Tatjana Pokorny
· 25.02.2021
Samantha Davies ist auf dem Weg in den Start- und Zielhafen Les Sables-d'Olonne. Ihr Rennen außerhalb der Wertung beendet sie mit einer großen Geste
Am Freitag wird Sam Davies in Les Sables-d'Olonne erwartet. Die Britin beendet ihre dritte Vendée-Globe-Teilnahme nach dem frühen Ausscheiden infolge einer Kollision außerhalb der Wertung, darf aber nach bravouröser Leistung dennoch mit einem stürmischen Empfang rechnen. Und einem besonders herzlichen dazu. Den hat die 46-jährige Skipperin der "Initiatives – Cœur" am Vorabend selbst eingeläutet, indem sie ein riesiges Herz in die Biskaya segelte. Was für eine schöne Geste der Britin, die ein Charity-Projekt für herzkranke Kinder beflügelt und in ihrer Art selbst zu den Herzblättern der Vendée Globe zählt.
Samantha Davies hatte sich für ihren dritten Gipfelsturm viel vorgenommen. Nach dem aufsehenerregenden vierten Platz bei ihrer Premiere 2008/2009 und dem Mastbruch bei der siebten Vendée-Globe-Edition 2012/13 zählte sie vor dem Start der aktuellen Auflage zum erweiterten Favoritenkreis, galt als Anwärterin auf einen Platz in den Top Fünf und als stärkste der sechs teilnehmenden Skipperinnen im Feld der insgesamt 33 Boote. Doch Samantha Davies' Traum war schon nach weniger als einem Monat auf See geplatzt. Bei einer Kollision mit einem Wal am Abend des 2. Dezember wurde ihre Imoca-Yacht so stark beschädigt, dass Davies offiziell aufgeben und mit Rissen im Laminat ihrer Kielbox Kapstadt anlaufen musste. Im südafrikanischen Hafen konnte sie ihr Boot binnen zwei Wochen reparieren und entschied, das Rennen auch außerhalb der Wertung zu Ende zu bringen.
Mit mehr als 900 Seemeilen Rückstand auf die letzten Boote der Flotte setzte Samantha Davies ihren Kurs unverdrossen fort. Doch so einfach, wie das klang, war es auf See nicht. Die Optimistin hatte mit der Einsamkeit, heftigen Schmerzen aufgrund gebrochener Rippen und auch dem Trauma der Kollision zu kämpfen. "Am Anfang war es so, dass ich jedes Mal, wenn das Boot schneller segelte als 15 Knoten, nur noch an den Crash denken konnte. Und dann habe ich mich auch um mein Boot gesorgt, das gerade durch eine umfangreiche Reparatur gegangen war, deren Ergebnis wir nicht testen konnten, bevor ich in den Southern Ocean segelte. Da waren immer diese Zweifel: Haben wir irgendetwas übersehen?"
Auf dem Weg nach Les Sables-d'Olonne und mit der umsegelten Welt im Heckwasser, sinnierte Davies kurz vor ihrer Rückkehr: "Ich liebe das Segeln, und ich liebe mein Boot. Ich dachte, es wäre cool, um die Welt zu cruisen. Aber tatsächlich war es eher eine wirklich einsame Angelegenheit." Zu wissen, dass sie über einen langen Zeitraum das letzte Boot der Flotte war, machte es für Davies noch schwerer: "Wenn etwas passiert, dann könnte ich anderen helfen, doch da war niemand mehr hinter mir…" Davies blieb auch von weiteren technischen Problemen nicht verschont, musste ihren Kiel im Atlantik festsetzen, verlor beinahe noch ihr Rigg, musste in den Mast klettern und schließlich ohne Windinstrumente weitersegeln. Nichts aber hat sie davon abhalten können, ihr außergewöhnliches Rennen zu beenden. Schon auf dem Weg ins Ziel schmiedete sie emsig Reparaturpläne, um am Transat Jacques Vabre im Herbst teilnehmen zu können.
Im Ziel werden sie ihr Lebensgefährte Romain Attanasio und der gemeinsame Sohn Ruben erwarten. Attanasio hatte das Rennen auf "Pure – Best Western Hotels and Resorts" als 14. erfolgreich abgeschlossen. Ihr großes Herz hat Davies auch für ihre beiden Jungs in die See gemalt. Davies wird in Les Sables-d'Olonne außerdem von Isabelle Autissier, Isabelle Joschke, vielen weiteren Seglern und Kindern ihrer Herz-Kampagne empfangen. Kindern, so formulierte Davies es, "denen diese Vendée Globe das Leben gerettet hat."