Ocean Race EuropeIn Schönheit gefangen, wo andere Urlaub machen

Tatjana Pokorny

 · 08.09.2025

Schön wie ein Gemälde: "Malizia – Seaexplorer" in Mittelmeer-Pastellfarben. | Flore Hartout/The Ocean Race Europe 2025
Zweieinhalb Stunden dauert die Autofahrt von Genua nach Nizza. Weiter als bis zu ihrem vorletzten Etappenhafen war die Flotte auf der finalen Etappe im Ocean Race Europe am Montagvormittag nach dem Sonntagsstart vor Genua noch nicht gekommen. Eine XXL-Flaute hält die Imoca-Crews im Golf von Genua gefangen. Dort liefern sich die “Ocean’s Seven” im bildschönen Revier Positionskämpfe in Zeitlupe.

Ein wenig Mitleid kann man mit den Imoca-Crews in dieser Anfangsphase der letzten und längsten Etappe im Ocean Race Europe schon haben. Seit dem Sonntagsstart um 15 Uhr kämpfen sie sich durch den Golf von Genua. Boris Herrmanns Vorstartfrage, ob man eher offshore gehe oder in Küstennähe bleibe, war schnell beantwortet: Im Pulk tastet sich die Flotte nach der ersten Nacht von Etappe fünf nach Boka Bay zunächst an der französchen Küste entlang “rückwärts” zum vorletzten Etappenhafen. Zu sehen ist das im Tracking sehr gut.

Ocean Race Europe: Team Malizia bleibt dran am Top-Trio

Am Montagmittag segelten die “Ocean’s Seven” etwa auf Höhe von Nizza. Mit “Geschwindigkeiten” von 0,5 bis 4,2 Knoten robbten sich die Foiler dort voran, wo sie sich zumindest ab und zu einen Hauch von Wind erhoffen. Statt längst nach Süden an Korsika und Sardinien vorbeizustürmen, um schnellstmlglich die Adria und den Zielhafen Boka Bay in Montenegro zu erreichen, lassen die aktuell kaum vorhandenen Winde aktuell nur diesen küstennahen Kurs zu.

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Im flauen, aber technisch anspruchsvollen Spiel wagt es auch keine Mannschaft, sich auffällig von der Gruppe zu entfernen. Schon seit dem Start in Etappe fünf hatte es kaum einmal mehr als fünf Knoten Wind gegeben. Elf Seemeilen nur trennten die gesamte Flotte am Montagmittag, vier Seemeilen nur die “üblichen Verdächtigen” vorne im Feld. Auch Boris Herrmanns Team Malizia segelte in Sichtkontakt zum Trio an der Spitze. Die Crews belauern sich, kämpfen um jedes Zehntel Speed und hoffen auf mehr Druck.

Dabei ist Geduld gefragt, denn der Weg nach Süden könnte noch lange dauern. Die Kernfrage der Segler auf See wiederholt sich: „Kann man ohne Wind eine Segelregatta bestreiten?“ Schon vor dem Start hatte “Paprec Arkéa”-Skipper Yoann Richomme es angekündigt: “Es sieht so aus, als würde es langsam und sehr leicht werden – wir könnten 48 Stunden brauchen, um die ersten 200 Meilen zurückzulegen.“

Hoffen auf einen Hauch von Wind an der Côte d’Azur

Da lag er etwa richtig – bis zum späten Vormittag am Tag nach dem Start waren etwa 110 Seemeilen in Richtung Nizza geschafft. In unter fünf Knoten Wind ging es mit noch weniger Knoten Speed nur äußerst schleppend voran. „Wir hatten sehr wenig Wind und seit dem Start auch nicht viel mehr“, erklärte “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat in der Nacht. Der Spitzenreiter hatte auch die beiden Kursoptionen erläutert: Kurs auf Korsika nehmen oder „mit der thermischen Brise spielen, indem man entlang der Küste segelt“.

Für letzteres haben sich alle Navigatoren übereinstimmend entschieden. Niemand wagte eine Extratour „Das ist sehr hübsch, weil es uns zwingt, nah am Land zu bleiben, aber es ist auch sehr technisch“, erläuterte Paul Meilhat. „Die Herausforderung besteht darin, etwas Wind vor der Küste aufzunehmen und dann zu hoffen, dass wir zusätzlich thermischen Wind erwischen“, ergänzte Yoann Richomme. Zu einer verminderten Wettbewerbshärte hat das Zeitlupensegeln indessen nicht geführt.

Wir liegen alle sehr nah beieinander.” Paul Meilhat

Eine ganze Weile hatte anfangs zur Freude der Azzurri-Fans “Allagrande Mapei” geführt. Ambrogio Beccarias Co-Skipper Thomas Ruyant sagte: “Wir hatten einen guten Start, weil wir es geschafft haben, die leichte thermische Brise in Küstennähe zu nutzen. Sie war unregelmäßig, aber sie hat uns geholfen, gut voranzukommen.“ Doch bald schon kamen die anderen im Slow-Motion-Schachspiel auf See wieder auf. Hier zum Vergleich die Zwischenstände nach vier Etappen.

Beccaria auf Tauchgang, Richomme lächelt

„Wir haben versucht, uns an die Spitze zu setzen, und es ist wirklich cool, dass uns das gelungen ist“, sagte Yoann Richomme zwischendurch lächelnd. Das blau-rote Boot hielt die Führung bis in den späten Montagvormittag. Indessen musste Ambrogio Beccaria unter sein Boot tauchen und den Kiel von Ästen befreien, die “Allagrande Mapei” in den flauen Winden noch langsamer als langsam gemacht hatten.

Das Wettkriechen wird sich auf dieser Schlussetappe im Ocean Race Europe mindestens noch über den gesamten Montag erstrecken. Merkliche Linderung der flauen Bedingungen erwarten die Europa-Segler erst am Dienstag. “Wir wissen noch nicht genau, wann wir mehr Wind bekommen werden, daher müssen wir uns noch viele Gedanken über die Strategie machen“, sagte Yoann Richomme. „Es ist immer der Wind, der entscheidet, wohin man fahren kann!“

„Es wird Spaß machen, aber es wird sehr lang werden“, blickte Paul Meilhat der Rückkehr zur stragischen Entscheidungsfindung auf dem Kurs hoffnungsfroh entgegen. Der Vendée-Globe-Fünfte wusste aber auch: „Wir sind noch lange nicht am ersten Wegpunkt (vor Sardinien) angekommen. Wir werden zwei Tage brauchen, um dorthin zu gelangen!“

Ocean Race Europe: ab an die Küste

Kurz vor Mittag hielt der Flautenpoker weiter an. Wer vielleicht gerade in den Regionen von Cannes oder Antibes unterwegs ist, sollte sich nicht wundern, wenn eine Flotte Imocas in Sicht kommt. Die Crews nahmen stark Kurs auf die Küste. Boris Herrmann vermeldete von See: “Wir segeln jetzt zur Küste. Hoffend, dass dort was passieren könnte. 1.9 Knoten. Die Hälfte davon ist Strömung.” Als Herrmann das festhielt, betrug auch die Durchschnittsgeschwindigkeit in der Flotte am Montagmittag nicht mehr als zwei Knoten.

Weinen oder lachen, wenn man mit unter zwei Knoten Speed ein Imoca-Rennen fährt? Damit haben gerade alle Teams im Ocean Race Europe zu kämpfen. Team Malizias Rückblick auf den Etappenstart und den Auftakt zeigt aber auch, wie schon ein Windhauch glücklich machen kann:

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