Ocean Race EuropeVeranstalter Brisius: “Kiel ist das deutsche Segeldrehkreuz”

Tatjana Pokorny

 · 15.02.2024

Begeisterte Zuschauer beim Ocean-Race-Fly-by in Kiel im Sommer 2023
Foto: Moritz Becker/Team Malizia
Richard Brisius kennt das Ocean Race wie kein Zweiter. Der Schwede hat das bekannteste Mannschaftsrennen um die Welt auf allen Ebenen erlebt und mitgestaltet: 1989 („Gatorade“) und 1994 („Brooksfield“) als Segler, später als Teamchef und jetzt als Miteigentümer und Veranstalter. Im Interview beleuchtet Richard Brisius Kiels neue Rolle als Starthafen für das Ocean Race Europe, Boris Herrmanns besondere Stärken und die Imoca-Klasse im Aufwärtstrend.

Herr Brisius, es gab auch andere Optionen und Bewerber – warum hat Kiel den Zuschlag als Starthafen für die zweite Auflage des Ocean Race Europe erhalten?

Es waren mehr als 25 Städte interessiert daran, ein Hafen für das Ocean Race Europe zu werden. Aber für uns ist Kiel das Segeldrehkreuz in Deutschland. Und Deutschland wiederum ist so ein starker Halt in Europa. In diesem Rennen geht es darum, Europa zusammenzubringen. Von Deutschland aus zu starten ist also wunderbar.

Womit konnten die Kieler noch punkten?

Genauso wichtig ist Kiels Hunderte Jahre altes Segelerbe. Die Erfahrung, die Leidenschaft und die Professionalität der Stadt und der Veranstalter vor Ort. Sie haben einen starken Stammbaum, wissen, was gut ist. Das gefällt mir. Wir fordern uns gegenseitig heraus, um die Dinge großartig zu gestalten.

Hinzu kommt, dass die deutschen Teams dem Ocean Race bei der letzten Auflage ein enormes Interesse beschert haben. Allen voran Boris Herrmanns Team Malizia, aber auch das Team Guyot …

Ja, es ist außergewöhnlich, wie sehr das Interesse gewachsen ist. Natürlich ist das vor allem den deutschen Seglern im Rennen zu verdanken: Boris Herrmann, seinem Team und anderen. Und es werden mehr kommen. Ich hoffe, wir erleben eine neue Ära deutscher Seesegler. So funktioniert es ja: Sie werden inspiriert, wollen mitmachen …

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Außer Kiel ist bislang nur Genua als ein Hafen für das Ocean Race Europe bekannt. Gibt es eine maximale Anzahl von Häfen für das Rennen?

Wir streben inklusive Kiel insgesamt sechs oder sieben Häfen an. Bei der Bootsausstellung in Genua hat der Bürgermeister bereits im vergangenen September gesagt, dass sie das Ocean Race Europe wieder begrüßen werden.

Es ist aber noch nicht klar, ob Genua Zwischenstopp oder Zielhafen sein wird?

Nein, das ist noch nicht entschieden. Und von den anderen Kandidaten kann ich noch keinen nennen. Aber Ziel ist es, die großen europäischen Nationen und ein, zwei Länder mehr zu besuchen.

Wann werden wir die gesamte Route mit allen Häfen für das Ocean Race Europe kennen, die bei ihrer zweiten Edition voraussichtlich doppelt so lang sein wird wie noch bei der Premiere 2021?

Dieses Jahr noch. Es würde mich überraschen, wenn es nicht sogar in der ersten Jahreshälfte so weit sein wird. Ich bin aber jetzt schon sicher, dass es ein sehr schönes Rennen im europäischen Sommer wird!

Die Stadt Kiel, das Land Schleswig-Holstein und weitere Partner stecken rund zwei Millionen Euro in ihr Engagement als Starthafen für das Ocean Race Europe. Wie sehr profitiert das Rennen selbst davon?

Bei diesem Rennen wird alles reinvestiert, fließt in die Organisation, die Produktion, Überführungen, den medialen Bereich und weitere. Kiel kann mit viel Professionalität und Zuverlässigkeit beitragen. Das haben wir auch auf der Haben-Seite.

Ist jeder Hafen im Ocean Race Europe 2025 automatisch auch ein Hafen-Kandidat für The Ocean Race mit Start im Januar 2027?

Ja, per Definition. Aber nicht, weil sie Teil des Ocean Race Europe sind, sondern weil sie insgesamt geeignet sind.

Also wäre Kiel auch ein Kandidat fürs nächste Ocean Race im Jahr 2027?

