Volvo Ocean Race"Den Wahnsinn der Welt vergessen"

Tatjana Pokorny

 · 07.02.2018

Volvo Ocean Race: "Den Wahnsinn der Welt vergessen"Foto: Pedro Martinez/Volvo Ocean Race
Sophie Ciszek

Nach rund 30 Stunden führt Brunel die Flotte auf Etappe 6 weiter an. Vor den ersten großen Entscheidungen geben die Teams Einblicke in ihre Gedankenwelt

  Konnte dem Co-Favoritenstatus seines Teams Brunel bei dieser Auflage bislang nicht gerecht werden: Brunels Skipper Bouwe Bekking. Jetzt aber greifen der achtmalige Rekordteilnehmer, sein Star-Steuermann Peter Burling und die Crew auf dem gelben Boot mit neuen Segeln und frischer Dynamik an. Sie liegen nach den ersten 30 Stunden in FührungFoto: Pedro Martinez/VOR
Konnte dem Co-Favoritenstatus seines Teams Brunel bei dieser Auflage bislang nicht gerecht werden: Brunels Skipper Bouwe Bekking. Jetzt aber greifen der achtmalige Rekordteilnehmer, sein Star-Steuermann Peter Burling und die Crew auf dem gelben Boot mit neuen Segeln und frischer Dynamik an. Sie liegen nach den ersten 30 Stunden in Führung

Die ersten 30 Stunden der sechsten Etappe sind absolviert. Bouwe Bekkings Team Brunel hat mit neuen Segeln die Führung übernommen und wirkt leichtfüßiger als bei den vorherigen Etappen. Die Crew auf dem gelben Boot hat sich einen Drei-Seemeilen-Vorsprung vor den im Gesamtklassement führenden Teams Dongfeng und Mapfre erarbeitet. Die Startphase dieser 6100-Seemeilen-Etappe von Hongkong nach Auckland fasste Bekking so zusammen: "Nachdem wir die Sperrgebiete vor Hongkong gut umfahren hatten, lief es für uns sehr gut. Wir haben uns schnell an der Spitze der Flotte wiedergefunden, wurden dann aber plötzlich superlangsam. Wir verloren im Nullkommanichts eine halbe Meile. Der Grund dafür war eine riesige Plastiktüte am Ruder. Wir mussten tatsächlich zwei Wenden fahren, um sie loszuwerden, haben dabei noch mehr Distanz verloren. Danach aber konnten wir unseren Vorsprung langsam wieder ausbauen. Es ging in Winden um 30 Knoten ziemlich ruppig zu. Es hat fast die ganze Nacht geregnet. Dazu kam die ganze Gischt an Deck. Es war ungemütlich. Sally ist ein bisschen seekrank. Ich habe sie unter Deck geschickt, weil wir gerade nicht allzu viel mit Trimmen beschäftigt sind. Wir segeln mit Kurs auf den Südzipfel Taiwans. Dann werden wir wenden und einen nördlichen Kurs einschlagen. Das bedeutet mehr Amwind-Segeln und Wegsegeln von Neuseeland. Wir gehen davon aus, dass alle Teams es ähnlich machen werden, denn die Wettfahrtleitung hat eine riesige Sperrzone eingerichtet. So wird der sehr geringen Aussicht auf die Entwicklung eines tropischen Wirbelsturms vorgebeugt."

Hier noch einmal die Zusammenfassung des am Mittwoch in Hongkong erfolgten Starts zur sechsten Etappe im Volvo Ocean Race

  Entscheidung aus Erfahrung: In Starts und auf vielen anderen Passagen überlässt Brunels Skipper Bouwe Bekking seinem "Golden Boy" Peter Burling oftmals das Steuer. Burling hat nicht nur Olympia-Gold im 49er, sondern danach auch den America's Cup für Neuseeland gewonnenFoto: Jen Edney/VOR
Entscheidung aus Erfahrung: In Starts und auf vielen anderen Passagen überlässt Brunels Skipper Bouwe Bekking seinem "Golden Boy" Peter Burling oftmals das Steuer. Burling hat nicht nur Olympia-Gold im 49er, sondern danach auch den America's Cup für Neuseeland gewonnen
  Sophie Ciszek (l.) und das im Gesamtklassement führende spanische Team MapfreFoto: Ugo Fonolla/Volvo Ocean Race
Sophie Ciszek (l.) und das im Gesamtklassement führende spanische Team Mapfre

