Ocean Race Europe“Du machst mit deinem Team eine Achterbahnfahrt”

Tatjana Pokorny

 · 21.09.2025

Rosalin Kuiper hat zum Ocean Race Europe jeden Sonntag in ihrem Race Blog für die Yacht das Europa-Rennen aus ihrer Perspektive beleuchtet. Hier das Finale…
Foto: Amory Ross/11th Hour Racing/The Ocean Race; Jean-Louis Carli/The Ocean Race
Den Kampf um Platz zwei im Ocean Race Europe haben Rosalin Kuiper und Team Holcim-PRB am Samstag in Montenegro verloren. Einen Platz auf dem Podium und sehr viel mehr haben die Niederländerin und ihre Mannschaft unter Schweizer Teamdach im Europa-Rennen gewonnen. In ihrem Race Blog für die YACHT zieht ​die einzige Skipperin des Rennens eine offene Bilanz, beleuchtet das Erreichte, das Ocean Race Europe und die eigene Zukunft auf neuem Kurs.

Wir sind Dritte im Ocean Race Europe. Das Ergebnis sehe ich mit etwas Abstand anders als noch direkt nach dem Rennen. Ich hatte mir wirklich vorgestellt, dass wir hier Zweite werden. Wir waren nahe dran. Es war gestern enttäuschend, das Duell gegen „Paprec Arkéa“ zu verlieren und Dritte zu werden. Wir sind viel zu spät abgefallen und haben das Manöver verpatzt. Deswegen haben wir verloren. Das war nicht so smart.

Ocean Race Europe: neuer Blick am Tag danach

Aber heute, einen Tag später, sehe ich es schon anders, sehe die positiven Seiten von allem und denke: Wow, wir haben als Team so viel erreicht nach der großen Kollision in Kiel und allem, was passiert ist. Wir sind stark zurückgekommen. Darauf bin ich stolz. Es war ein langer Prozess, etwa ein Jahr der Vorbereitung. Ich habe alle in ihren Rollen und Verantwortlichkeiten wachsen sehen. Heute bin ich happy mit dem Ergebnis. Wir hätten besser sein können, es gab Dinge in der Kampagne, die man hätte besser machen können. Daraus wollen wir lernen und gestärkt in die Zukunft gehen.

Ich bin stolz aufs Team, aber auch auf mich selbst.” Rosalin Kuiper

Am Ende war es ein großer Job, eine große Verantwortung. Ich war zum ersten Mal Skipperin und es war eine große Reise für mich. Ich habe das Gefühl, dass wir sie erfolgreich beendet haben. Das ist auch das Feedback unseres Sponsors. Sie sagen, es war eine erfolgreiche Kampagne. Ich bin glücklich darüber, wie viele Leute wir erreicht haben. Und über den Nachhaltigskeitspreis, den wir gestern gewonnen haben.

Ich glaube, wir haben auf unserem Weg Menschen mit unseren Geschichten inspiriert und gezeigt, dass wir gut sind im Racen, dass wir ein gutes Boot haben. Das Gesamtbild macht mich also glücklich – es ist ein schöner Start für mich als Skipperin. Das wird für die Zukunft Türen öffnen.

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Zu den Siegern: Ich glaube, dass Team Biotherm eine wirklich gute Kampagne hatte. Paul kennt das Boot so gut. Sie haben ein sehr gutes Boot. Und sie haben eine simple Kampagne. Es sind nicht zu viele Leute involviert. Die Struktur ist sehr klar. Ich glaube, Paul ist immer noch mit den Leistungsdaten von der Vendée Globe unterwegs gewesen. Er misst dem nicht so viel Bedeutung bei, findet Updates nicht so wichtig. Wir haben unsere Leistungsdaten bei fast bei jeder Trainingssession aktualisiert.

