The Ocean RaceDalin kommt, “Holcim – PRB” schwimmt, Illbruck wünscht Glück

Tatjana Pokorny

 · 19.05.2023

Alles Gute für Team Malizia wünscht Ocean-Race-Sieger Michael Illbruck der Crew um Skipper Boris Herrmann
Foto: Team Malizia

Nach Titelverteidiger Charles Caudrelier steigt nun auch der Vendée-Globe-Zweite Charlie Dalin in den Ocean-Race-Ring. Während “Holcim – PRB” nach der Hochzeit von Boot und Ersatzmast wieder schwimmt, prüft Team Guyot weiter alle Comeback-Optionen. Team Malizia ist in bester Angriffslaune. Ocean-Race-Sieger Michael Illbruck drückt die Daumen

Zwei Tage vor dem Start zur fünften Ocean-Race-Etappe ist im amerikanischen Hafen Newport viel Bewegung ins Kräftemessen der Teams gekommen. Nach der Bekanntgabe von Charles Caudreliers Einsatz für Team Holcim – PRB hat auch Charlie Enrights US-Team 11th Hour Racing einen prominenten Neuzugang für den 3.500-Seemeilen-Abschnitt von Newport ins dänische Aarhus vermeldet.

“Doppel-Charly” für 11th Hour Racing

Imoca-Könner Charlie Dalin wird das amerikanische Team auf dem Kurs zurück nach Europa verstärken. Was sich Skipper Charly Enright aus Newport vom Einsatz seines Namensvetters verspricht? Enright sagt über Dalin: “Seine Erfolgsbilanz als einer, wenn nicht sogar der erfolgreichste Offshore-Segler der vergangenen Jahre spricht für sich selbst. Er war in den letzten Jahren unser Stallgefährte bei MerConcept, und wir hatten das Vergnügen, in der Vergangenheit mit ihm zu segeln. Nur noch nicht im Rahmen eines Wettbewerbs. Ich freue mich sehr darauf, ihn bei dieser doppelt gewerteten Etappe mit an Bord zu haben."

Dalin selbst sagte: “Ich danke dem 11th Hour Racing Team für diese großartige Gelegenheit, mit ihnen die nächste Etappe des Ocean Race zu bestreiten. Es wird eine wunderbare Erfahrung sein. Ich kenne das Team gut, da wir bei der Entwicklung unserer jeweiligen Boote unter dem Dach von MerConcept viel zusammengearbeitet haben. Ich bewundere die Energie, die für das Projekt und das Ocean Race eingesetzt wird.”

Team Holcim – PRB nach erfolgreicher “Hochzeit” von Boot und Mast optimistisch

Bereits am 17. Mai konnte das Publikum im Ocean Live Park in Newport die Ankunft des Frachtschiffs beobachten, auf das “Holcim – PRB” am 3. Mai in Rio de Janeiro verladen worden war. Der Imoca vom Team um Kevin Escoffier wurde gegen 19.30 Uhr Ortszeit zu Wasser gelassen und befindet sich nun wieder in den Händen der Techniker im Team Holcim – PRB. Am Donnerstagmorgen wurde der neue Mast, der bereits eine Woche zuvor aus Lorient eingetroffen war, auf “Holcim – PRB” gesetzt. Damit waren sowohl die Teilnahme am Hafenrennen am Samstag als auch an Etappe fünf in greifbare Nähe gerückt.

Kevin Escoffier sagte: “Die Ankunft des Bootes in Newport ist der zweitgrößte Schritt nach der Ankunft des Mastes. Aber es ist noch lange nicht vorbei. Wir müssen die Segel, die Takelage und all die anderen Dinge anpassen. Dass das Boot pünktlich und sogar ein bisschen früher angekommen ist als erhofft, ist ein großer Pluspunkt. Wir setzen unsere Reise in Richtung unseres Hauptziels fort: Das ist der Start in Etappe fünf am 21. Mai.”

