Tatjana Pokorny
· 23.12.2020
Die Festtage haben auch im Südpazifik begonnen. Schön für Boris Herrmann, Jean Le Cam und Benjamin Dutreux, die sich zum Weihnachtsplausch über Funk begegneten
"Es ist ein bisschen wie ein Monster, das sie begleitet". So drastisch beschrieb Vendée-Globe-TV-Moderator Andi Robertson das hartnäckige Hochdruckgebiet, das die Spitzengruppe der Vendée Globe weiter fordert und sie auf Kurs Kap Hoorn begleitet wie ein Weihnachtsgeist. Ein böser oder ein guter? Für wen der Weihnachtspoker gut ausgeht, muss sich noch erweisen. Sicher ist, dass die flauen Bedingungen das Feld haben zusammenrücken lassen und für Hochspannung im Südpazifik sorgen. Das Katz-und-Maus-Spiel hält an. "Apivia"-Skipper Charlie Dalin hatte sich am Nachmittag des 24. Dezember deutscher Zeit auf seiner südlicheren "Schleichfahrt" entlang der Eisgrenze bis auf 16 Seemeilen an den führenden Yannick Bestaven auf "Maître Coq IV" herangearbeitet. Zeitgleich hatte der drittplatzierte Thomas Ruyant auf "LinkedOut" mit seinem entschiedenen Nordschlag vorerst Meilen verloren, könnte die aber mit besserer Positionierung zum frischeren Wind auch schnell wieder gutmachen.
Mit Weihnachtsgrüßen von Boris Herrmann: Der "Seaexplorer - Yacht Club de Monaco"-Skipper plaudert zunächst auf Französisch mit der weihnachtlich nahen Konkurrenz und erzählt dann auf Englisch von seinem 46. Tag auf See
Die Gruppe der Jäger hinter dem Top-Trio wird inzwischen wieder von Boris Herrmann angeführt. Der "Seaexplorer - Yacht Club de Monaco"-Skipper war über Nacht bis auf Platz acht zurückgerutscht, hat sich seinen vierten Platz aber pünktlich zu Heiligabend wieder zurückerobert und sich damit selbst perfekt beschenkt. Die kleine Achterbahnfahrt durch das Klassement der Top Ten ist den engen Abständen zwischen den Booten von Platz vier bis Platz neun geschuldet. Insgesamt lagen sie am Donnerstagnachmittag nur 60 Seemeilen auseinander. Beinahe synchron bewegten sich – teilweise in einem Radius von unter vier Seemeilen – Boris Herrmann, Jean Le Cam ("Yes We Cam!") und Benjamin Dutreux ("Omia - Water Familie") zueinander und miteinander in weihnachtlicher Eintracht. Und das alles nach 46 Tagen auf See und rund 15.000 Kilometer entfernt von Boris Herrmanns Hamburger Heimathafen zwischen dem 50. und dem 55. Breitangrad Süd. Wieviel Spaß die Begegnungen auf See machten, zeigt Boris Herrmann in seinem ersten Heiligabend-Video, in dem er zunächst mit den Konkurrenten auf Französisch spricht und den Tag dann in englischer Sprache Revue passieren lässt.
Im Flautenpoker des Stillen Ozeans und auch weiter hinten in der Flotte der 27 von einst 33 gestarteten Booten lenken sich die Seglerinnen und Segler an diesem festlichen Donnerstag mit kreativer Weihnachtsdekoration, Heiligabend-Grüßen und philosophischen Gedanken zur Regatta ab. Boris Herrmann erhielt nicht nur Anrufe, Grußbotschaften, Sprachnachrichten und Bilder von Familie und Freunden aus der Heimat, sondern auch eine überraschende Nachricht vom Emirates Team New Zealand, das im März vor Auckland den America's Cup verteidigen will. Im Brief von Teamchef Grant Dalton an Boris Herrmann stand unter anderem: "Unser Kompliment, Kumpel! Wir verfolgen deine Fortschritte. Was ihr Typen da unten leistet, ist übermenschlich, Vollgas. Wir hoffen, dass du Weihnachten mit einem 500-Seemeilen-Plus feiern kannst. Grant Dalton und alle hier im Emirates Team New Zealand."