Tatjana Pokorny
· 21.10.2017
Gleich zu Beginn haben die Top-Favoriten der Konkurrenz die Zähne gezeigt. Allen voran die Dongfeng-Crew, die knapp zwei Stunden nach dem Start führte
Fantastische Bilder, Positionswechsel in Serie und rasende Boote haben die Live-Übertragung des Starts in die 13. Auflage des Volvo Ocean Race zu einem echten Leckerbissen für Segelfans gemacht. Selten wurde ein Regatta-Auftakt so gut in Szene gesetzt. Daran hatten die sieben Teams in Angriffslaune ebenso Anteil wie die riesige Zuschauerflotte vor Alicante, die den Kurs teilweise in einen anspruchsvollen Hindernis-Parcours verwandelt hatte.
Der beste Start war zunächst Außenseiter Sun Hung Kai / Scallywag mit dem australischen Skipper David Witt gelungen, doch schnell machten die mitfavorisierten Teams Mapfre und Dongfeng klar, wer in diesem Rennen um die Welt das Sagen haben will. Auch Bouwe Bekkings erfahrenes Team Brunel erholte sich zügig vom nicht ganz gelungenen Start. Und bald schon sah man dieses rot-rot-gelbe Trio an der Spitze der Flotte um die Positionen rangeln.
Allerdings nicht sehr lange, denn der für seinen furiosen Segelstil bekannte Dongfeng-Skipper Charles Caudrelier nutzte eine Chance zur Attacke, zwang seine beiden Konkurrenten Mapfre und Brunel im Dreikampf zum Ausweichen, was beiden nach Einschätzung der Schiedsrichter auf dem Wasser nicht regelkonform gelang. Da setzte es eine Dreiviertelstunde nach dem Startschuss die ersten Strafen im noch jungen Rennen. Sowohl Mapfre als auch Brunel musste bereinigen und fielen zunächst zurück.
Auch im Mittelfeld spielten sich teilweise packende Szenen ab. So etwa ein Duell zwischen Sun Hung Kai / Scallywag und Dee Caffaris Team Turn the Tide on Plastic. Die einzige Skipperin in der Flotte mit weiteren sechs männlichen Rivalen jagte den Australier und seine Crew unter Hongkongs Flagge derart konsequent und im Zickzack durch die aufgereihten Zuschauerboote, dass man als Beobachter kurz das Atmen vergaß. Rund zwei Stunden nach dem Start lag Dongfeng souverän in Führung. Dahinter hatte sich bereits wieder das erneut stark aufkommende spanische Team Mapfre mit Skipper Xabi Fernandez auf eine Angriffsposition vorgearbeitet. Auf Rang drei lag überraschend Dee Caffaris junges Mixed-Team, während Team Brunel nach dem Rückschlag Boden gutzumachen versuchte – rund drei Stunden nach dem Start mit 19,5 Knoten Geschwindigkeit, der schnellsten in der gesamten Flotte.
Dass Simeon Tienpont und sein holländisches Team AkzoNobel zunächst nur auf dem letzten Rang lagen, darf nach den Dramen der letzten Tage kaum jemanden verwundern. 24 Stunden vor dem Start hatte der Niederländer noch vor dem Schiedsgericht in seiner Heimat um sein Comeback gekämpft. Vier erfahrene Crew-Mitglieder, darunter Interims-Skipper Brad Jackson, hatten sich danach gegen eine Teilnahme an der ersten Etappe entschieden. So musste Tienpont mit seinen verbliebenen treuen Mitseglern und Ersatzleuten antreten.
In einer sieben Minuten vor dem Startschuss veröffentlichten Pressemitteilung des Teams AkzoNobel sagte Tienpont über die emotionale Achterbahnfahrt seiner Mannschaft in den vergangenen Tagen (YACHT online berichtete): "Das war ganz offensichtlich eine unglaublich harte Zeit für alle Beteiligten. Persönlich bin ich erleichtert, endlich wieder bei meinem Team zu sein und mit unserer Volvo-Ocean-Race-Kampagne durchstarten zu können." Tienpont bedankte sich auch bei jenen, die ihm nun für diese erste Etappe die Gefolgschaft versagt haben. Die Treue haben ihm Vorschiffsmann Brad Farrand (Neuseeland), Martine Grael (Brasilien), Luke Molloy (Australien), Emily Nagel (Bermuda) und Nicolai Sehested (Dänemark) gehalten. Als spontane Ersatzleute kamen dazu: Navigator Ross Monson (Großbritannien) und Antonio Fontes (Portugal). Fontes kam – mit explizitem Dank von Simeon Tienpont an David Witt und dessen Team Sun Hung Kai / Scallywag – spontan als "Leihgabe" der gegnerischen Mannschaft. Eine faire Geste des australischen Skippers und Haudegens gegenüber dem Niederländer mit dem Rücken zu Wand, der dadurch immerhin mit acht statt der geplanten neun Crew-Mitglieder starten konnte.