Tatjana Pokorny
· 06.02.2018
Sieben Männer und eine Frau bilden Team Brunels Crew für die sechste Etappe über rund 6100 Seemeilen von Hongkong nach Auckland – eine neue Erfolgsformel?
Die sechste Etappe im Volvo Ocean Race hat am frühen Mittwoch morgen vor Hongkong begonnen. Am besten kamen im insgesamt sehr verhaltenen Start, der in leichten Winden vermutlich der Erfahrung von zuletzt zwei Frühstarts geschuldet war, die Teams Sun Hung Kai / Scallywag, AkzoNobel und Brunel unter ihren riesigen Code Zeros über die Linie. Schon fünf Stunden später hatte sich das Bild etwas verändert: Zwar lag AkzoNobel am Mittwochvormittag deutscher Zeit noch vorn, doch die Spitzenreiter der Gesamtwertung hatten sich schon wieder vorgearbeitet: Mapfre machte bereits am Heck der Holländer Druck. Knapp dahinter lagen Charles Caudreliers Dongfeng Race Team in Lauerposition und Bouwe Bekkings Team Brunel vor David Witts Team Sun Hung Kai / Scallywag und Dee Caffaris Turn the Tide on Plastic.
Zum ersten Mal war Hongkong als Etappenhafen Teil des Volvo Ocean Race. Am Mittwoch hat die Flotte – ohne das weiter reparaturbedürftige blaue Boot von Vestas 11th Hour Racing – die Metropole mit Kurs auf Auckland verlassen. Im Video sind die Prognosen der Skipper, ihre Befürchtungen und Hoffnungen zu hören. Ebenso sind ein Rückblick auf die letzte Etappe und die Hafenrennen zu sehen
Das in der Gesamtwertung immer noch auf Platz drei liegende amerikanisch-dänische Team Vestas 11th Hour Racing hatte seinen Start absagen müssen, weil das blaue Boot infolge der Kollision mit einem Fischerboot, bei der ein chinesischer Fischer ums Leben gekommen war, in Hongkong nicht rechtzeitig repariert werden konnte. Das Boot und seine neue Bugsektion, die bei Persico Marine in Italien entsteht, werden nach Auckland verschifft, wo Skipper Charlie Enright und sein Team sich treffen und nach erfolgreicher Reparatur wieder ins Rennen einsteigen wollen. Eine detaillierte Analyse und Aufklärung des schweren Unfalls am 20. Januar bleiben das Team Vestas 11th Hour Racing und die Veranstalter des Volvo Ocean Race bislang weiter schuldig.
Sportlich waren die Karten vor der sechsten Etappe, auf der schon bald die Halbzeit-Glocke des Rennens läuten wird, klar verteilt: Das spanische Team Mapfre (34 Punkte) will die Gesamtführung verteidigen, das Dongfeng Race Team (30 Punkte) seinen ehemaligen Trainingspartner erfolgreich angreifen. In Abwesenheit von Vestas (23 Punkte) könnten sowohl das viertplatzierte Team Sun Hung Kai / Scallywag (20 Punkte) als auch Team Brunel mit einer herausragenden Leistung einen Podiumsplatz in der Zwischenwertung erobern. Dafür aber müsste vor allem Bekkings Team seine Speedprobleme auf Vormwind-Kursen um 18, 19 Knoten Wind lösen. Eine Veränderung hat der holländische Skipper, der einige Jahre in Hamburg gelebt hat und heute in Dänemark zu Hause ist, zuletzt vorgenommen: Brunel segelt die Etappe als einziges Team mit nur acht Leuten, sieben Männern und der amerikanischen Matchrace-Expertin Sally Barkow. Was sich mit Blick aufs Crew-Gewicht laut Bekking schon im letzten Hafenrennen als Erfolgsfaktor im Kampf um Platz zwei erwiesen hat, soll nun auch auf der Langstrecke nach Auckland funktionieren. Während Boat Captain Abby Ehler daheim in England pausiert, war Segel-Koordinatorin Annie Lush nach ihrem schweren Sturz auf Etappe 4 nicht rechtzeitig zum Start fit geworden, war aber als Co-Kommentatorin beim Start im Einsatz. Sie soll ab Auckland wieder einsteigen. Insgesamt gab es für diese Etappe nur drei Crew-Wechsel – alle im Dongfeng Race Team: Navigator Pascal Bidégory löst nach der Genesung seinen prominenten Ersatzmann Franck Cammas wieder ab. Ebenfalls zurück an Bord ist die mehrfache Nacra17-Weltmeisterin Marie Riou, die zugunsten einer Erholungsphase von Justine Mettraux vertreten worden war. Außerdem kommt Liu Xue für Chen Jin Hao. Es scheint, als hätten sich die meisten die Teams ihren Ideal-Konstellationen angenähert.
Nach Etappe 4 hatte Bouwe Bekking unter anderem die Speed-Probleme des gelben Bootes als Grund für die bislang eher enttäuschende Platzierung der Holländer im 13. Volvo Ocean Race unterstrichen. Ob es dem Team in den vergangenen Wochen gelungen ist, diese Lücke zu schließen, wird sich auf Etappe 6 von Hongkong nach Auckland erweisen
Für das zuletzt nach vielen Krisen wiedererstarkte sechstplatzierte holländische Team AkzoNobel gilt es, den bislang nur 15 Zählern auf dem Konto möglichst viele hinzuzufügen, um den Anschluss an die führenden Boote nicht ganz zu verlieren. Dee Caffari will mit ihrem jungen und vergleichsweise wenig erfahrenen Mixed-Team und der roten Laterne des Schlusslichts im Heck zwingender agieren als bislang.
Die bevorstehende Etappe zählt zu den anspruchsvollsten der Hatz um den Globus. Mapfres Skipper Xabi Fernandez sagte: "Wieder haben wir mit etwa 6000 Seemeilen eine sehr lange Etappe vor uns. Und die wird uns so ziemlich das Gegenteil von dem bringen, was wir auf dem Kurs von Australien nach Hongkong erlebt haben." Charles Caudrelier erklärte: "Die nächste Etappe ist für mich die schwierigste, komplizierteste und gefährlichste." Der Tipp des Franzosen, der die elfte Auflage des Meeres-Marathons auf der französischen "Groupama" an der Seite von Franck Cammas mitgewonnen hatte und bei der letzten Auflage – seiner ersten als Skipper – als Newcomer auf Platz drei gesegelt war: "Eine große Chance, sich entscheidende taktische Vorteile zu verschaffen, wartet im Revier zwischen den Philippinen und Taiwan. Dort gilt es, große Entscheidungen zu treffen. Denn dort stellt sich die wichtige Frage, wie du durch die Doldrums kommen willst."
"Wir haben auf dem Weg hierher schon erlebt, wie hart das Revier sein kann", sagte Turn-the-Tide-on-Plastic-Skipperin Dee Caffari vor dem Start, "jetzt werden wir es noch einmal anders herum erleben. Und das zumeist am Wind, was diese Etappe von allen anderen unterscheidet. Vor uns liegen ein paar sehr harte erste Tage. Niemand von uns hat bislang viel am Wind gesegelt. Es dürfte interessant werden." Einig sind sich alle Skipper darin, dass für die letzten Tage der Etappe auf Kurs Auckland voraussichtlich traumhaft schöne Segelbedingungen zu erwarten sind. Es wird sich zeigen, wer die dann an der Spitze am meisten genießen darf. In der "City of Sails" Auckland, der neuen alten Heimat des America's Cup, wird die Flotte in der letzten Februar-Woche erwartet.