Hundertprozentig. Kiel ist immer ein Kandidat.

Das Ocean Race Europe wird wie das nächste Ocean Race selbst nur noch auf Imocas bestritten. Warum ist diese Klasse, die auch als Synonym für die Vendée Globe gilt, so erfolgreich?

Ich denke, die Klasse wird gut gemanagt. Sie ist im Gegensatz zu Einheitsklassen, die technisch meist ein Verfallsdatum haben, eine Entwicklungsklasse. Sie entwickelt sich mit technologischen Fortschritten weiter. Die Klasse hatte zwischenzeitlich auch einmal ein Management-Problem, wäre fast gekippt. Aber sie haben es geschafft, die Klasse weiter voranzubringen und den Wert der Boote zu erhalten. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Denn normalerweise verlieren Rennboote nach einer Zeit ihren Wert. Bei den Imocas ist das nicht der Fall. Es gibt einen starken Gebrauchtbootmarkt.

Weil die Klassenregel smart weiterentwickelt wird und die älteren Boote gut einbindet?

Das ist eine der guten Eigenschaften: Die alten Boote können weiter mitsegeln. Die Klassenregel wird entsprechend gestaltet.

Wie sehen Sie Boris Herrmann nach seinem ersten Ocean Race mit Team Malizia?

Was Boris hat, ist diese Fähigkeit, ein Team großartiger Leute zusammenzustellen. Das Ocean Race ist eine absolute Teamherausforderung. Auf dem Boot und an Land. Boris ist eine Führungspersönlichkeit, mit dem die Leute offensichtlich gern zusammenarbeiten. Er gibt Menschen den Raum zu wachsen. Das ist eine starke Eigenschaft. Darüber hinaus ist er sehr leidenschaftlich und superklar in seiner Ausrichtung: Er liebt den Sport, er liebt das Meer. Und er ist auch sehr gut auf der organisatorischen Business-Seite. Er weiß gute Partnerschaften zu kreieren und sie zu bewahren. Auch das ist fundamental.

Sehen Sie weitere deutsche Teams für das Ocean Race Europe und auch das Ocean Race selbst am Horizont?

Das ist eine gute Frage! Nach den Neuigkeiten zu Kiel wird vielleicht ein Team vortreten und das machen wollen. Das Ocean Race Europe ist eine gute Bühne zum Einstieg ins Ocean Race. Die Einstiegshürde ist niedriger, die Budgets kleiner, das Programm kürzer, das Segeln leichter.

Also bietet das Ocean Race Europe eine gute Bühne für den Einstieg späterer Ocean-Race-Teams?

Ja, ganz definitiv. Es sitzt auch gut im Imoca-Rennkalender. Du hast die Vendée Globe von November dieses Jahres bis zum Februar 2025. Dann ist noch ein halbes Jahr Zeit bis zum Ocean Race Europe.

Was nicht weniger fordernd ist, nur weil es statt mit Solisten mit Crews ausgetragen wird …

Genau. Es ist sehr intensiv. Etwa wie mehrere Rund-Gotland-Rennen hintereinander. Es wird pro Etappe zwei, drei Tage extrem intensiv gesegelt. Ich erinnere mich an die Premiere des Ocean Race Europe 2021, als die Crews von der ersten Etappe in Cascais ankamen. Der mehrfache Weltumsegler Joca Signorini sagte mir, dass es die härtesten Segeltage waren, die er je erlebt hat. Er war als Coach einer neuen Crew dabei und die ganze Zeit an Deck. Aber er hat es auch extrem genossen.

Es gibt auch Imoca-Solisten wie beispielsweise Isabelle Joschke, die sich nicht so sehr fürs Teamsegeln begeistern können. Reden Sie auch mit solchen Teams darüber, ob sie Ihr Boot vielleicht anderen Teams für das Ocean Race Europe zur Verfügung stellen?

In der Theorie schon. Es wird über Joint Ventures gesprochen. Das Interesse ist da. Aber es hängt natürlich davon ab, wie es mit einem Boot und den Verantwortlichkeiten funktioniert. Es ist vorstellbar, dass hier zwei unterschiedlich ausgerichtete Teams zusammenkommen, um die jeweils bevorzugten Events zu bestreiten. Das könnte funktionieren. Aber es ist kein Selbstgänger, sich mal eben einen Imoca für ein Teamrennen zu leihen. Das ist keine mal so eben zu übernehmende Ware. Du musst dich auskennen, dich gut vorbereiten und trainieren …


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