The Ocean RaceSo feierten die Crews Platz und Sieg

Jochen Rieker

 · 13.02.2023

Sieger mit nur wenigen Minuten Vorsprung nach fast 18 Tagen auf See: Kevin Escoffiers "Holcim - PRB"
Foto: Sailing Energy / The Ocean Race

Erst ein quälend langes Finish, dann Tanz, Trommeln, Stegbier oder Champagner, gefolgt von einer langen Nacht mit Teams, Freunden und Familie. Kapstadt, dieses magische und historisch gesehen wichtigste Etappenziel von The Ocean Race, bot gestern die perfekte Bühne für den spannendsten aller Imoca-Showdowns

Zur Ankunft der Teilnehmer hatte sogar der Tafelberg sein fein-weißes “Tischtuch” aufgelegt – jene dünne Wolkenschicht, deren Vorderkante so pittoresk hangabwärts weht. So lau der Tag begonnen hatte, so sportlich endete er. Als “Holcim – PRB” am frühen Nachmittag als Erste die Ziellinie querte, wehte es mit 12 bis 15 Knoten. Ein paar Stunden später, beim Finish von Boris Herrmanns “Malizia – Seaexplorer”, schickte der berühmt-berüchtigte “Sou’Easter”, der sich langsam durchsetzte, 20er-Böen über die Table Bay.

So wurde es für Skipper Will Harris, Yann Eliès, Rosalin Kuiper und Nico Lunven ein Schaulaufen auf Foils. Vor der letzten Halse, zwischen Festland und Robben Island, rollten sie den Spi weg, weil es so sehr aufgefrischt hatte, und flogen mit um die 25 Knoten der Begleit-Crew auf dem Wasser entgegen. Was für ein Kontrastprogramm zu dem Leichtwind-Gedümpel am Morgen, das sie – den Tafelberg schon im Blick – am Ende den möglichen Sieg gekostet hatte.

“Guyot Environnement - Team Europe” mit Skipper Robert Stanjek verkürzte seinen am Tag zuvor noch dreistelligen Rückstand auf kaum mehr als 20 Seemeilen. Es machte in der Victoria & Alfred Waterfront Marina fest, kaum dass Team Malizia die offiziellen Willkommens-Interviews auf der Bühne beendet hatte.

Noch am Dock zog Robert Stanjek ein positives Fazit der Etappe, die das französisch-deutsche Team Guyot in der ersten Hälfte über weite Strecken souverän angeführt hatte, bevor es nach den Kalmen zurückfiel: “Wir sind zurückgekommen und haben bis zum Schluss gekämpft. Am Ende haben uns nur ein paar Stunden auf die anderen gefehlt – nach 18 Tagen auf See.” In seiner ehrlichen, ungekünstelten Art konstatierte der Berliner: “Wir sind Fünfte. Da gibt es nichts zu diskutieren. Aber unsere Leistung war großartig. Wir nehmen viele Lehren mit in die nächste Etappe.”

Ganz ähnlich das Fazit von Will Harris, der für den verletzten Boris Herrmann die Skipper-Rolle auf “Malizia – Seaexplorer” übernommen hatte. “Sicher hatten wir uns heute mehr erhofft als Platz vier”, sagte er gegenüber YACHT online. “Und wir haben ja lange geführt. Aber wir haben so immens viel gelernt und so viele neue Einstellungen gefunden, die das Boot schneller machen.” The Ocean Race habe gerade erst begonnen.

Nico Lunven und Yann Eliès gingen in ihrer Einordnung der Etappe noch einen Schritt weiter. Das Boot habe im Südatlantik sein wahres Potenzial gezeigt und unter rauen Bedingungen die höchsten Geschwindigkeiten gesegelt. “Die nächste Etappe”, so Eliès, sollten wir gewinnen.”

Während sich die Crew landfein machte, wirbelte das Technik-Team bereits am Boot. In Windeseile waren Segel abgeschlagen, Ausrüstung von Bord geschafft und mit Hilfe von Fallen und vielen Händen das erste Foil ausgebaut. Heute folgen Tests im Wasser, bevor “Malizia – Seaexplorer” dann für fünf Tage Refit an Land geht. Das ist nicht viel Zeit für ein so komplexes Boot. Aber die Anwesenheit der Techniker und Ingenieure bei der nächtlichen Ankommens-Party in einem nahegelegenen Strand-Café zeigt, dass die Aufgaben zu bewältigen sein werden.

An-Bord-Reporter Antoine Auriol kam zum Feiern, wie er von Bord gegangen war: in Segelshorts und T-Shirt – ganz der Abenteurer, der er ist. Er sagte, er fühle sich fast ausgeruhter als vor dem Start. “So anzukommen, voller neuer Eindrücke, mit viel neuer Energie – das hab ich mir zum Ziel gesetzt.” Sein schönster Moment auf See war, einem Albatros zuzuschauen, wie er im Seegang knapp über dem Wasser fliegt. “Bisher dachte ich immer, ich will mal als Delphin wiedergeboren werden; jetzt lieber als Albatros.”

Nebenan feierten Paul Meilhat und sein Team Biotherm, das die Etappe von den Kapverden bis Kapstadt auf Platz zwei beendet hatte, in weit kleinerer Runde. Die Franzosen werden ihr Boot nicht an Land stellen, wohl aus Budgetgründen.

Den glücklichsten Abend wird wohl Susann Beucke verbracht haben. Mit Kevin Escoffiers Team “Holcim – PRB” hat sie gleich ihre erste Etappe auf einem Imoca gewonnen. Im YACHT-Interview sprach sie offen auch über die herberen Momente an Bord (hier klicken!).

Bei der Zielankunft aber war ihr von den Strapazen nichts mehr anzumerken. Sie sprang wie elektrisiert vom Boot und meldete sich erst später per Whatsapp bei YACHT online über die Gefühle, mit denen sie jenen Sieg erlebte, der ihr Team nach zwei gewonnenen Etappen zur klaren Nummer eins macht:

Es war ein superemotionaler Moment, heute einzulaufen. Die Etappe war viel härter, als ich es erwartet habe. Es ist wirklich etwas Spezielles, dieses Ocean Race: Es bringt alles an Emotionen hervor. Dass wir heute mit dem Sieg abschließen durften, freut mich ganz besonders.”

Wir bleiben vor Ort für sie dran und berichten in den kommenden Tagen vom Fortgang der Refit-Arbeiten an den Booten, von den Schäden, von der Crew-Wahl für das anstehende 12.750-Seemeilen-Stück bis Itajaí und mehr!