Tatjana Pokorny
· 14.09.2024
Als Erster war Charlie Dalin ins Ziel gekommen. Und wie! Nach nur 1 Tag, 18 Stunden und 14 Minuten hatte der „Macif Santé Prévoyance“-Skipper das 48-Stunden-Rennen im Imoca-Klassiker Le Défi Azimut dominant beendet. Real absolvierte der Franzose 596,77 Seemeilen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 14,13 Knoten. Nach Siegen 2021 und 2022 ist es für den 40-Jährigen bereits der dritte Erfolg beim Imoca-Klassiker von und nach Lorient. Zum zweiten Mal gewann er die Défi Azimut Lorient-Agglomération als Solist.
Dass Charlie Dalin ein starker Vorwind-Auftritt gelang, ein „fantastischer Ritt“ bei flacher See, wie er selbst sagte, überraschte kaum jemanden. Aber er war auch von Beginn an in der richtigen Gruppe. Nicht einmal ein kleiner Positionierungsfehler beim nächtlichen Anlaufen des ersten Wegpunkts konnte ihn aufhalten. Dank beeindruckender Geschwindigkeit seines Verdier-Designs, konnte Dalin danach schnell wieder nach vorne aufschließen, bevor er sich im weiteren Rennverlauf durchsetzte.
„Charlies Dominanz war atemberaubend“, attestierte Boris Herrmann dem kommenden Vendée-Globe-Konkurrenten aufrichtig, „das ist wie eine andere Liga, schon echt super sauber, perfekt, beeindruckend, Chapeau. Da kann ich nicht mithalten. Es ist cool zu sehen, dass wir solche Leute mit so einem Niveau haben.“
Zwar bezog sich Boris Herrmanns Verneigung vor Dalins Leistungen vor allem auf die Leistung im aktuellen kurzen 48-Stunden-Rennen, doch blickte der Hamburger auch schon voraus auf die lange Vendée Globe: „Es kommt nicht auf die Dauer, sondern auf die Bedingungen an. Wenn wir solche Bedingungen im Atlantik bis Kapstadt haben, dann kann er auch schon mal dramatisch weit vorne liegen. Wenn wir allerdings schwierige Bedingungen mit viel Seegang haben, dann sieht es anders aus.“
Das weiß Boris Herrmann aus den erfolgreich bestrittenen Transat-Rennen: „Im Atlantik-Rennen hatte ich das Gefühl, dass ich mit ihm auf Augenhöhe konkurrieren kann. Aus so einem Rennen hier mit recht flacher See und gemischten Bedingungen würde ich das nicht so schlussfolgern. Aber das muss man auch abwarten. Und erstmal den Hut ziehen. Das war hier eine irre Leistung von ihm und seinem Team, wenn man das auf einer so kurzen Strecke gegen all die anderen Guten rausfahren kann…“
Charlie Dalin folgte knapp zwei Stunden später der diesjährige Speedkönig des letzten kleinen Regattagipfels vor der großen Vendée Globe: Sam Goodchild segelte mit „Vulnerable“ ebenso aufs Podium wie keine Viertelstunde nach ihm Jérémie Beyou auf „Charal“. „Malizia – Seaexplorer“-Skipper Boris Herrmann erreichte das Ziel als Zehnter, hatte sich kurz vor Ende des Rennens noch einen Rang vor und in die Top-Ten zurückgekämpft.
3 Stunden und 38 Minuten nach Charlie Dalin kreuzte der Hamburger die Linie vor Lorient. Die erste spontane Bilanz fiel positiv aus: „Es hat Spaß gemacht, ich habe was gelernt und hatte gute Begleitung.“ Bei genauerer Betrachtung konnte Boris Herrmann gleich mehrere Felder ausmachen, die ihn eine bessere Platzierung gekostet haben.
