The Ocean RaceRiss im Mast – Team Malizia plant Reparatur auf See

Jochen Rieker

 · 01.03.2023

The Ocean Race: Riss im Mast – Team Malizia plant Reparatur auf SeeFoto: Team Malizia/R. Kuiper
Vom Spifall wie durchgesägt. Masttopp von “Malizia - Seaexplorer” mit dem Riss, der knapp über den Wanten endet. Am Donnerstag wird die Crew Carbon-Flicken auflaminieren

Die schlechten Nachrichten aus dem Southern Ocean reißen nicht ab: Nach dem Code-Zero-Verlust am Vortag entdeckte Boris Herrmanns Team Malizia einen Riss im oberen Mastbereich. Die gute Nachricht: Er kann mit etwas Glück repariert werden

Es sollte ihre Etappe werden. Für den Southern Ocean ist “Malizia – Seaexplorer” optimiert. Tief im Südatlantik hat sie schon auf der zweiten Etappe bewiesen, dass sie bei Wind und Welle nahezu unschlagbar ist. Doch jetzt haben gleich zwei herbe Rückschläge die Siegchancen erheblich dezimiert.

Erst fiel der Code Zero ins Wasser, weil ein Fallenschloss ungewollt geöffnet hatte. Die Crew um Boris Herrmann konnte nur dadurch Folgeschäden am Boot verhindern, dass sie das mehrere Zehntausend Euro teure und sehr wichtige Segel freischnitt.

Was Rosalin Kuiper beim Check des One-Design-Masts entdeckte, war aber weitaus gravierender. Das Topp-Fall musste nach dem Öffnen des Fallenschlosses für kurze Zeit die gesamte Last des Code Zero tragen. Dabei zersägte es die Vorderseite des Flügelriggs auf 26 Zentimeter Länge regelrecht . Nur mehr in Schleichfahrt bewegt sich seither die Crew ostwärts, phasenweise loggte sie nur rund 3 Knoten.

Nur langsam ostwärts. “Malizia – Seaexplorer” loggte am späten Mittwochabend unter Minimalbesegelung nur noch 3,4 Knoten, während “Holcim – PRB” und “11th Hour Racing” mit einem Vielfachen an Fahrt entschwindenFoto: The Ocean Race Tracker/Geovoile
Nur langsam ostwärts. “Malizia – Seaexplorer” loggte am späten Mittwochabend unter Minimalbesegelung nur noch 3,4 Knoten, während “Holcim – PRB” und “11th Hour Racing” mit einem Vielfachen an Fahrt entschwinden

Belastbar ist der Mast einstweilen nur bis zum Anschlagpunkt der Wanten, deren Loops im Foto rechts und links zu sehen sind. Heißt: Maximal kann “Malizia – Seaexplorer” derzeit die Arbeitsfock (J2) und das Groß im ersten Reff fahren – eine Konfiguration für 25 bis 30 Knoten Wind, nicht aber für die 5 bis 10 Knoten, die laut Prognose derzeit im Seegebiet herrschen, in dem das deutsche Boot unterwegs ist.

In einem Video von Bord erklärt Boris Herrmann den Schaden und wie die Crew beim ersten Licht morgen Früh an die Reparatur gehen will. Er spricht – eine Ausnahme – diesmal auf Deutsch, und man kann ihm die Enttäuschung anmerken. Gleichzeitig wirkt er gefasst und vermag über die augenblickliche Situation hinauszudenken, was Stärke und Größe zeigt.

Nach Konsultationen mit den Konstrukteuren, Mastbauern und dem Technikteam sieht der Reparaturplan vor, die Stelle um den Riss zunächst anzuschleifen, was in rund 26 Meter Höhe auf dem offenen, heute noch stark bewegten Indischen Ozean an sich schon eine harte Aufgabe ist. Danach aber folgt erst der wirklich knifflige Teil.

Rosalin Kuiper muss mehrere vorher getränkte und übereinander platzierte Lagen Carbon-Gelege aufbringen. Anschließend muss sie diese mit einer Rolle sorgfältig entlüften, um eine wirklich tragfähige Verbindung zu gewährleisten. Einmal von einer Welle aus der Bahn geworfen – und die ganze Vorarbeit kann dahin sein. Wie Team-Direktorin Holly Cova soeben mitteilte, sei sie aber zuversichtlich, dass sie den Drahtseilakt schaffe. Und ohne Zweifel fehlt es der Holländerin nicht an der nötigen Entschlossenheit.

Gelingt die Reparatur, muss das Laminat mehrere Stunden aushärten, um die volle Festigkeit zu erreichen. Im Idealfall reicht das Kohlefaser-”Pflaster”, um den Mast auf seine ursprüngliche Festigkeit zu bringen, sodass “Malizia – Seaexplorer” das Rennen wieder voll aufnehmen kann. Falls nicht, wird das Team wie jetzt stark gerefft segeln müssen.

In jedem Fall aber wird die Leistungsfähigkeit leiden.

Schon der Verlust des Code Zero tut weh. Ein Imoca darf während einer laufenden Etappe nur mit maximal acht Segeln unterwegs sein. Davon zählen vier zur Standardgarderobe: Groß, Sturmfock, Fock 3 und Fock 2. Bleiben vier fliegende Segel für Halbwind- und Raumschotskurse. Von diesen vier fehlt bereits eines, der zerschnittene Code Zero; das sind 25 Prozent.

Unklar ist aber, ob das Topp-Fall nach der Notreparatur auf See überhaupt wieder nutzbar sein wird. Falls nicht, fehlt auch der Code3, der für leichtere Bedingungen in den Übergängen zwischen zwei Tiefs wichtig ist. Dann wären 50 Prozent der großen Segel unbrauchbar und nur der FRO (ein am fraktionalen Fall gefahrener Code Zero) sowie der Starkwind-Spi bleiben der Crew noch. Das wäre ein herber Schlag. Denn für das recht schwere Boot würde es unmöglich, mit den anderen Konkurrenten mitzuhalten.

Allerdings kommt Malizia hier das Pech von Guyot Environnement – Team Europe entgegen, das wegen eines Laminatbruchs im Rumpfboden Kapstadt anlaufen und möglicherweise die gesamte Etappe abhaken muss. Würden Boris Herrmann und seine Crew zwar langsam, aber sicher durch Etappe drei kommen, die doppelt zählt, könnten sie immer noch mindestens vier Punkte mitnehmen.

Einstweilen aber herrscht Zuversicht im Team, dass die Reparatur gelingt und die Beeinträchtigung geringfügiger ausfällt.

Anmerkung der Redaktion: In der Ursprungsfassung dieses Berichts war von einem Schaden durch das fraktionale Fall die Rede. So war auch die Nachricht von Team gestern Abend zu verstehen. Tatsächlich ist der Spalt im Mast aber durch das Topp-Fall verursacht worden, wie wir inzwischen von Bord der Malizia erfahren haben. Wir haben dies entsprechend korrigiert.