Die Bedingungen waren vor ein paar Stunden so böig, dass ich nicht einmal etwas essen konnte. In den Suqalls steckten 28 Knoten Wind. Das war ein bisschen schwierig. Aktuell sind es noch etwa 20 Knoten. Ich bin wieder mit vollem Groß unterwegs. Die Temperaturen liegen bei sechs, sieben Grad. Ich sehe die Sterne und es ist ziemlich kalt. Als es bei mir noch hell war, hatten wir Schnee und Hagel. Das hat mir ein schönes Weihnachtsgefühl gegeben!
Ich habe hinten noch Ballast im Schiff, weil es ansonsten manchmal in die Wellen taucht. Ich kann die Wellen gerade nicht sehen, aber ich denke die Wellenhöhe liegt etwa bei drei Metern. Tagsüber waren es hier bis fünf Meter. Mit dem Boot ist alles okay. Auch die Foilkasten-Reparatur hält. Das Foil ist jetzt fix auf 3,2 Grad. Zu meiner Pirouette (Redaktion: “Malizia – Seaexplorer” war gekentert, aber Boris Herrmann konnte das Boot schnell wieder aufrichten und weitersegeln) hatte ich bereits berichtet, was da geschehen ist:
“Eine Pirouette mitten in der Nacht. Zum Glück war es morgens schon hell, so dass ich sehen konnte, was passiert ist. Ich saß in meinem Sitz, als das Boot mit der Nase in eine Welle eintauchte und stark abwärts kippte. Ich dachte: 'Oh, das ist nicht normal.' Ich habe fast die Kontrolle über die Ruder verloren und bin gegen den Wind gefahren. Als ich im Cockpit stand, war ich schon voll im Wind, mit flatternden Vorsegeln, die Hand an der Pinne und versuchte herauszufinden, wohin ich sie legen sollte.
Fahre ich rückwärts? Dann muss ich es in die eine Richtung machen. Fahre ich vorwärts? Dann in die andere Richtung. Es ist nicht einfach, das in Sekundenbruchteilen herauszufinden. Ich habe es nicht richtig herausgefunden, also wendete das Boot, und der große Gennaker wurde gegen den Mast zurückgedreht. Der Kiel lag auf der falschen Seite. Plötzlich stand ich auf der Seite des Bootes - das Boot kenterte.
Ich will auf keinen Fall noch eine Pirouette drehen, weder heute Abend noch sonst irgendwann im Laufe des Rennens." Boris Herrmann
Dann kam der knifflige Teil: das Boot in den Wind zu bekommen und dabei den Mast zu schonen, indem man die Segel steuert und sie nicht zu sehr flattern lässt. Sonst verheddern sich die Schoten überall, und ich habe es geschafft, die Ruder unter Kontrolle zu bringen. Dann muss man eine Halse machen, alles zurücktrimmen und wieder auf Kurs kommen. Das habe ich gerade getan. Jetzt bin ich wieder auf dem richtigen Kurs. In den nächsten Stunden werde ich etwas langsamer fahren, um aus dieser Zone mit einem wirklich komplizierten Seegang herauszukommen.”
Aktuell bis ich gerade wieder neben Yannick Bestaven. Die Begegnungen mit ihm sind hier im Südmeer nahe von Point Nemo außergewöhnlich! Die Chance, sich so nah zu treffen, sind in der Weite hier normalerweise so gering! Jetzt matchen wir uns gerade wieder. Wir pushen uns ein bisschen, weshalb das Radar so laut piept. Das Matchen mit Yannick macht Spaß!
Ich merke, dass ich noch einmal mehr versuche, hier auf Zack zu sein.” Boris Herrmann
Meine jüngsten Routings sagen mir, dass es noch etwa sechs Tage bis Kap Hoorn sind. Ich könnte am 27. Dezember abends oder am 28. Dezember dort sein. Die Führenden werden Kap Hoorn schon zu Weihnachten erreichen. Ich bin ziemlich sicher, dass der acht Jahre alte Vendée-Globe-Rekord bei dieser Edition fallen wird.
Für mich selbst gibt es neben dem Meilenstein Kap Hoorn viele kleine mentale Etappenziele, die ich mir setze: Bis zur nächsten Ecke vom Eisgate, bis zur nächsten Zeitzone, dann im Atlantik bis zum Äquator, ins Warme zu kommen, in die Passatwinde zu kommen. Und natürlich so weit vorzurücken, wie möglich.
Ein großer Weihnachtsmensch bin ich eigentlich gar nicht. Aber ich werde Heiligabend zuhause anrufen und per Videocall sehen, was die Familie macht und einfach ein bisschen dabei sein. Und dabei auch selbst Geschenke auspacken, die ich hier an Bord habe. Eine kleine Überraschung habe ich dann auch noch… Oft bin ich nach dem roten Weihnachtspulli von meiner ersten Vendée Globe gefragt worden. Den habe ich nicht mehr gefunden. Aber ich habe den gleichen in hell dabei. Das ist der aus dem Ocean Race.
Besondere Begegnung im Southern Ocean – hier holte sich Boris Herrmann am Abend des 21. Dezember den siebten Platz, um den er auf dem Vormarsch in den Top Ten weiter mit Titelverteidiger Yannick Bestaven ringt: