Mir geht es okay. Ich habe die Situation mit dem gebrochenen Foil akzeptiert. Das Foil ist ein stückweit eingezogen und mit Seilen gesichert. Es bremst mich natürlich sehr ab. Ich könnte ein paar Knoten schneller fahren, wenn es nicht an der Seite rumschwabbeln würde. Aber so ist es nun einmal. Ich kann es nicht ändern. Wir müssen ins Ziel der Vendée Globe segeln.
Das ist der Deal jetzt: Sie innerhalb der Wertung ins Ziel zu bringen. Den ganzen Weg bis zur Ziellinie. Ohne Hilfe von außen. Sicher und sauber. Dann Schwamm drüber und weiter zur nächsten Regatta. Ich hatte es in der Woche schon gesagt und nehme es als Gewinn dieser Vendée Globe für mich persönlich mit: Je mehr Ärger ich hatte, um so stärker fühlte ich mich mental.
Hoffentlich ist das ganze Pech für den Rest meines Imoca-Segellebens damit aufgebraucht!” Boris Herrmann
Außerdem sind der Stress und der Druck des Rennens ein wenig abgefallen. Wie sich mein Ankunftsdatum durch meine erste Kollision, den Foil-Bruch und die Folgen verändern wird, kann ich noch nicht ganz sicher absehen. Es rückt natürlich etwas nach hinten. Vielleicht wird es der 26. Januar? Und weil es ein paar Fragen nach dem Proviant gab: Ja, der reicht! Ich habe Proviant für 80 Tage dabei.
Natürlich sehe ich auch, was im Feld passiert. Vorne ist es im Kampf um Platz vier sehr spannend zwischen Sam Goodchild und Jérémie Beyou. Die sprechen auch miteinander, sind ganz gut aufeinander zu sprechen. Sie teilen sich das Match. Ich glaube, das animiert sie. Mein Eindruck ist, dass Sam es etwas entspannter angeht als Jérémie. Deshalb könnte er am Ende die Nase vorne haben.
Zu den Windprognosen ein Wort: Es ist viel die Rede vom bevorstehenden Tief. Ich werde aber hinter dem ersten großen Tiefdruckgebiet sein, nur seine Ausläufer spüren. Das ist also kein Problem für mich. Ich werde aber ein zweites Tief abbekommen und auch ein bisschen Wind haben. Wie schnell ich dann – jeweils auf Backbordbug und auf Steuerbordbug – fahren kann, müssen wir abwarten.
Die Vorhersage ist im Prinzip super für mich.” Boris Herrmann
Ich habe bis morgen früh laut meiner Routings hier noch Wind von rechts. Dann bin ich im Einfluss des Tiefs. Heute ist also mein letzter Tag im Einfluss der Subtropen. Morgen erwarte ich dann kalte Nordwinde, die langsam auf West drehen. Dann eine Kaltfront, die rüberzieht. Dann nach der Kaltfront Südwestwind mit Wind von links weiterhin, fast bis ins Ziel.
Ich hoffe, dass ich auch mit Wind von links halbwegs zu Potte komme, denn das Foil wird weiter im Wasser schlurren. Man muss sehen, wie doll es dann noch bremst. Ich bin viel gefragt worden, warum wir das Foil nicht abgesägt haben. Wenn es einfach wäre, hätten wir es wahrscheinlich gemacht. Aber wir stellen es uns nicht so einfach vor und hatten Sorge, dass ich dort halbverrichteter Dinge hätte aufgeben müssen und wir dann eine schlechtere Situation hätten als jetzt.
Wenn ich es halb abgesägt hätte und dann vielleicht durch Wasser-Splash oder Überhitzung die Flex kaputtgegangen wäre… Das ist ja von der Aufgabe her für eine kleine Akkuflex schon grenzwertig. Und ich habe auch nur fünf Trennscheiben. Eine Diamant-Disc, die würde vermutlich ganz gut funktionieren. Aber davon bräuchte ich eigentlich mehrere. Und die sind auch klein. Ich kann gar nicht mit dem Durchmesser der Scheiben die Tiefe des Foils erreichen.
Ich müsste es zweimal schneiden, um eine Art Schneise hinzubekommen, ein V einarbeiten. Das ist dann doppelte Schneidleistung. Wir glauben, dass wir da an die Grenzen des Equipments kämen. Wenn ich dann ein halbes V gemacht habe und die andere Hälfte nicht mehr hinkriege, dann sehen wir ganz blöd aus. Wer sich an das bei der letzten Vendée Globe abgesägte Foil von Thomas Ruyant erinnert: Der hatte eine große Stichsäge mit speziellen Schneideblättern extra zum Foil-Schneiden dabei.
Das hatten wir so nicht geplant. Es ist auch ein sehr schweres Gerät. Und riesig. Thomas hatte auch nur den oberen Meter vom Tip abgeschnitten. Da ist das Foil viel dünner. Unser Foil ist eines der dicksten. Macht man es dicker, ist das Foil toleranter, kavitiert nicht so schnell.
Meine Lust auf die Vendée Globe habe ich durch die Ereignisse der letzten Wochen nicht eingebüßt. Ich habe Lust, weitzumachen! Aber jetzt freue mich jetzt erstmal auf die Rennen, die demnächst kommen, vor allem das Ocean Race Europe, das am 10. August in Kiel startet. Ich freue mich darauf, bald unsere Mannschaft für das Europa-Rennen vorzustellen. Und ich freue mich auch auf eine große Zukunft mit neuen Projekten in den nächsten Jahren.
Das ist das Schöne: Ich bin mit der mentalen Versicherung in die Vendée Globe gestartet, dass alle möglichen Projekte für die Zukunft bereits aufgegleist sind. Wir haben fast alles bis 203o organisiert, werden das auch nach und nach bekanntgeben. Das hängt aber auch an Partnern – nicht so sehr Sponsoren wie anderen Projekten – mit denen wir zusammenarbeiten, die auch noch zurückhaltend sind. Wir können bald mehr sagen.
Wenn wir jetzt noch einmal auf die nächste Vendée Globe in vier Jahren schauen, bleibt die Yacht-Architektur spannend. Weil die Regeln gleich bleiben, wird sich bei den neuen Booten nicht so viel tun wie zuletzt. Wir werden die Frage bearbeiten müssen: breit oder schmal? ‘Macif’ war ein bisschen breiter, boxiger. ‘Paprec’ ein bisschen schmaler.
Beide – ’Macif’ und ‘Paprec’ – sind schnell um die Welt gekommen. Hier haben zwei unterschiedliche Designs zu einem guten Resultat geführt. Eine klare Antwort liegt noch nicht auf der Hand. Einige Design-Entwicklung wird bei den Segeln stattfinden. Wir haben künftig nur noch sieben anstatt acht Segel. Ansonsten bleibt vieles beim Bekannten. Plus Optimierungen, die Laien von außen gar nicht werden sehen können. Ein bleibt ein spannendes Feld!
Kurz vor dem Sturm: Sam Goodchild war am Samstag noch zu Mastarbeiten ins Rigg gestiegen. Von dort aus konnte er seinen Rivalen Jérémie Beyou sehen und sein Boot auf die erwarteten stürmischen Winde vorbereiten:
DER FOILBRUCH! Rückblick auf den Bruch des Backbord-Foils von “Malizia – Seaexplorer”: