The Ocean RaceZweiter Protest – Team Holcim – PRB will es wissen

Tatjana Pokorny

 · 28.06.2023

Wird 11th Hour Racing Gesamtsieger im 14. The Ocean Race?
Foto: Amory Ross/11th Hour Racing/The Ocean Race
Nun also doch: Team Holcim – PRB hat zusätzlich zum Antrag von 11th Hour Racing auf Wiedergutmachung infolge der Den-Haag-Kollision mit Team Guyot einen weiteren Protest eingereicht. Der wendet sich gegen 11th Hour Racing

Das Gerücht geisterte schon einige Zeit durch die Ocean-Race-Gemeinde, doch jetzt ist es offiziell: Team Holcim – PRB protestiert gegen 11th Hour Racing. Der entsprechende Protest ist bei der Internationalen Jury eingegangen. Das bestätigten die Ocean-Race-Veranstalter in einem Pressestatement am Mittwochabend.

Zwei Verhandlungen in Folge, die über den Sieg im 14. Ocean Race entscheiden

Pikant: Es ist schon der Vorabend der länger geplanten Anhörung aller Teams zum Antrag auf Wiedergutmachung von 11th Hour Racing. Allen Beteiligten bleibt wenig Zeit für eine mögliche Vorbereitung auf diesen neuen Protest, der noch vor dem Wiedergutmachungsfall verhandelt werden soll. Andrés Pérez, der Vorsitzende der Internationalen World-Sailing-Jury für das Ocean Race, hat die Anhörung zum neuen Protest für den 29. Juni (Donnerstag) um 9.30 Uhr angesetzt. Damit findet sie unmittelbar vor der Anhörung zum zuvor anberaumten “Request for Redress” ab 10 Uhr statt.

Hintergrund von Wiedergutmachungsantrag und Protest Nummer zwei ist der von Team Guyot kurz nach dem Start der Finaletappe in Den Haag verursachte schwere Crash mit 11th Hour Racings Imoca “Mālama”. Im klassischen Backbord-Steuerbord-Vergehen hatten “Guyot”-Steuermann Benjamin Dutreux und sein Navigator Sébastien Simon das amerikanische Boot zu lange Zeit nicht gesehen.

Deutsche Skipper sprechen sich für 11th Hour aus

“Guyots” Bugspriet hatte die hintere Backbord-Rumpfseite bis ins Innere des Bootes durchbohrt. Es war viel Glück im Spiel, dass dabei keine Segler verletzt wurden. “Guyot”-Eigner und Steuermann Ben Dutreux hatte nach dem Unfall “die volle Verantwortung” dafür übernommen. Sowohl Team Guyot als auch Boris Herrmann und Team Malizia gehen von einer Wiedergutmachung aus. “Wir sind Dritte, und 11th Hour Racing sollte das Rennen nach unserem Verständnis gewinnen”, sagte Boris Herrmann. “Wir hoffen, dass 11th Hour Racing Wiedergutmachung erhält”, sagte “Guyot”-Co-Skipper Robert Stanjek.

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Beide Boote hatten bei der Kollision heftige Schäden davongetragen. Beide haben die Etappe aufgegeben, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während “Guyot” sich damit final aus dem sportlichen Wettbewerb verabschiedet hatte und das Boot bereits wieder im Heimathafen von Les Sables-d’Olonne eingetroffen ist, hatte Charlie Enrights Team 11th Hour Racing seine “Mālama” in einer Blitzreparatur in Den Haag immerhin so weit reparieren können, dass die ursprünglich für die Etappe vorgesehene Race Crew sie in den Zielhafen Genua überführen kann.

Die Ocean-Race-Regeln zwangen 11th Hour zur Etappenaufgabe

Offiziell aufgeben musste 11th Hour Racing die Etappe, weil die Regeln des Ocean Race es keinem Team erlauben, das Rennen auf der letzten Etappe der Veranstaltung zu unterbrechen. Dadurch waren die Amerikaner zu Rückzug und Überführung außerhalb der Wertung nach Genua gezwungen. Die Enright-Crew wird am Donnerstag erst gegen Mittag in Genua erwartet, segelte dem Ort der Entscheidungen am Mittwochabend etwa auf Höhe Menorca entgegen.

