Schon bei der Eröffnung hatten sich die Fans im Kieler Starthafen für das Ocean Race Europe zu Tausenden versammelt. Zehntausende folgten in den vergangenen Tagen in den Ocean Live Park. Am Startsonntag werden mehr als 100.000 Zuschauer an den Ufern und auf dem Wasser erwartet. In der Sailing City wird der Offshore-Segelsport umarmt – auch für die olympischen Ziele der Zukunft.
Kiel ist und bleibt die Segelhauptstadt Deutschlands. Das zeigen in dieser Woche die Teams, die Besucher und Fans und die schleswig-holsteinischen Gastgeber im Starthafen für das Ocean Race Europe eindrucksvoll. „Es ist fantastisch zu sehen, wie so viele Akteure gemeinsam daran gearbeitet haben, eine so großartige Veranstaltung auf die Beine zu stellen“, verneigte sich Boris Herrmann vor der Stadt, „in der ich selbst einige Jahre gelebt und in Deutschland am meisten gesegelt habe“. Sein Team fürs Ocean Race Europe stellt er hier vor.
Während die Teams Gästen und Fans am Freitag und am Samstag mit ihren Speedrennen in sanften Sommerwinden ein zwar sportlich fürs Ocean Race Europe nicht relevantes, aber dennoch imposantes Segelspektakel direkt vor der Kiellinie boten, sind die Besucherströme mit dem Traumwetter im Norden nochmals stark angeschwollen. Dabei kommt der Höhepunkt mit dem Start des Ocean Race Europe am Sonntag um 15.50 Uhr erst noch. Der NDR überträgt ab 13.15 Uhr ein mehrstündiges Dockout-, Paraden- und Startprogramm live.
Im Zeichen von Segelsport, Meeresschutz-Aktivitäten und viel Infotainment rund um ums Ocean Race Europe tobt die Feststimmung an diesem Wochenende an der Kieler Segelmeile ihrem Höhepunkt entgegen. Wer den Ocean Live Park besucht, sollte weder das Bühnenprogramm mit den Segelstars noch die Blücherbrücke verpassen. Schon nach ein paar Schritten über die hochfrequentierten Holzplanken ist das Dock erreicht, an dem „Ocean’s Seven“ liegen: die sieben Imocas, die am Sonntag ins Europa-Rennen starten.
Gleich vorne hat Ambrogio Beccarias italienische „Allagrande Mapei Racing“ (Schwesterschiff von „Paprec Arkéa“, jedoch mit anderem Segelplan) festgemacht. Daneben ist „Biotherm“ zu sehen, die der Franzose Paul Meilhat bei der Vendée Globe auf Platz fünf steuerte und jetzt mit der Crew gerne mindestens aufs Podium bringen will. Es folgen Alan Rouras im neuen schwarz-blauen Design-Kleid auffällige „Amaala“ (Schweiz/Saudi-Arabien) und die schon gut bekannte blau-grüne „Holcim-PRB“.
Nico Lunven steuerte sie bei der Vendée Globe auf Platz sechs, bevor nun Rosalin Kuiper ihr erstes großes Rennen als Skipperin eines Top-Teams auf “Holcim-PRB” bestreiten wird. Die danebenliegende Imoca des kanadischen Teams Be Water Positive wird von Scott Shawyer mit neu zusammengestelltem Team gesegelt.
Das Boot ist als Ocean-Race-Siegerin beim Weltrennen 2023 als Rakete bekannt. Ihre Crew will sie im neuen Mix maximal schnell rund Europa bringen. Die von der Vendée Globe bekannte und beliebte Britin Pip Hare, die im Solo um die Welt ihren Mast verloren hatte, ist Teil der Mannschaft. Neben den Kanadiern fällt der Blick auf „Paprec Arkéa“, eine der vielen Favoritinnen für die zweite Edition des Ocean Race Europe.
“Paprec Arkéa”-Skipper Yoann Richomme hatte sein kraftvolles Geschoss in der Vendée Globe auf Platz zwei gesteuert, sich nur Charlie Dalin geschlagen geben müssen. Das farbenfrohe Ausrufezeichen äußeren Flügel der Imocoa-Flotte an der Blücherbrücke setzt Boris Herrmanns „Malizia – Seaexplorer“. Vor der Imoca des Heimteams bilden sich in diesen Tagen die größten Fantrauben.
Wer hier auf dem Dock entlangspaziert, der bekommt die Boote fast hautnah zu sehen. Und auch die Segler und Seglerinnen, die emsig an oder unter Deck arbeiten, Ausrüstung hin- und hertragen und sich nach Möglichkeit sogar mal die Zeit für einen Schnack mit den Fans nehmen. Der Eintritt zum Imoca-Hafen und dem gesamten Ocean Live Park mit seinen Attraktionen ist frei.
“Biotherm”-Skipper Paul Meilhat war Anfang des neuen Jahrtausend – damals noch als junger Lasersegler – erstmals in Kiel, nahm an der Kieler Woche teil. Später kreuzte er auch als Skiffsegler im 49er auf der Förde auf. Er erinnert sich beispielsweise an den früheren Lasersegler Robert Stanjek. Den Deutschen beobachtete Paul Meilhat vor drei Jahren im 1. Ocean Race Europe. Meilhat hatte daran nicht teilgenommen, aber den Sieg-Coup der deutschen „Einstein“ aus der Ferne verfolgt.