Guyot-Entscheidung über Comeback bleibt vorerst offen

Für Holcim – PRBs Technik-Direktor Loïc Féquet ist die nun wieder ganz nah gerückte Aussicht auf die Teilnahme an der kommenden Etappe ein großer Team-Erfolg: “Das ganze Team ist seit dem Mastbruch mobilisiert worden, wirklich alle! Wir mussten uns sehr schnell organisieren, um mit diesem Missgeschick fertig zu werden. Wir mussten innerhalb weniger Tage eine Menge Entscheidungen treffen. Wir haben es geschafft! Wir sind noch nicht am Start der Etappe, aber die Chancen stehen gut, dass wir es schaffen werden.”

Für Team Guyot indessen ist die Lage nach dem späten Mastbruch auf Etappe vier ungleich schwieriger. Klar ist nur, dass das Boot verladen wurde und am Wochenende per Frachtschiff nach Europa geschickt wird. Ob und wann die Mannschaft um den französischen Skipper Ben Dutreux und den Berliner Co-Skipper noch einmal ins 14. Ocean Race eingreifen kann, bleibt weiter ungewiss. Das Team hat seine Entscheidung über einen möglichen Wiedereinstieg auf die kommende Woche vertagt. Finanzielle Überlegungen und zeitliche Zwänge spielen mitentscheidende Rollen in den Planspielen des französisch-deutschen Teams.

Wir haben alles, um das Rennen zu gewinnen” (Boris Herrmann)

Solche Sorgen hat Boris Herrmanns Team Malizia nicht. Der Skipper ist in dieser Woche wieder zu seinem Team in Newport gestoßen und signalisiert viel positive Energie, Zuversicht und Angriffslust. “Die fünfte Etappe ist eine spannende Etappe”, erklärt Skipper Boris Herrmann. “Es ist eine ikonische Hochseeregattaetappe.” Herrmann sieht das Ocean Race auf Erfolgskurs: “Derzeit könnte es für unser Team und für das Rennen insgesamt nicht besser laufen. Wir liegen jetzt gemeinsam mit dem 11th Hour Racing Team auf dem zweiten Platz, nur einen Punkt hinter dem Team Holcim – PRB, also fast punktgleich. Wir haben alles, um das Rennen zu gewinnen.”

Im Gespräch mit YACHT online teilte Boris Herrmann mit Blick auf die Zwischenstände seine Chancenbewertung: “Sowohl Kevin Escoffier als auch Charlie Enright und ihre Teams pushen ihre Boote sehr hart. Beide gehen in unseren Augen ein bisschen zu hart zur Sache.” Lächelnd fügte Herrmann hinzu: “Deshalb machen sie Sachen kaputt – und wir gewinnen am Ende.”

Team Malizia mit bewährten Aktivposten und Eliès statt Lunven

Auf Etappe fünf wird Skipper Boris Herrmann von Yann Eliès begleitet, während Navigator Nico Lunven pausiert. Der Franzose war bereits auf der zweiten Etappe für den damals verletzten Boris Herrmann eingesprungen, kennt “Malizia – Seaexplorer” also schon gut. “Yann und ich sind eigentlich noch nie zusammen gesegelt”, so Boris Herrmann. Und weiter: “Ich freue mich sehr, ihn an Bord zu haben, er bringt eine Menge Erfahrung in das Team ein.” Der britische Co-Skipper Will Harris und die holländische Co-Skipperin Rosalin Kuiper sowie Bordreporter Antoine Auriol, die bislang alle Etappen absolviert haben, machen Team Malizia für Etappe fünf komplett.

“Ich übernehme die Rolle des Navigators und der Wettervorhersage”, fügt Yann Eliès hinzu. “Nico hat bisher hervorragende Arbeit geleistet, sodass natürlich ein gewisser Druck vorhanden ist. Aber ich habe den Atlantik schon mehr als 20 Mal überquert. Weniger oft in Richtung Europa, aber ich kenne die Strecke trotzdem recht gut. Was Boris, Will und Rosie betrifft, so kennen sie das Boot sehr gut. Jedes Mal, wenn sie segeln, wird das Boot schneller. Das Team befindet sich wirklich auf einem guten Weg, und deshalb freue ich mich umso mehr, wieder mit ihnen zu segeln.”

Kann “Malizia – Seaexplorer” ihre Stärken auf der Transatlantik-Etappe ausspielen?

