Ocean Race EuropeStresstest statt Abschiedsgala für Team Malizia

Tatjana Pokorny

 · 02.09.2025

Team Malizia auf Etappe vier.
Foto: Flore Hartout/The Ocean Race Europe 2025
​Das Ocean Race Europe ist nicht die erhoffte Abschiedsgala für und mit “Malizia – Seaexplorer”, bevor das Boot in neue Hände kommt. Die deutsche Imoca und ihre Crew tun sich schwer in den oft leichtwindigen und wankelmütigen Mittelmeerwinden. Auf Etappe vier ist ein Konkurrenz-Quartett weit enteilt.

​Etappe vier hatte für Team Malizia alles andere als schlecht begonnen. Zwar hatte die Mannschaft um Boris Herrmann am Wertungstor vor Monaco keine Bonuspunkte sammeln können, die Flotte im Ocean Race Europe aber danach am späten Abend nach dem Start sogar kurz angeführt. Das war am Sonntagabend. Inzwischen ist das nur noch eine schöne Erinnerung.

Ocean Race Europe: Harte Verluste für Team Malizia

Zwei Nächte und einen Tag später haben der Mix aus Reaching-Schwächen in leichteren Winden und nicht ganz glücklichen strategischen Entscheidungen Team Malizia auf Etappe vier im Ocean Race weit zurückgeworfen. An der Spitze des Feldes sind vier Boote enteilt. Am Dienstagmorgen rangen zuletzt Ambrogio Beccarias Team Allagrande Mapei Racing und die Schweizer “Hocim-PRB” ohne die planmäßig aussetzende Skipperin Rosalin Kuiper um die Führung.

Vorne im Power-Quartett wechseln die Positionen weiter häufig. Gegen 10 Uhr morgens trennten die wieder in Führung gegangene “Allagrande Mapei Racing”, “Holcim-PRB”, “Paprec Arkéa” und die das Ocean Race Europe bislang souverän dominierende “Biotherm” gerade einmal dreieinhalb Seemeilen. 75 Seemeilen hinter dem Top-Boot zahlte Team Malizia die Zeche fürs zu späte Ankommen in der Straße von Bonifacio. Dort wurde das Team in der Übergangphase von östlichen und westlichen Winden erwischt und in der Folge stark ausgebremst.

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“Malizia – Seaexplorer”-Co-Skipperin Francesca Clapcich wusste es schon vorher: “Das wird nicht so großartig für uns. Die anderen werden in guten Reaching-Winkeln wegkommen. Wir werden zu spät ankommen und ohne Wind steckenbleiben. Es wird ein großer Verlust sein.” Ihren Optimismus hatte die künftige “Malizia – Seaexplorer”-Skipperin deswegen nicht eingebüßt. Sie sagte: “Hey, die Etappe ist noch lang und wir haben schon verrückte Dinge im Mittelmeer passieren sehen. Eine Etappe ist niemals zu Ende, bevor sie zu Ende ist.”

Zwei-Klassen-Gesellschaft auf Etappe vier

Die Prognosen der Italo-Amerikanerin zum Rückschlag in und nach der Straße von Bonifacio trafen ein. Einer der mehr als 4000 Fans, die den Video-Clip von Team Malizia am Montag gesehen haben, kommentierte: “Was für eine Todesfalle in dieser Meerenge. Als würde man in einem Vakuum segeln. Ich habe eurem Schmerz gefühlt.” Malizianerin Cole Brauer erklärte dazu: “Unser schwächster Punkt auf diesem Boot ist wirklich das Reaching in leichtereren Winden.”

Das war ein bisschen entmutigend.“ Cole Brauer

Auf Etappe vier hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt: vorne die furiosen Vier, hinten seit dem schweren Dämpfer südlich von Korsika “Malizia – Seaexplorer”, Team Canada Ocean Racing – Be Water Positive mit Skipperin Pip Hare und Alan Rouras jungen Schweizer Team auf “Amaala”. Es würde ein heftiges Mittelmeer-Wunder für die drei Verfolger-Boote brauchen, um noch einmal vorne angreifen zu können.

Ihren Humor verlor die kampfstarke “Frankie” Clapcich über die Rückschläge allerdings nicht. Die in Italien geborene und aufgewachsene Ocean-Race-Siegerin und angehende Vendée-Globe-Herausforderin sagte bei einem schnellen Nachtessen im Cockpit mit Blick auf die erwärmte Tütenmalzeit und die baldige Ankunft in der italienischen Heimat: „Schaut euch bloß an, wie diese Pasta Carbonara in der Tüte aussieht. Sie werden vermutlich meinen Pass ins Feuer werfen. Es geht direkt ins Gefängnis…“

“Grande finale” für Allagrande?

Gleichzeitig sind alle Augen der leidenschaftlichen italienischen Fans auf Team Allagrande Mapei Racing gerichtet, das sich zuletzt am Dienstagmorgen zwischen La Spezia und Sestri Levante in Ligurien mit der auf dieser Etappe von Nico Lunven geführten “Holcim-PRB” einen packenden Bug-an-Bug-Kampf um die Spitzenposition lieferte. Nichts wollen Ambrogio Beccaria und seine französische Crew mehr auf Etappe vier im Ocean Race Europe als genau diesen Sieg ins Heimatland ihres Skippers.

Bei weniger als 150 noch zu absolvierenden Seemeilen bis zur Ziellinie vor Genua ist das Quartett am Dienstagvormittag bereits aufs Dreieck vor Genua eingebogen, das sie vor dem Finale noch absolvieren müssen. Das Ringen um den Etappensieg wird voraussichtlich bis zur Ziellinie andauern und Segler wie Beobachter in Atem halten.

Bevor sie in Genua ins Ziel kommen, müssen die Crews zunächst eine Markierung vor der Insel Gallinera in der Nähe von Alassio runden, dann zurück in Richtung Livorno fahren und schließlich weiter in die ligurische Hauptstadt. „Seit wir in den Golf von Genua vorgestoßen sind, gibt es Gewitter und der Wind weht in alle Richtungen“, beschrieb Nicolas Lunven das fordernde Szenario für den Schlusspurt, in dem die vier vorderen Teams sich am Dienstagmorgen zeitweise mit nicht einmal eine Handvoll Knoten Bootsgeschwindigkeit vorankämpften.

Ocean Race Europe: schlängeln, kämpfen, dranbleiben

“Biotherm”-Skipper Paul Meilhat, dessen Team bislang jede Wertung im Ocean Race Europe gewonnen hat, sagte zum Szenario: “Wir liegen immer noch Seite an Seite. Wir werden den Tag und die Nacht damit verbringen, uns durch den Golf von Genua zu schlängeln. Und wir müssen dicht an der Konkurrenz dranbleiben.“ Alles deutete zuletzt auf einen nächtlichen Krimi hin. Die führenden Boote werden in der Nacht zu Mittwoch im Ziel vor Genua erwartet.

Der Malizia-Clip vom Vortag gibt gut Aufschluss darüber, wie und warum das Team um Skipper Boris Herrmann auf Etappe vier in den aktuellen Rückstand geriet:

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