„Dieses Mal wird es anders sein“, sagt Paul Meilhat mit Blick auf die am Sonntag beginnende zweite Auflage des Rennens rund Europa, bei dem sein Team zu den Podiumskandidaten gezählt wird. Das erste Ocean Race Europe habe direkt nach der Covid-Pandemie stattgefunden. Das Rennen sei kurz gewesen, mit Last-Minute-Teilnehmern und -Organisation. Meilhat erinnert sich: „Es hat nicht den Top-Level des Imoca-Segelns widergespiegelt, auch wenn schon sehr gute Leute dabei waren. Hier aber sind jetzt mehr oder weniger die Top-Fünf-Boote der Vendée Globe am Start. Zwei fehlen, aber das Feld ist wirklich sehr gut. Die Top-Segler sind am Start.“
Das lockt auch die Fans, die das „Who is Who“ des internationalen Offshore-Segelsports und die potenten Foiler beim Rauschen über die Innenförde in Kiel live erleben können wie sonst kaum irgendwo. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, die Teams der Stadt und auch das vielgelobte Heer der freiwilligen Helfer haben ganze Arbeit geleistet, um diesen Imoca-Gipfel in der Sailing City möglich zu machen. Jetzt feiern sie ihn mit den Teams und Fans.
Rosaling Kuiper sagte: “Es ist wirklich wunderbar in Kiel – ein toller Starthafen fürs Ocean Race Europe! Die Leute sind alle so freundlich, wir haben die Tage hier sehr genossen.” Ulf Kämpfer hatte bei der Eröffnung der Segelwoche im Zeichen des Ocean Race Europe einen Blick zurück auf den fulminanten Kieler Fly-by im Ocean Race um die Welt geworfen. Vor zwei Jahren war die Flotte “nur” in die Innenförde gerast, bevor die Etappe nach Den Haag ohne Stopp fortgesetzt wurde.
Ich bin superstolz, dass wir das jetzt geschafft haben und dass so viele Menschen hier sind.“ Ulf Kämpfer
Ulf Kämpfer sagte in Erinnerung an den Fly-by: „Ich stand damals ungefähr auf Höhe der Boje, etwa 200 Meter entfernt. Wer dabei war: Wir hatten perfektes Wetter! Wenn man dann mal einen Schritt zurücktritt und überlegt, was da eigentlich passiert ist: Da sind fünf Boote in die Kieler Förde gefahren, haben eine Wende gemacht und sind wieder rausgefahren. Und 100.000 Menschen haben zugeschaut. Wie geil wird das erst dieses Mal?”
Weiter sagte Ulf Kämpfer: „Die Kieler Woche kennt jeder. Die ist toll! Aber wir wollen immer auch tolles Segeln außerhalb der Kieler Woche haben. Da erinnern sich natürlich alle an 2002 und die ‚illbruck‘. Ich war damals gerade nach Kiel gezogen und es war toll, diese Segelbegeisterung zu erleben.“ Die Stadt habe dann nach dem erfolgreichen Fly-by im Ocean Race um die Welt gekämpft, um Starthafen für das Ocean Race Europe zu werden.
„Wir haben es geschafft und das ist toll, weil diese Segelboote etwas ganz Besonderes sind. Segelsport muss – gerade wenn wir an Olympia denken – spektakulärer werden. Und dieser Segelsport ist wahnsinnig spektakulär. Dann können aus so Landratten wie ich verstehen, wie das funktioniert und begeistert sein. Und das ist – glaube ich – der nächste Level vom Segeln. Und wir haben es in Kiel. Das ist großartig!“
Nicht nehmen ließ es sich der glückliche Oberbürgermeister, einen weiteren Pflock für Kiels Olympia-Ambitionen als potentieller Partner aller vier deutschen Bewerber um die Ausrichtung der Spiele in Deutschland einzuschlagen. Kämpfer sagte: „In Warnemünde findet das dieses Jahr nicht statt. Aber in Kiel! Jeder weiß, dass wir in Kiel die Kieler Woche haben. Aber es gibt viele Segelregatten in der Welt, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Aber in Kiel und in Schleswig-Holstein sind wir eben segelbegeistert.“
Wir sind eine Hafenstadt. Wir sind weltoffen. Segeln ist ein weltoffener Sport. Und das demonstrieren wir auch mit Veranstaltungen wie dem Ocean Race Europe.“ Ulf Kämpfer
Kämpfers Brückenschlag zu den Olympia-Ambitionen Kiels: „Alles zusammen ist das, was Olympia ausmacht: tolle Sportler, aber auch Menschen, die sich dafür begeistern. Das wollen wir in diesen fünf Tagen haben. Das wollen wir aber auch 2040 wieder in Kiel haben.“ Teil eins der ehrgeizigen Pläne ist bis kurz vor dem Start gut gelungen.
Das Motto für die Kieler XL-Olympia-Ambitionen könnte auch den großen weißen Lettern auf schwarzen Malizia-T-Shirts entnommen werden, die im Ocean Live Park am Stand des deutschen Rennstalls hängen. Die Worte erinnern an einen gerne von Boris Herrmann und auch seinen Fans genutzten Anfeuerungsruf: „Push, push, push“. Das passt auch gut zum ersten Startschuss im Ocean Race Europe am Sonntag, wo schon nach wenigen Minuten die ersten Bonuspunkte beim Leuchtturm Kiel vergeben werden.