Superintensives Racing im Ocean Race Europe

Vermissen werde ich das Rennen und seine Menschen, die Leute in unserem Team und die schönen Szenerien und die Orte, die wir besucht haben. Du bist nicht nur in einem Team, du bist auch Teil der Ocean-Race-Familie. Aber ich weiß, dass wir uns alle in einem Jahr wiedersehen. Das ist gut. Ich werde es in ein paar Wochen wahrscheinlich auch vermissen, dass es immer etwas zu tun gab. Wir waren in den vergangenen eineinhalb Jahren so busy. Ich war insgesamt über zwei Jahre in dieses Projekt involviert. Aktuell habe ich nichts vor und bin darüber sehr froh. Aber in ein paar Wochen werde ich anfangen, das zu vermissen.

Das Ocean Race Europe steht für superintensives Racing. Das ist sehr positiv! Du erlebst eine Menge Stopps in sehr kurzer Zeit. Ich denke, dass man hier auch mit einem eher kleineren Budget eine Menge Aktivierungen in verschiedenen Häfen organisieren kann. Damit kannst du Städte in ganz Europa verbinden. Ich glaube, das ist für Sponsoren und Kampagnen von großem Vorteil. Ich glaube und hoffe, dass es ziemlich cool war, dem Rennen zu folgen. Auch aus medialer Sicht.

Es schien aber nicht so leicht gewesen zu sein, es auf den Bildschirm zu bringen. Ich habe eine Etappe ausgesetzt und konnte beinahe den Start nicht sehen. Ich würde mir wünschen, dass das Programm in dieser Hinsicht noch etwas klarer an die Welt kommuniziert wird. Und ich wünschte auch, dass die Boote überall zugänglich sind. Nicht unbedingt unter Deck, aber doch so, dass die Fans und Besucher die Boote in den Häfen gut sehen können.

Hoffnung auf mehr Chancen für Talente

Beispielsweise ist das Dock hier in Boka Bay geschlossen. Das ist vielleicht nicht so schön für Leute, die aus Österreich oder anderen Ländern kommen und nicht auf den Steg gelangen. Das könnte man verbessern. Einen anderen Verbesserungsvorschlag habe ich für die Wertung. Ich würde an den Wertungstoren nicht so viele Punkte vergeben. Die hatten zu viel Gewicht. Es ist sehr cool, Wertungstore zu haben, aber ich würde ihnen weniger Punkte geben.

Ob ich in Zukunft gerne ein weiteres Ocean Race Europe segeln würde? Auf jeden Fall! Es ist ein wirklich cooles Event. Und es wird definitiv mein Ziel sein, auch Talenten hier Chancen zu bieten. Das Niveau ist so hoch! Und wenn ich dann sehe, was Amaala gemacht hat – Segeln mit Talenten – und dann mit weitem Abstand Letzter geworden ist, dann würde ich gerne eine Lösung finden, wie wir jüngeren Leuten mehr Chancen geben können, ohne immer Letzte zu werden.

Defintitiv mag ich das Ocean Race Europe sehr. Im Vergleich mit dem Ocean Race Europe 2021, an dem ich auch teilgenommen hatte, war dieses hier ein cooles Event mit Zuschauern. Damals war es natürlich auch anders, weil es Covid gab.

Ich glaube, das Rennen ist eine Erfolgsformel, auch wenn es für die Segler sehr intensiv ist.” Rosalin Kuiper

Vielleicht würde ich noch eine Sache ändern: Die letzte Etappe war ziemlich lang. Möglicherweise ein bisschen zu lang im Vergleich zu den ersten Etappen. Und wir sind oft relativ spät angekommen. Entweder früh am Morgen oder mitten in der Nacht. Da würde ich also entweder nächstes Mal gar keinen Einfluss nehmen oder es noch gründlicher planen. Was natürlich beim Segeln schwierig ist.

Resourcen teilen für weniger Kosten und weniger Impact

Um in Zukunft noch mehr Teams für das Ocean Race Europe zu begeistern, könnte man Resourcen teilen. Also beispielsweise einen Koch für alle haben. Einen Physiotherapeuten oder Physiotherapeutin und einen Chiropraktiker oder Chiropraktikerin, die vor Ort sind. Sodass wir einfach mehr logistische und technische Resourcen teilen und dadurch die Kosten und den Impact reduzieren. Ich hoffe auch, dass zukünftig mehr Boote und Sponsoren dabei sind, die europäische Interessen haben, auch im Nachhaltigkeitssektor.