Team Malizia blickt einer Etappe entgegen, die der robusten “Malizia – Seaexplorer” entgegenkommen sollte. Deswegen sagt Boris Herrmann: “Die nächste Etappe hat die höchste statistische Chance auf starke Wellen und Winde, und da sind wir definitiv stärker als andere Teams. Mir gefällt, dass es auf der nächsten Etappe doppelte Punkte gibt, und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir eine gute Leistung erbringen und ein gutes Gesamtergebnis erzielen können.”

Nach dem Etappenstartschuss vor Newport steht den Seglern und Seglerinnen ein fordernder und abwechslungsreicher Abschnitt bevor. “Zum Auftakt werden wir mit den lokalen Auswirkungen des warmen Golfstroms zu kämpfen haben”, erklärt Yann Eliès. “Das ist eine ziemlich starke Strömung, die an der Küste entlangfließt und die Wettervorhersagen verändert, die in diesen Gebieten nie besonders gut oder genau sind.” Will Harris fügt hinzu: “Dort bilden sich die nordatlantischen Tiefdruckgebiete. Im Idealfall versucht man, einen dieser Stürme zu erwischen.”

Kälte und Nebel auf dem Weg ins Heimatrevier

Auf dem Weg dorthin wird die Flotte Neufundland passieren, wo es kalt und neblig sein wird. “Dann kommt das Eistor, eine von den Organisatoren des Rennens auferlegte Sperrzone, in die wir nicht einfahren dürfen, um Eisberge zu vermeiden”, sagt Yann Eliès. “Wir werden wahrscheinlich sehr weit nach Norden fahren, bis etwa 60 Grad Nord, nicht weit von Island entfernt, wo das Tageslicht zu dieser Jahreszeit 20 Stunden oder länger anhält. Sobald wir den Norden Schottlands hinter uns gelassen haben, werden wir mehr an der Küste segeln, wobei wir einige Ölplattformen und Windparks umgehen müssen.”

Boris Herrmanns Vorfreude auf die Rückkehr nach Europa, wo zum Ende der Etappe auf Kurs Aarhus die Nordsee und das Kattegat warten, ist groß: “Endlich kommen wir in meine Heimatgewässer, die Ostsee! Diese Etappe ist sehr abwechslungsreich und wird ein Sprint im schnellen Rhythmus über den Atlantik.” Glück dafür wünschte in Newport auch Michael Illbruck. Der Sohn von Segelpionier und “Pinta”-Admiral’s-Cup-Sieger Willy Illbruck gewann das Ocean Race 2001/2002 mit der “illbruck Challenge” als erster und bislang einziger Deutscher.

Noch sind 45 Prozent der Ocean-Race-Punkte zu haben

Wie wichtig die insgesamt drei noch verbleibenden Etappen für alle Teams sind, erläuterte Rosie Kuiper in Newport: “Wir haben 80 Prozent der Meilen gesegelt, aber es sind noch 45 Prozent der Punkte zu vergeben. Wir sind superhungrig, jeder spürt diese Energie. Dieser Vorwindabschnitt könnte unsere Etappe werden. Wir wissen, dass unser Boot schnell ist. Wir sind sehr begierig darauf loszulegen. Ich freue mich auch sehr darauf, nach Europa zu segeln. Es war ein großes Abenteuer rund um die Welt, aber die europäischen Gewässer kenne ich am besten, und ich freue mich darauf, sehr bald nach Hause zu segeln." Mit “zu Hause” spielt Rosie Kuiper auf Etappe sechs der insgesamt sieben Ocean-Race-Abschnitte an, die das Feld von Aarhus via Fly-by in Kiel am 9. Juni weiter nach Den Haag führen wird.

Vor dem Start der fünften Etappe am Sonntag wird die Imoca-Flotte am Samstag zunächst das In-Port-Rennen bestreiten. Obwohl die Punkte der In-Port Racing Series nicht in die Gesamtwertung des Rennens einfließen, könnten sie von mitentscheidender Bedeutung für den Ausgang des Ocean Race sein. Denn im Fall von Punktgleichheiten in der Ocean-Race-Wertung dienen sie als Tiebreaker. Das In-Port-Rennen in Newport beginnt am Samstag (20. Mai) um 14.10 Uhr Ortszeit, was 20.10 Uhr deutscher Zeit entspricht.

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