Lars Bolle
· 16.04.2021
Das Offshore Team Germany (OTG) geht bei der ersten Auflage des The Ocean Race Europe (TOR Europe) Ende Mai an den Start
Unter der Führung von Skipper Robert Stanjek wird sich das Team mit anderen Profi-Mannschaften der internationalen Offshore-Szene aus den Klassen der Imoca und VO65 messen. Am 29. Mai fällt vor Lorient/Frankreich der Startschuss zum Drei-Etappen-Rennen bis nach Genua/Italien. Das Rennen ist für die derzeit führende Offshore-Klasse, die Imoca Open 60, der Start ins Team-Segeln und der nächste Höhepunkt im Regatta-Kalender nach dem Abschluss der Vendée Globe. Zugleich ist das TOR Europe so etwas wie eine Generalprobe für das 2022 geplante TOR in Etappen um die Welt, die Nachfolgeveranstaltung des Whitbread Round the World Race und späteren Volvo Ocean Race. Sollte es dem deutschen Team gelingen, wäre erstmals seit 20 Jahren, seit dem legendären Sieg der „illbruck“, wieder ein deutsches Team am Start dieser inoffiziellen Hochsee-Segelmeisterschaft.
„Ich freue mich, dass es jetzt tatsächlich real wird und endlich losgeht“, sagt Robert Stanjek, der nach seiner Olympia-Teilnahme 2012 im Starboot (Platz sechs mit Fritjof Kleen) zum Hochseesegeln gewechselt ist und nun vor der größten Herausforderung seiner zweiten Segelkarriere steht. „Der Stellenwert des The Ocean Race steht für mich auf einer Stufe mit Olympia. Und die Vorbereitungen haben ähnliche Ausmaße wie eine komplette Olympia-Kampagne – auch wenn die Aufgaben noch wesentlich vielfältiger sind.“
Fast neun Jahre nach Olympia erfüllen sich damit die Hoffnungen von Robert Stanjek: „Das Ocean Race ist mein großer Traum, und die Teilnahme an der ersten Ausgabe des The Ocean Race Europe ist eine fantastische Möglichkeit. Uns ist sehr bewusst, dass wir das Rookie-Team sind. Aber wir werden alles geben und den anderen einen harten Wettkampf liefern.“
Für OTG-Teammanager Jens Kuphal löste sich mit dem Absenden der Meldung an das The Ocean Race die Anspannung nach jahrelanger Arbeit: „Was für ein großartiger Moment. Wir haben vor fünf Jahren angefangen, an diesem Projekt zu arbeiten. Aber wir mussten im Pandemie-Jahr 2020 eben auch erleben, dass die Entwicklung eines solchen Projekts eben nicht immer nur von einem selbst abhängt. Umso glücklicher sind wir, dass es jetzt tatsächlich an den Start gehen wird.“
Das OTG hat die Ex-„Acciona“, die an der Vendée Globe 2012/13 teilgenommen hatte, gekauft und aufwändig umgebaut (die YACHT war an Bord, siehe Video am Ende). Die Teilnahme am Rolex Fastnet Race 2019 war die erste Bewährungsprobe für das Team.
Die Vendée Globe und vor allem der große Erfolg von Boris Herrmann haben dem Offshore-Segeln in Deutschland sportlich und medial einen gehörigen Schub verliehen, der nun genutzt werden soll. „Wir nehmen durch die Vendée natürlich die gesteigerte Aufmerksamkeit wahr. Aber es ist nicht zu leugnen, dass die Corona-Pandemie die Möglichkeiten der Sponsoren-Gewinnung nicht vereinfacht hat“, sagt Michael End, CEO des Offshore Team Germany. „Auch zum Rennen werden uns natürlich die Möglichkeiten des Miterlebens, die Zuschauer, die Hospitality fehlen. Aber wir sehen in dem Europa-Rennen auch eine große Chance und bekommen dadurch ein Gefühl für das Weltrennen im kommenden Jahr.“
Die Crew wird neben den beiden Deutschen Robert Stanjek und Phillip Kasüske auch mit internationalen Seglern besetzt. Die zweimalige britische Weltumseglerin Annie Lush bringt Ocean-Race-Erfahrung ins Team, die Position des Navigators wurde noch nicht bekannt gegeben.
Nach der Überführung der „Einstein“, so der Name des OTG-Bootes, von England nach Frankreich sind für die Mannschaft intensive Trainingseinheiten in der Biskaya geplant, bevor die konkrete Vorbereitung auf das Rennen beginnt. „Die Situation gibt uns nicht viel Zeit. Wir haben bis hierher unsere Hausaufgaben gemacht, müssen das Schiff aber nach der langen Ruhephase und der technischen Überprüfung zum Anfang dieses Jahres noch genau prüfen. Danach werden wir in der neuen Crewkonstellation weitere Meilen und wichtige Erfahrungen sammeln. Mit nur vier Seglern an Bord wird es besonders auf ein gutes Wachsystem ankommen. Das gilt es noch zu erproben. In jedem Fall wird es sicher auch für die anderen Teams sehr spannend. Denn es ist das erste sportliche Aufeinandertreffen der Imoca- mit der Ocean-Race-Welt. Viele Augen werden sich darauf richten“, sagt Robert Stanjek. Trotz der Olympia-Karriere ist der 39-jährige Berliner extrem gespannt: „Es ist unser erster Auftritt in der Champions League des Offshore-Segelns!“
Die YACHT an Bord des Offshore Team Germany
Auch Boris Herrmann hatte Ambitionen für eine Teilnahme, die nun jedoch abgesagt. Sein Schiff steht zum Verkauf – er habe „schlicht kein Boot derzeit“. Dafür liefen die Vorbereitungen bei ihm für die Planung der nächsten Vendée-Globe-Kampagne auf Hochtouren.