Wenn ich heute einen Tag nach dem Finale auf das Ocean Race Europe zurückblicke, waren es sechs Wochen, die sich wie drei intensive Monate angefühlt haben. Jeder Tag war superintensiv, körperlich und mental. Ich kann mich an keinen Moment erinnern, an dem ich mich einfach nur mal mit meinen eigenen Gedanken auf einen Stuhl gesetzt habe. Ich war konstant von Menschen umgeben, habe wenig geschlafen. Fast jede Stunde war angefüllt mit Aktivitäten. In guter Weise, aber es gab keine Pausen.

Du machst mit deinem Team eine Achterbahnfahrt.” Rosalin Kuiper

Die Teamdynamik verändert sich, du lernst, du siehst so viele Orte, du packst ein, du packst aus, du packst wieder ein. Logistisch ist viel los, wenn du so oft den Ort wechselst. In meinem Fall mit einem Baby ganz besonders. Da ist zum einen die Team-Logistik. Und dann noch die Logistik für meine eigene Familie. Aber das hat supergut funktioniert.

Neue Ideen für die Zeit nach dem Vertragsende

Mein Mann hat das einfach großartig gemacht. Und unsere Tochter hat alles so leicht genommen, hatte immer ein Lächeln im Gesicht und viel Spaß auf der Reise. Ich bin mit einem Baby ins Rennen und auf diese Reise gegangen. Jetzt ist sie immer noch ein Baby, aber ein anderes. Ich habe sie alle paar Tage gesehen, auch wenn ich nicht genug Zeit mit ihr verbracht habe. Darauf freue ich mich jetzt in nächster Zeit.

Ob unser Projekt weiter geht, das wissen wir noch nicht. Wir segeln das Boot zurück nach Port-la-Fôret, wo es in die Halle kommt. Mein Vertrag endet tatsächlich morgen. Das ist aufregend und hat große Bedeutung für mich. Es endet ein zweijähriges Kapitel. Eine unglaubliche Reise, auf der ich so viel gelernt und erlebt habe. Und ich habe viele neue Ideen im Kopf. Sicher möchte ich wieder am Ocean Race um die Welt und am Ocean Race Europe teilnehmen. Also werde ich nach meiner Rückkehr nach Hause mit einigen Leuten sprechen, um herauszufinden, ob ich wieder eine Kampagne aufsetzen kann. Darauf freue ich mich. Ich werde versuchen, die richtigen Leute dafür zu finden.

Aber zuerst möchte ich gerne alles verarbeiten und runterkommen. Das halte ich für gesund und richtig. Es ist wichtig, eine Pause zu machen, weil ich müde bin. Ich bin körperlich und mental müde, weiß, dass es Zeit ist, eine Weile Zuhause und Mama sein. Ich weiß, dass es in einigen Wochen wieder anders sein wird. Ich bin nicht sehr gut darin, nichts zu machen. Ich freue mich aber sehr darauf. Ich bin happy damit, was wir als Team erreicht haben. Dafür steht jetzt auch mein Name. Darauf werden wir aufbauen.

Neue Pläne – und vielleicht Ferien

Konkrete Ferienpläne habe ich noch nicht. Ich fliege am Montag nach Hause. Am Dienstag fange ich an, nach einem neuen Campingbus Ausschau zu halten. Unglücklicherweise ist der jetzige zu klein. Ich kann ihn offiziell mit vier Leuten fahren, aber dann haben zwei keinen Anschnallgurt. Das ist nicht sicher.

Ich werde also versuchen, einen Familien-Campingbus zu kaufen. Wenn wir das schaffen machen wir vielleicht Ferien in Belgien oder in den Bergen, verbringen Zeit mit Familie und Freunden, entdecken die Natur und genießen das Reisen mit unserer Kleinen. Wenn die Zeit kommt, dann nehme ich die Fäden wieder auf. Eines kann ich ganz sicher sagen: Ich liebe das Regattasegeln und werde es fortsetzen!

Die Höhepunkte vom finalen Küstenrennen in Montenegros Boka Bay:

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