Da war zum einen die Auswahl der Segelgarderobe. „Ich habe auf dem stärkeren Downwind am Anfang ein etwas kleineres Segel verwendet und war doch überrascht, dass die anderen ziemlich schnell unterwegs waren mit ihren größeren Segeln. Das war ein interessantes Learning und vorher so nicht ganz klar.“
Im Detail erklärte Boris Herrmann: „Ich hatte die J0 drauf und die anderen hatten den großen Gennaker oder Masthead Zero. Das sieht komisch aus, weil er viel flattert, wenn sie beschleunigen. Dann denkst Du, es sieht nicht so elegant aus, aber sie kamen doch ziemlich schnell voran, konnten dabei die gleiche Geschwindigkeit wie ich, dabei aber ein bisschen tiefer fahren. Ich glaube, dass das so aber auch nur gerade gestern so ging. Bei zwei Knoten mehr Wind oder etwas mehr Welle, funktioniert das aber auch nicht mehr so gut.“ Bis um die 22 Knoten erschien bei flachem Wasser der große Gennaker als bessere Wahl.
Als es für die anderen funktionierte, „war es böig und drehig, ein bisschen mehr Welle schon“, stellte Boris Herrmann fest. Er habe sich bei Geschindigkeiten von „zwischendurch auch 34, 35 Knoten“ als „recht gut unterwegs“ gesehen. „Doch der Winkel war ein bisschen zu hoch“, musste er feststellen. Das Learning: „Da muss ich drauf achten, wenn solche Bedingungen herrschen. Wenn der Wind immer mal wieder kleine Löcher hat und die See einfach echt flach ist. Das kann in den Passatwinden vorkommen. Da verliert man doch recht viel, wenn man auf Dauer ein paar Grad höher fährt.“
Das kleinere Segel hatte Boris Herrmann auf Basis von Trainingserfahrungen gewählt. „Ich habe es extra dieses kleinere Segel am Freitag gesetzt. Weil wir im Training mit den kleineren Segeln auch immer sehr schnell vorankommen. Aber man muss es dann halt wirklich mal messen gegen die anderen, um zu sehen, wie gut es wirklich funktioniert. Und da würde ich jetzt sagen, dass ich ein bisschen was gelernt habe. Vor allem, dass man es etwas nuancierter betrachten muss.“
Er habe außerdem, „dann auch ein bisschen zum Spaß und aus Trotz noch etwas mit dem Spinnaker gesegelt“. Das sei „aber eher nicht das Segel, das man auf die Vendée Globe mitnimmt“. Er wollte das aber noch einmal hochziehen und abschließend entscheiden, weil man in bestimmten Wetterbedingungen auch mit dem Spi vorteile haben könnte. Es bliebe aber „ein etwas schwieriger zu handelndes und sehr spezielles Segel“.
Bei bis zu 24 Knoten in diesem 48-Stunden-Rennen hat Boris Herrmann mit “Malizia – Seaexplorer” um 36 Knoten Top-Geschwindigkeiten erreicht. Zwischendurch hat er mit “Watch Keeperin” Cole Brauer und Anbord-Reporter Antoine Auriol auch flaue Felder und nur zwei Knoten Wind erlebt. “Da habe ich noch ein paar Fehler gemacht, bin downwind ein bisschen zu doll in die Flaute reingehalst”, erzählte Boris Herrmann. Wie er, hatten bei diesem 48-Stunden-Rennen im Le Défi Azimut alle 19 Solisten einen weiteren Segler oder Seglerin für Sicherheitsmanöver sowie einen Anbord-Reporter dabei.
Das Boot ist bereit für die Vendée Globe. Ich fühle mich bereit.” Boris Herrmann
“Ich hoffe ja ein bisschen, dass wir Cole Brauer fürs Team gewinnen können”, verriet Boris Herrmann. Cole Brauer hatte bei der Global Solo Challenge Platz zwei belegt und als erste Amerikanerin eine Nonstop-Einhandregatta um die Welt beendet. Dabei hatte die New Yorkerin eine Fangemeinde von fast einer halben Million Followern in den sozialen Netzwerken aufgebaut. Was sie in Boris Herrmanns Augen auszeichnet: “Ich glaube, sie ist eine wirklich sehr, sehr gute Seglerin. Und auch eine coole Socke.”