “Wir sind ein kleines Team, wir müssen Sparmaßnahmen ergreifen, wo immer es geht.” Andere Teams setzen für Überführungen häufig Crew oder Shoreteam ein, um den Skipper zu entlasten. Die 300 zusätzlichen Seemeilen nach einem Transatlantik-Rennen habe sie jedoch zunächst nicht als ein zu großes Risiko empfunden. Das sei ein Fehler gewesen, gibt sie nun zu.
Lediglich drei der 32 gestarteten Schiffe befinden sich derzeit noch auf dem Kurs. Eines von ihnen steuert der deutlich verspätete Jean Le Cam. Für seine sechste Vendée-Globe-Kampagne hat der 64-jährige Vendée-Globe-Zweite von 2004 und Gewinner des Barcelona World Race 2015, einen Non-Foiler bauen lassen. Die Überführung des Raison-Designs zum Start nach Martinique hatte sich verzögert. Le Cam ließ sich gewohnt nicht aus der Ruhe bringen und wird das Rennen klar auf dem letzten Platz beenden. Der Bretone hat aktuell noch rund 1.900 Seemeilen vor sich.
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