An Bord der spanischen Verfolger gab indessen Sophie Ciszek – bei der vergangenen Auflage des Volvo Ocean Race als Crew-Mitglied im Frauen-Team SCA mit dem "Hans Horrevoets Rookie Award" ausgezeichnet – ein kurzes Interview. Die 32-Jährige Australierin, die auch einen amerikanischen Pass besitzt, gilt als herausragende Surferin und war schon in Profi-Teams auf Booten wie "Wildthing", "Brindabella" und "Shockwave" im Einsatz. Ciszek sagte auf die Frage, wie sie sich mental auf Schwerwetter-Bedingungen vorbereitet: "Ich stelle mich immer auf das schlimmstmögliche Szenario ein. Wenn die Prognose 40 Knoten Wind vorhersagt, dann gehe ich von 50 Knoten aus, mit riesigen Wellen. Ich male mir im Kopf ein fieses Bild von wirklich heftigen Bedingungen. Dann fühle ich mich gewappnet." Was die Kämpferin auf See inspiriert und zu ihren Einsätzen motiviert? "Wenn ich segele und kein Land mehr sehen kann, dann stellt sich da draußen in der Mitte des Ozeans dieses Gefühl ein... Du vergisst den Wahnsinn der Welt. Ich mag das sehr. Es ist ein Gefühl, dass ich an Land nicht habe. Es stellt sich nur ein, wenn du lossegelst und vom Meer umgeben bist."

  Jerémie Lecauday ist Anbord-Reporter im Team Sun Hung Kai / Scallywag und wird hier selbst interviewt. Der Franzose gibt regelmäßig aussagekräftige Einblicke in das Bordleben seiner MannschaftFoto: Jesus Renedo/Volvo Ocean Race
Jerémie Lecauday ist Anbord-Reporter im Team Sun Hung Kai / Scallywag und wird hier selbst interviewt. Der Franzose gibt regelmäßig aussagekräftige Einblicke in das Bordleben seiner Mannschaft

Tiefe Einblicke in den Bordalltag vom aktuell viertplatzierten Team Sun Hung Kai / Scallywag übermittelte dessen Anbord-Reporter Jerémie Lecauday. Unter der Überschrift "Das Leben eines Seglers" schrieb der Franzose: "Es ist 17 Uhr abends. Du bist im Büro und machst noch schnell ein paar Sachen fertig, um dann möglichst früh nach Hause zu kommen. Dann klingelt dein Mobiltelefon. David Witt ruft an. Du denkst: F***, das ist Wittey. Es muss wichtig sein. Du nimmst den Hörer ab. Dein Name ist Marcus Ashley Jones. Wenige Stunden später sitzt du im Flieger nach Hongkong, bereit für Etappe 6 im Volvo Ocean Race. Einfach so." Der nächste Absatz von Lecaudays Logbucheintrag erklärt das Last-Minute-Manöver: "Es ist 10 Uhr morgens am Tag vor dem Start zur sechsten Etappe des Volvo Ocean Race. Du hast gerade die letzte Etappe gewonnen. Du bist aufgeregt, gehst früh zum Boot und bereitest alles für einen Testschlag mit der J1 in der Bucht vor. Beim Ablegen erwischt dich eine Leine. Das war's mit der sechsten Etappe. Du bist Grant Wharington – und wirst bald zurück sein."

Den letzten Absatz seiner Nachricht widmet Lecauday seinem Skipper: "Der Starttag ist gekommen. Du bist David Witt. Auf jeder der bisherigen Etappen ist entweder deinem Boot oder deiner Crew etwas Ungewöhnliches passiert. Du bist 53 Jahre alt, hast schon Schlimmeres gesehen, und mehr wird folgen. Das erste, was du deiner Crew beim Ablegen sagst? 'Wir sind die Scallywags! Wir werden diese Etappe gewinnen!' Die Antwort darauf gibt es in etwa 20 Tagen in Auckland. Bleibt dran."

  Hatte bei dieser 13. Auflage des Volvo Ocean Race schon einige haarsträubende Herausforderungen zu bewältigen, konnte aber mit seinem Team die letzte lange Etappe in den Heimathafen Hongkong gewinnen: David Witt, Skipper im Team Sun Hung Kai / ScallywagFoto: Jeremie Lecauday/Volvo Ocean Race
Hatte bei dieser 13. Auflage des Volvo Ocean Race schon einige haarsträubende Herausforderungen zu bewältigen, konnte aber mit seinem Team die letzte lange Etappe in den Heimathafen Hongkong gewinnen: David Witt, Skipper im Team Sun Hung Kai / Scallywag