Tatjana Pokorny
· 10.06.2015
Drei Teams im Glück nach Etappe acht: SCA-Frauen feiern Etappensieg, Abu Dhabi vor Gesamtsieg und Vestas mit gelungener Wiederauferstehung
Im Morgengrauen war der Triumph perfekt: Die britische Skipperin Samantha Davies und ihr schwedisches Frauen-Team SCA haben die achte Etappe im Volvo Ocean Race gewonnen. Die Crew absolvierte den mit 647 Seemeilen kürzesten Abschnitt der bekanntesten Segelregatta um die Welt von Lissabon ins bretonische Lorient in drei Tagen, 13 Stunden, elf Minuten und elf Sekunden. Der souveräne Start-Ziel-Sieg fiel sogar deutlich aus, denn im Ziel hatten die Frauen 48 Minuten und 22 Sekunden Vorsprung vor dem zweitplatzierten Comeback-Team Vestas Wind.
"Wir werden das wohl erst begreifen, wenn wir in den Hafen kommen und keine anderen Boote da sind", sagte die britische Skipperin Sam Davies mit strahlendem Lächeln, "wir hatten bis hierhin einen Berg zu besteigen. Es ist die Belohnung für die viele harte Arbeit, die wir geleistet haben. Und ein riesiger Schub fürs Selbstbewusstsein." Die SCA-Frauen hatten bis zu ihrem triumphalen Etappensieg bis auf eine Ausnahme ausschließlich letzte Etappenränge belegt und waren dafür teilweise hart kritisiert worden, weil sie die längste Vorbereitungszeit aller Teams hatten und über das größte Budget verfügen.
Auf der nun gewonnenen Etappe dürften den Frauen neben der inzwischen gesammelten Erfahrung und der entsprechenden Leistungssteigerung zwei weitere Faktoren zugutegekommen sein: Weil das Amwind-Segeln auch in starken Winden körperlich zwar hart, aber weit weniger brutal ist als Power-Reaching-Bedingungen, fiel der physische Nachteil für die Frauen weniger ins Gewicht als auf vorherigen Etappen. Zudem segeln die Frauen mit drei Crew-Mitgliedern mehr, die zuzüglich der entsprechenden Ausrüstung beim Amwind-Segeln entsprechend mehr Gewicht auf die Kante bringen können. Dennoch ist ihre Leistung sehr hoch einzustufen, denn die "Mutter aller Speedrennen" hat alle Teams vor allem in den letzten Tagen in der windreichen und von meterhohen Wellenbergen aufgewühlten Biskaya bis zum Äußersten gefordert. Etwa die Hälfte aller Profis litt auf den Booten an Seekrankheit. Die Anbord-Reporter berichteten immer wieder von Ermüdung und totaler Erschöpfung.
Rang drei erkämpften sich in Etappe acht die Spitzenreiter im Gesamtklassement: Abu Dhabi Ocean Racing sicherte sich mit dem Podiumsplatz den jetzt nur noch sehr theoretisch anfechtbaren Sieg bei der zwölften Auflage des Meeres-Marathons. Mit acht Zählern Vorsprung im Gesamtklassement müsste Abu Dhabi Ocean Racing nicht nur den letzten Rang auf der Schlussetappe belegen (bei gleichzeitigem Sieg der holländischen Konkurrenz vom Team Brunel), sondern auch noch mit mindestens zwei Strafpunkten belegt werden, um den Gesamtsieg noch zu verlieren. Und auch das wäre nur möglich, wenn Team Brunel außerdem die In-Port-Wertung gewinnen würde, um in dem sehr theoretischen Fall bei Punktgleichheit die Bugspitze vorn zu haben.
So feierten in Lorient in den frühen Morgenstunden gleich drei Teams, denn die dänische Vestas-Mannschaft bejubelte ihr gelungenes Comeback nach vielen Monaten Reparaturpause. Das Team war in der zweiten Etappe der zwölften Auflage der Weltumsegelung spektakulär auf ein Riff aufgelaufen und musste zunächst die Segel streichen. Die Wiederherstellung des schwer beschädigten Bootes gelang in der Folge in Rekordzeit, sodass Skipper Chris Nicholson und seine Crew ohne den geschassten Navigator Wouter Verbraack bei dieser achten Etappe wieder ins Rennen einsteigen konnten – chancenlos zwar mit Blick auf die Gesamtwertung, aber doch glücklich, das Finale mitgestalten zu können. Nicholson sagte: "Ich hatte gedacht, dass wir vielleicht Vierter oder Fünfter werden können. Aber Zweiter? Ich bin einfach nur überglücklich." Dass die Dänen auf dieser Etappe immer wieder mit guten Geschwindigkeiten glänzen konnten, dürfte auch dem Zustand ihrer Segel zuzuschreiben sein. Denn im Gegensatz zum – wie bei Brunel mit der zerrissenen J2 erlebt – abgenutzten Inventar der Konkurrenz, die mit ihren Segeln inzwischen um die Welt gesegelt sind, sind die Tücher von Vestas Wind unverbrauchter und damit effektiver.
Vor dem vorletzten Hafenrennen am Sonntag und dem Start zur letzten Etappe nach Göteborg mit Pitstop in Den Haag sind die Karten also klar verteilt: Ian Walkers Team Abu Dhabi Ocean Racing wird dem Gesamtsieg entgegensegeln. Dahinter kämpfen mit Team Brunel (27 Punkte), dem Dongfeng Race Team (29 Punkte), dem spanischen Team Mapfre (31 Punkte) und dem US-Team Alvimedica (33 Punkte) immer noch vier Teams um die beiden verbleibenden Podiumsplätze bei dieser zwölften Auflage des bekanntesten Mannschaftsrennens um die Welt. Es bleibt also spannend bis zum Schluss.