Boris Herrmann ist gerade wieder wieder ein sehr gefragter Mann. Zum Erscheinen seines neuen Buches ist der 44-Jährige ein begehrter Interviewpartner und Talkshow-Gast. In den Gesprächen geht es um das neue Werk “Die Welt unter meinem Boot”, das Herrmann mit Co-Autor Walter Wüllenweber geschrieben hat.
Vor allem aber geht es um Deutschlands bekanntesten Segler selbst, der zum Anlass der Buchveröffentlichung nicht nur von der sportlichen und der Meeresschutzarbeit von Team Malizia berichtet, sondern auch Einblicke in den eigenen Werdegang, sein Seelenleben und seine Überzeugungen gibt.
Als NDR-Gast auf dem “Roten Sofa” berichtete Boris Herrmann im Gespräch mit Bettina Tietjen in dieser Woche über die erlebten Rennen der jüngeren Zeit: die Vendée Globe und das Ocean Race Europe. Einmal mehr ging es dabei auch um die Frage: Segelst du lieber alleine oder im Team? Boris Herrmanns Antwort: “Natürlich bin ich gerne unter Menschen und es macht Spaß, mit einem Team zu segeln. Dennoch: Das Alleinsegeln mache ich nicht deswegen, weil ich alleine segeln will. Es ist einfach diese ultimative Herausforderung.”
Alleine nonstop um die Welt – es gibt nichts Größeres. Es gibt kein schwierigeres Rennen als die Vendée Globe. Deshalb hat es diese unglaubliche Faszination.” Boris Herrmann
Mit heiterem Lächeln sagte Herrmann auf dem “Roten Sofa” zum Thema Solo- versus Team-Segeln: “Wir werden wahrscheinlich noch in zehn Jahren darüber sprechen.” Und wenn er auf einen der beiden Bereiche – Solo- oder Teamsegeln – verzichten müsste? “Das Alleinseglen ist schon echt schwierig, ist schon echt hart”, sinnierte Herrmann dazu, “dann sitzt man danach auch erst mal ein paar Tage auf dem Sofa und denkt so, boah, was ist denn jetzt schon wieder los.”
Dies ist nur einer von Herrmanns Hinweisen darauf, wie schwer ihm die Einsamkeit auf See vor allem bei seiner ersten Vendée Globe gefallen ist. Dem Magazin “Stern” berichtete er dazu von “düsteren Phasen” an Bord. Auch in Interviews mit der YACHT hat Boris Herrmann die Einsamkeit und die Isolation auf See beim Solosegeln mehrfach zum Thema gemacht. Er habe, so Herrmann, bei seiner zweiten Vendée Globe aber schon eher gewusst, was auf ihn zukomme. Sechs Wochen vor dem Start habe er trotzdem “ordentlich Muffensausen” gehabt.
Auch auf dem “Roten Sofa” sprach Boris Herrmanns über seine Höhenangst und eben jene “dunklen Momente” auf See . Diesbezüglich beschrieb er das vor seiner zweiten Vendée-Globe-Teilnahme erfolgreich durchgeführte Coaching. “Es hat dazu geführt, dass ich diese Gefühle gar nicht mehr habe, das ich das Alleinsein als nicht mehr so bedrohlich empfinde.”
Es gäbe, so Herrmann, die Coaching-Technik namens EMDR, die man in verschiedenen Bereichen nutzen könne. “Irgendwie hat das bei mir gewirkt”, sagt der Extremsegler. EMDR steht für “Eye Movement Desensitization and Reprocessing” und ist ein auch in der Psychotherapie eingesetztes Verfahren zur Behandlung von Traumata. Unter anderem geht es bei dieser Therapie darum, mittels Augenbewegungen eine schnellere Verarbeitung traumatischer Erinnerungen zu bewirken.
Bei seinen Erzählungen auf dem “Roten Sofa” erinnerte sich Boris Herrmann im Gespräch mit Bettina Tietjen an Momente während seiner ersten Vendée Globe 2020/2021, die er als “bedrohlich” empfunden hatte. Er schilderte seine damaligen Gefühle: “Es fühlte sich irgendwie bedrohlich an. Ich bin hier so alleine auf dem Ozean, der Horizont rundherum. Es könnte jetzt alles mögliche passieren. Und man stellt sich das so vor… Und ich fühlte mich ganz bedroht. So bedroht einsam. Das haben wir mit dieser Technik behandelt. Da werden im Gehirn neue Synapsen hergestellt. Und irgendwie war es weg.”
