Als Spitzenreiter der 9. Vendée Globe hat Yannick Bestaven Kap Hoorn am 2. Januar um 14.42 Uhr deutscher Zeit als Erster passiert. Beim Übergang vom Pazifik in den Atlantik hatte der "Maître Coq IV"-Skipper rund 160 Seemeilen Vorsprung vor seinem Verfolger Charlie Dalin ("Apivia"). Vom Starthafen Les Sables-d'Olonne bis zum dritten, letzten und wichtigsten Kap der Weltumsegler benötigte Bestaven 55 Tage und 22 Minuten. Bei seiner Kap-Hoorn-Passage hatte der 48-Jährige aus La Rochelle Winde jenseits von 30 Knoten und starken Seegang zu parieren. Der Blick auf den berühmten grauen Felsen war ihm zur Belohnung aber nicht vergönnt, denn Bestaven passierte die legendäre Landmarke in 85 Seemeilen Entfernung, weil das seine beste, sicherste und schnellste Routen-Option in den fordernden Bedingungen war.
Yannick Bestaven hat es geschafft und Kap Hoorn erstmals in seinem Leben und das gleich als Spitzenreiter zu passieren. DDie Jubelschreie sind ansteckend…
Zum Feiern seiner ersehnten Kap-Hoorn-Premiere hatte Yannick Bestaven dennoch viele gute Gründe: Mit ihr endete sein wilder Südmeer-Ritt der vergangenen Wochen. Es beginnt der 7000-Seemeilen-Aufstieg im Atlantik. Zudem schließt die Kap-Hoorn-Passage eine alte Wunde, denn Bestaven hatte bei seinem ersten, schmerzlich kurzen Vendée-Globe-Auftritt im Rennen 2008/09 schon in den ersten 24 Stunden in einem furiosen Biskaya-Sturm seinen Mast verloren. Beim aktuellen Rennen sieht es für den Schifffahrtsingenieur nun ganz anders aus. Er dominiert die Flotte nach den ersten beiden Dritteln der Solo-Weltumsegelung mit seiner "Maître Coq IV", der ehemaligen "Safran 2" von 2015, und hat im finalen Drittel zunächst das beste Blatt auf der Hand.
Der ehemalige Mini-Transat-Gewinner und zweimalige Transat-Jacques-Vabre-Sieger, der vor dieser bislang so erfolgreichen Runde um die Welt niemals weiter südlich als Brasilien gekommen war, segelt seit den Kerguelen in den Top Drei. Kurz vor dem Längengrad von Tasmanien hatte Bestaven die Führung übernommen. Den Zustand seines verlässlichen VPLP-Verdier-Designs beschreibt er ähnlich wie Boris Herrmann seine "Seaexplorer – Yacht Club de Monaco": "nahe bei 100 Prozent." Der in Arcachon an der französischen Atlantikküste großgewordene Bestaven hatte zuletzt vor allem mit seinen kompromisslosen Kursen dicht an der von der Wettfahrtleitung gesetzten Eisgrenze (AEZ) beeindruckt. Nicht zu vergessen: Wie auch Boris Herrmann war Bestaven Anfang Dezember an der Rettungsmission für Kevin Escoffier beteiligt, der sein Boot hatte verlassen müssen, nachdem es auseinandergebrochen war, und elf Stunden später von Jean Le Cam gerettet worden war. Entsprechend hat Bestaven noch eine Zeitgutschrift von 10 Stunden und 15 Minuten wie einen kleinen Joker auf dem Konto. Aktuell bräuchte er ihn nicht, doch in Plan- und Gedankenspielen über ein möglicherweise knappes Finale ist er ein hübsches kleines Polster.
Einige Gründe für seinen bisherigen Erfolg hatte Bestaven schon vor dem Rennstart genannt: "Ich bin stur. Das ist einer meiner größten Fehler, aber auch eine meiner Qualitäten. Und ich bin ziemlich widerstandsfähig. Ich habe einen starken Geist in schwierigen Bedingungen." Nach seiner geglückten Kap-Hoorn-Passage erklärte Bestaven: "Ich musste an meine Optionen glauben – ohne zu sehr darauf zu schauen, was die Konkurrenz macht. Ich musste stur sein, insbesondere, als ich nahe an der Eisgrenze blieb. Mir war aber vorher nicht klar, dass man so tief in den menschlichen Körper eindringen kann, dass man mental und physisch diesen ganzen Stress, diese Kälte, diese Nässe und diese Einsamkeit überwinden kann. Es gab magische Momente und auch harte. Beispielsweise bei einem Sonnenschuss, bei dem ich mitten in der Nacht an Deck war und mich fragte, was zur Hölle ich hier mache."
Bestavens famose Bestzeit in diesem Rennen zeigt aber auch, wie anders die Bedingungen bislang waren als bei der achten Auflage vier Jahre zuvor. Dem damals von Sieger Armel Le Cléac'h aufgestellten Rekord segeln Bestaven und die ganze Flotte mit mehr als einer Woche Rückstand deutlich hinterher. Armel Le Cléac'h war 2009 mehr als acht Tage eher bei Kap Hoorn als der jetzige Spitzenreiter.
Inzwischen hat auch Charlie Dalin Kap Hoorn als Zweiter passiert. Der 36-Jährige und sein Verdier-Design "Apivia" passierten den letzten großen Meilenstein vor dem langen atlantischen Schlusssprint am Sonntagmorgen um 5.39 Uhr deutscher Zeit. Bei seiner ersten Kap-Hoorn-Passage gelang ihm das in einem Abstand von rund sieben Seemeilen zum legendären Felsen 14 Stunden und 56 Minuten nach dem führenden Yannick Bestaven. Während Bestaven und Dalin nun den entscheidenden Abschnitt des Rennens bereits eingeläutet haben, werden ihre Jäger nach und nach vor Kap Hoorn erwartet. Mit rund 450 Seemeilen Rückstand auf den führenden Yannick Bestaven strebten der drittplatzierte Thomas Ruyant ("LinkedOut") und der weiter hartnäckig und knapp hinter ihm segelnde Damien Seguin ("Groupe Apicil") Kap Hoorn entgegen, das sie voraussichtlich am Montagabend in 30 bis 35 Knoten Wind und sechs Meter hohen Wellen erreichen. Boris Herrmann lag am Sonntagmorgen auf Platz acht und sollte nur wenig später am Kap seiner Träume ankommen.
Kurz vor seiner Kap-Hoorn-Passage – voraussichtlich am späten Abend des 4. Januars oder am Morgen des 5. Januars – schickte Boris Herrmann dieses Video aus "meiner kleinen Welt".
Der 39-Jährige Skipper der "Seaexplorer – Yacht Club de Monaco" sagte:
"Der Wind ist sehr instabil. Ich segele mit einem Reff und kleinem Gennaker. Es ist vor dem Wind nicht einfach in den hohen Wellen. Wir beschleunigen stark. Und foilen. Ich freue mich darauf, wieder im Atlantik anzukommen. In Bedingungen, die ich kenne, in stabileren Winden. Ich hoffe, ich kann da im Klassement wieder aufsteigen. Aber diese Gruppe liegt so eng beeinander. Das ist irre, verrückt. In der vergangenen Nacht habe ich per WhatsApp eine Nachricht rumgeschickt, dass wir aufpassen müssen, um hier draußen nicht eine Kollision zu haben. Ich habe ein Problem mit meinem AIS und bin nicht sehr glücklich darüber, dass wir so eng beieinander liegen. Ich hole gegenüber Louis und Isabelle wieder auf. Es wird interessant, denn ein Zehn-Grad-Winddreher hier und da kann für große Unterschiede sorgen."