Dass die Amerikaner einen Antrag auf Wiedergutmachung stellen, gebietet die Logik. Sie konnten nach drei Etappensiegen in Folge und als Spitzenreiter nach sechs Etappen mit zwei Punkten Vorsprung vor Team Holcim – PRB nicht mehr auf dem Wasser um den bereits greifbaren Gesamtsieg kämpfen. Dass nun auch Holcim – PRB nach Rang drei auf der Finaletappe mit nur drei Booten am grünen Tisch um den Gesamtsieg kämpfen will, kommt kurzfristig. Die Ocean-Race-Organisatoren vermelden, dass sich der Protest auf die Racing Rules of Sailing (RRS) 14 und 16.1. bezieht. Im Kern geht es um Vorfahrtsrechte und Pflichten zum Ausweichen.

Eine Tiebreak-Entscheidung würde 11th Hour Racing gewinnen

11th Hour Racing Team liegt in der Gesamtwertung nach allen sieben Etappen nur einen Punkt hinter dem Team Holcim – PRB, hat aber auf Etappe sieben keine Punkte sammeln können. Sollte die Jury eine Wiedergutmachung von einem Punkt oder mehr gewähren, wäre das 11th Hour Racing Team der Sieger des Ocean Race, da die Amerikaner bei Punktgleichheit den Tiebreak über die bessere Platzierung in der Wertung der Hafenrennen gewinnen würden. Hier kann Team Holcim – PRB (15 Punkte) das führende Team 11th Hour Racing (24 Punkte) in keinem Fall mehr einholen.

Sollten im Urteil zum amerikanischen Antrag auf Wiedergutmachung keine Punkte vergeben werden, wird der aktuelle Tabellenstand wirksam, und das Team Holcim – PRB wäre der Gesamtsieger des 14. The Ocean Race. Da das Ergebnis der Anhörung von 11th Hour Racing die gesamte Imoca-Flotte betreffen könnte, hat die Internationale Jury den Teams das Recht eingeräumt, bei der Anhörung anwesend zu sein, um alle Ansichten darzulegen und Fragen zu stellen. So soll eine möglichst faire Regelung gewährleistet werden. Es ist das erste Mal in der 50-jährigen Geschichte des Ocean Race, dass die Entscheidung über den Gesamtsieg am grünen Tisch fällt.

Anhörungen, Verhandlungen und Entscheidungen finden im Raum “Optimist” statt

Erstaunlich mutet an, dass die Internationale Jury, die nach Racing Rules of Sailing 60.3(b) handelt, gleichzeitig die Wiedergutmachung für Team Holcim – PRB, Team Malizia, Biotherm – und dem Guyot Environnement – Team Europe infolge der Kollision zu Beginn von Etappe sieben prüfen will. Die vom Weltverband World Sailing bestätigte Internationale Jury will noch am Donnerstag über Wiedergutmachungsantrag und Protest entscheiden, hieß es aus Genua.

Dass die Anhörungen und Verhandlungen in Genua im Raum “Optimist” gleich neben dem Pressezentrum stattfinden, ist ein hoffnungsvolles kleines Zeichen für eine friedliche Lösung im weitreichenden Fall, die von der Jury gefunden werden muss. Die schwere Aufgabe haben der spanische Vorsitzende Andrés Pérez, der Brite Chris Atkins als stellvertretender Vorsitzender, Pauline Den Burger aus den Niederlanden, Line Juhl aus Dänemark, George Priol aus Frankreich und Sofia Truchanowicz aus Polen. Man möchte ihnen Glück wünschen für ein salomonisches Urteil.

Der folgenschwere Crash in der Wiederholung:

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