Gerade quälte sich die Flotte auf der fünften und letzten Etappe im Ocean Race Europe noch durch die bleierne Flaute. Doch in der vergangenen Nacht konnte sie endlich Tempo aufnehmen. Insbesondere Team “Holcim-PRB” strebte am Dienstagmorgen mit Geschwindigkeiten jenseits der 30 Knoten nach Süden, musste sich nach dem versuchten Alleingang aber im führenden Quintett wieder hinten einreihen. Das Schweizer Team hatte sich am frühen Dienstagmorgen östlich von “Paprec Arkéa”, “Allagrande Mapei”, “Malizia – Seaexplorer” und “Biotherm” positioniert, war den zu passierenden Inseln Korsika und Sardinie etwa näher geblieben, wurde dafür aber zunächst nicht belohnt.
Den Lohn für ihre westliche Position und konzentriertes Flautensegel kassierte Yoann Richommes “Paprec Arkéa” und Ambrogio Beccarias Team Allagrande Mapei Racing, die beim Wertungstor auf dem Breitengrad von Santo Stefano die Bonuspunkte abräumten: zwei holte “Paprec Arkéa”, einen die Azzurri. Im Pech war Team Malizia: Boris Herrmanns Crew verpasste die Bonuspunkte als drittes Boot 12 Minuten und 43 Sekunden nach den Italienern knapp.
Mit den Bonuspunkten verkürzte Team Paprec Arkéa den Rückstand auf die führende “Biotherm” (41 Punkte) im Zwischenklassement des Ocean Race Europe bei nun 31 Punkten auf zehn Zähler. Team Allagrande Mapei Racing rückte mit nun 20 Punkten dem vor sich auf Platz drei liegenden Team Holcim-PRB (27,3 Punkte) mit Skipperin Rosalin Kuiper noch etwas näher. Weitere maximal 14 Punkte sind im Europa-Rennen für die Siege in der laufenden fünften Etappe und beim Küstenrennen im Revier des Zielhafens Boka Bay noch zu haben – es bleibt also Luft für Last-Minute-Angriffe und Überraschungen.
Im Fünfkampf hatten die Tempomacher vorne dann in den ersten Dienstagmorgenstunden schnell 25 Knoten Speed und mehr erreicht. Dabei hatte die Crew auf “Paprec Arkéa” die Führung sowohl in der hartnäckigen Flaute vor der französischen Küste als auch beim schnellen Antritt verteidigt. Allerdings nur knapp, denn der Vorsprung vor “Allagrande Mapei” betrug beim Wertungstor Santo Stefano weniger als eine Minute.
“Malizia – Seaexplorer” verpasste die Bonuspunktvergabe als erste Verfolgerin, nachdem sich die Flotte in der XL-Flaute entlang der französischen Küste von Nizza bis zu den Îles du Levant vorgearbeitet hatte. „Es ist nicht einfach – wir haben nicht viel geschlafen, und der fehlende Wind brachte viele Wendemanöver, Segelwechsel und Halsen“, hatte Team Malizias Co-Skipper Will Harris die Herausforderungen des extremen Leichtwindsegelns erklärt, die sein Team konzentriert gemeistert hatte.
„Der Tag war im Grunde genommen ein kleines taktisches Küstenrennen, bei dem wir mit dem Wind spielten und uns näher an die Küste bewegten, um die thermische Brise zu erwischen“, sagte Yoann Richomme. Obwohl der Wind schwach gewesen sei, hätte es “immer einen kleinen Windhauch gegeben”, zog der “Paprec Arkéa”-Skipper Zwischenbilanz. „Es gab Zeiten, in denen es sehr schwach war... Wir wissen, dass wir dann am Ruder bleiben und so viel wie möglich trimmen müssen.“
„Es war ein Tag mit leichtem Wind, aber wir haben alle versucht, geduldig zu sein und jede kleine Böe zu nutzen“, erklärte “Holcim-PRB”-Navigator Nicolas Lunven das Spiel aus seiner Sicht. Der frühere Malizianer beschrieb die Flautenherausforderungen als “eine sehr subtile Art des Segelns“, die aber „auch sehr viel Spaß machen kann“.
Während Team Amaala und Canada Ocean Racing – Be Water Positive bei rund 50 und mehr als 100 Seemeilen Rückstand am Dienstagmorgen deutlich zurückgefallen waren, trennten die vorne miteinander ringenden fünf Crews am Dienstagmorgen gegen 10 Uhr nur 16, die ersten vier Teams gar nur sechs Seemeilen. Alle strebten dem Revier südlich von Sardinien entgegen, um die italienische Insel zu passieren und den nächsten Wegpunkt nördlich von Sizilien ins Visier zu nehmen.
„Wir wissen, dass wir in der richtigen Gruppe sind, aber die große Frage ist, wer zuerst den Wind erwischt und sich absetzen kann“, hatte Will Harris kurz vor der schnellen Tempoverschärfung in der Nacht gesagt. Dann waren die Geschwindigkeiten zum ersten Mal auf diesem Abschnitt von Genua in den Zielhafen Boka Bay explodiert. Ab 4 Uhr morgens konnten die Imocas auf ihren Foils abheben und auf über 25 Knoten beschleunigen. Team Malizia war dabei, als die Post abging, verteidigte in den sich häufig ändernden Positionen zuletzt seine Top-Drei-Position.
„Nachdem wir die Inseln bei Porquerolles hinter uns gelassen hatten, gelang es uns, die Tramontana zu erwischen, wodurch wir beschleunigen und eine lange, schnelle Strecke bis nach Barcelona genießen konnten”, berichtete Will Harris. Der Mittelmeerwind beflügelt die Flotte, doch die Freude über das befreite Fortkommen könnte von nur kurzer Dauer sein. Yoann Richomme warnte: „Morgen Abend sollten wir wieder leichte Winde haben!“ Kommt der erneute Bedingungswechsel, wird er nicht der letzte sein.