In Folge des Coachings sei seine zweite Vendée Globe auch “ein bisschen ein Test gewesen, ob ‘es’ weg ist”. Nun sei die Bahn frei, lautet Boris Herrmanns Bestandsaufnahme heute. Sein aktuelles Credo für den dritten Vendée-Gloge-Gipefelsturm 2028/2029: “Feuer frei fürs nächste Mal. Ohne irgendwelche Hemmnisse, ohne Bedenken gilt jetzt: Angriff beim nächsten Mal.”
Zum zwölften Platz bei seiner zweiten Vendée Globe berichtete Boris Herrmann auf dem “Roten Sofa”, wie eine Walkollision ihn am Ende noch vom sechsten auf den zwölften Platz zurückgeworfen hatte. Mit der Platzierung war er den eigenen Hoffnungen und Erwartungen hinterhergesegelt. “Insofern muss ich jetzt noch ein drittes Mal ran und gucken, dass ich da performe”, nannte Boris Herrmann eine Motivation für die ins Visier genommene dritte Vendée-Globe-Teilnahme. Die neue Imoca dafür soll Ende Juni 2025 zu Wasser gehen.
Thema im ausführlichen NDR-Gespräch war auch der in Frankreich voranschreitende Imoca-Neubau. “Das wird, glaube ich, ein ganz tolles Schiff. Und ich bin da auch ganz doll involviert und begeistert. Wir versuchen, es einfach besser zu machen. Wir versuchen, mit dem neuen Schiff ein bisschen besser zu werden bei leichten und mittleren Winden. Das kriegen wir, glaube ich, auch gut hin. Das ist ein spannender Prozess.”
Bis dahin ist Boris Herrmanns Terminkalender auch ohne eigene Imoca im Hangar in Lorient prall gefüllt. Im November wird er zur Mannschaft auf der seit April unter Malizia-Dach segelnden Forschungsyacht “Malizia Explorer” stoßen. Auf dem Boot können 14 Leute mitfahren. Neben der Stammcrew kommen vor allem Wissenschaftler mit verschiedenen Forschungsprojekten und auch Journalisten für die Berichterstattung zu Projekten an Bord.
“Wir haben das Boot mit der Mannschaft während der Vendée Globe, während ich da auf See war, vorbereiten können. Im November und im Dezember haben wir beispielsweise eine Reise in die Antarktis. Da fahren dann acht Wissenschaftler und Journalisten und die kleine Segelmannschaft mit, die es für dieses Schiff nur braucht. Damit kann man der Wissenschaft die Möglichkeit geben, an Orte zu kommen, wo es sonst schwer ist hinzukommen.”
Bei der Antarktis-Mission ist Boris Herrmann gut drei Wochen selbst mit an Bord. Nach Missionen bei der Ozeankonferenz in Nizza, im Senegal, im Kapverden-Revier und in Brasilien ist “Malizia Explorer” bereits in Südamerika angekommen. Boris Herrmann wird im November für die “schwierige Mission in der Antraktis” zur Crew stoßen.
Dieses und viele weitere Themen werden im neuen Buch “Die Welt unter meinem Boot” beleuchtet, das jetzt im Verlag Penguin Random House erschienen ist. Erzählt wird auf 336 Seiten, wie Boris Herrmann zu Deutschlands bekanntestem Segler wurde, welche Erlebnisse und Menschen ihn auf seinem außergewöhnlichen Weg geprägt haben.
Viel Raum nimmt Team Malizias Engagement für die Gesundheit der Weltmeere, Wissenschaft und Forschung ein. Das Motto ist im Untertitel festgehalten: “Ein Leben für das Segeln und den Schutz der Meere”.
Erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde der Malizia-Clip “Das finale Kapitel”. Er zeigt den Rückblick aufs Abschiedsrennen mit “Malizia – Seaexplorer”, die bereits an ihre neue Skipperin Francesca Clapcich übergeben wurde und jetzt “11th Hour Racing” heißt. Die Italo-Amerikanerin will gemeinsam mit Will Harris am Wochenende ins Transat Café L’Or starten – der Startschuss für ihre Vendée-Globe-Kampagne für 2028.
Im Starthafen Le Havre wird das Race Village am Donnerstag aufgrund eines nahenden Sturms zwar geschlossen, soll aber schon am Abend oder am Freitag wieder geöffnet werden. Die Startschüsse für die vier Klassen im Transat Café L’Or – Ultims, Ocean Fifties, Imocas und Class40ies – sollen am Sonntag ab 14 Uhr im Viertelstundentakt fallen. Hier der Abschieds-Clip von Team Malizia: