Noch ist es zu früh, um sich entspannt zurückzulehnen - für die Skipper ebenso wie für ihre Fans. Denn auf den knapp 300 Seemeilen, die noch vor Charlie Dalin liegen, oder den knapp 600, die Boris von Les Sables d’Olonne trennen, kann noch manches passieren. Aber zumindest das Wetter und die Positionierung werden keine Überraschungen mehr bereithalten.
Lediglich auf den nachfolgenden Rängen bleibt es einstweilen spannend. Hat Thomas Ruyant noch eine Chance gegen Jérémie Beyou? Zuletzt sah es nicht so aus. Ruyant selbst hatte schon gestern vermutet, dass es schwer werde, weil sein Finot Conq/Koch-Design am Wind benachteiligt sei gegen die von Sam Manuard konstruierte “Charal”.
Tatsächlich konnte oder wollte Ruyant nicht die Höhe von Jérémie Beyou mitgehen, was ihn mehr als 30 Seemeilen gekostet hat - und womöglich den letzten Platz auf dem Podium. Wobei da noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Denn die Südgruppe erwartet nach dem Passieren von Kap Finisterre in der Biskaya leichterer Wind - das liegt Ruyants “Vulnerable” mehr.
Das Hauptfeld, derzeit angeführt von Benjamin Dutreux auf “Guyot Environnement”, hängt unterdessen im Azorenhoch fest, das sich nördlich der Inselgruppe ausgedehnt hat. Die Besten der Nachzügler haben gerade mal zwei Drittel des Kurses absolviert- nach zehn Tagen auf See! Etliche der Segler werden bereits ihren Proviant rationieren, denn für mehr als 12, 13 Tage hat wohl kaum einer Lebensmittel an Bord.
Ein bemerkenswertes Comeback ist unterdessen Yannick Bestaven geglückt, gestern Früh noch Letzter im Klassement. Er war nach Schäden am Großsegel und dem Bruch seines strukturellen J2-Vorstags zuletzt mehrfach mit Reparaturen beschäftigt. Erst seit Freitagmittag konnte er sich wieder aufs Segeln fokussieren.
Der “Maitre Coq”-Skipper, Sieger der letzten Vendée Globe und auf einem neuen Boot eigentlich stärker einzuschätzen, sucht weiter seine Form. Ein Ergebnis wie derzeit wird schwer an seiner Zuversicht und seinem Selbstbewusstsein nagen. Zudem fehlt mangels vorzeigbarer Erfolge und der vielen technischen Maleschen das Vertrauen ins Boot. Während er nur den Sommer hat, um neue Kraft zu finden, kann Boris Herrmann die Zeit zwischen New York Vendée und Vendée Globe ungleich entspannter angehen.
Boris genießt diese Regatta, obwohl sie auch ihm alles abgefordert hat - allein im Norden, gut zwei Tage ohne nennenswerte Brise. Jetzt im Finish ist er anderweitig voll gefordert: durch Segelwechsel, Halsen, und den nach und nach zunehmenden Schiffsverkehr an der Westküste Frankreichs. Aber es ist ihm kaum anzumerken, so beflügelt scheint er von dem sich abzeichnenden Erfolg. Das konnte man auch gestern im bisher letzten Video von Bord spüren:
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