Die Stimmung war gut bei der Malizia-Pressekonferenz drei Tage vor dem Start ins 2. Ocean Race Europe in Kiel. Boris Herrmann und seine Crew für die erste der fünf Etappen rund Europa stellten sich im Segelclub Baltic gleich an der Blücherbrücke vor, wo inzwischen alle sieben Imocas liegen, die am Europa-Rennen teilnehmen werden. Jeweils vierköpfige Crews plus Anbordreporter bestreiten die einzelnen Etappen. Mindestens eine Frau muss der Segelmannschaft immer angehören. Auf “Malizia – Seaexplorer” sind es gleich zwei.
Die Vendée-Globe-Achte und Ocean-Race-Gewinnerin Justine Mettraux (Schweiz) und Class40-Weltumseglerin Cole Brauer (USA) sowie Boris Herrmann (Hamburg) und Will Harris (Großbritannien) formieren zum Auftakt das Rennquartett im Ocean Race Europe. Als Anbord-Reporterin ist Flore Hartout (Frankreich/Niederlande) dabei. Am besten kennen sich Boris Herrmann und Will Harris, die 2019 im Rolex Fastnet Race erstmals gemeinsam ein Rennen bestritten.
Geht es nach Boris Herrmann, ist die neue Malizia-Crew gekommen, um zu bleiben. “Die sind committed. Wenn jemand von denen aussteigt, bin ich tief enttäuscht”, sagt Boris Herrmann über seine neuen und künftigen Mitsegler, von denen er die mit Abstand meisten Seemeilen mit dem bereits gut bekannten Will Harris, die wenigsten mit Justine Mettraux bestritten hat.
Cole Brauer, die auf Long Island aufwuchs und während ihres Studiums an der University of Hawai’i at Mānoa mit dem Segeln begann, bekam zwei Wochen nach ihrem Solo um die Welt einen Anruf vom Team Malizia. Da war sie gerade über ihre Teilnahme an der Global Solo Challenge 2023/2024 international bekanntgeworden. Als Skipperin der Class40 “First Light” war sie nach 130 Tagen als Zweite ins Ziel gekommen und wurde zur ersten US-Amerikanerin, die einhand nonstop um die Welt gesegelt ist.
Boris Herrmann sagt über Cole Brauer (31): “Ich habe ganz großen Respekt für sie wegen ihres Rennens um die Welt, habe mich da ein bisschen selbst wiedergefunden. So als Außenseiterin aus dem eigenen Land mit einem 40-Füßer um die Welt zu segeln, das so durchzuziehen. Und auch in dem Stil, in dem sie das gemacht hat. Da habe ich eine Verbindung gespürt und wollte sie deshalb kennenlernen und ins Team holen.”
Cole ist immer positiv, bringt eine großartige Energie an Bord, um den richtigen Trimm und zu finden und die Leistung zu pushen.” Boris Herrmann
Inzwischen weiß Boris Herrmann: “Cole interessiert sich nachhaltig, verpflichtet sich und ist dabei, insofern qualifiziert als Kandidatin. Wenn ich jetzt an so Fragen denke, wieso es keine Deutschen gibt? Dann ist da niemand, der sagt: Okay, ich will jetzt bis ‘32 Imoca segeln und mich engagieren. Da kenne ich niemanden. Das ist sicher auch nicht immer leicht, aber ich wüsste da keinen. Das hat sie aber gesagt. Und das ist schon eine Ansage – mit allem was dazugehört.”
Über Justine Mettraux (38), die bei ihrer Vendée-Globe-Premiere mit Platz acht als beste Solistin so beeindruckte, sagt Boris Herrmann: “Sie ist einfach die beste Seglerin, über alle Fragen erhaben. Sie hat auch keine Flausen im Kopf – so wie ich (lacht). Sie hat keine Angst, kommt immer direkt zum Punkt. Sie daddelt nicht rum und hat auch diesen Willen zum Gewinnen. Sie hat einfach eine tiefe professionelle Kultur.”
Auch die beiden Crew-Mitglieder, die auf Etappe eins noch nicht an Bord gefordert sind, stellte Boris Herrmann im Gespräch mit YACHT online persönlicher vor. Francesca Clapcich, 37, beeindruckt Boris Herrmann mit breitem Segelhorizont: “Frankie hat das letzte Ocean Race um die Welt mitgewonnen, war bei den Olympischen Spielen und beim Women’s America’s Cup. Sie ist die neue Eignerin unseres Schiffes. Sie ist Teil der Crew, weil wir auch gerne langfristig mit unserem Schiff verbunden bleiben wollen. Wir bleiben verbunden, managen ihre Kampagne mit und bauen einen größeren Rennstall mit zwei Imocas.”
Wie Cole Brauer, ist auch der Franzose Loïs Berrehar 31 Jahre jung. Boris Herrmann sagt: “Loïs ist quasi Familie für mich. Sein Vater ist einer meiner besten Freunde in der Bretagne. Ohne seinen Dad hätte ich damals nie unsere Beluga-Kampagne hingekriegt. Der hat es damals alles angeschoben. Yann ist einer, den man international vielleicht nicht so kennt, aber trotzdem eine Urgestalt des Segelns, der mit Eric Tabarly oder Eric Loiseau gesegelt ist.” Loïs Berrehar war als Neunjähriger Taufpate von Boris Herrmanns Class40, mit der er später zusammen mit seinem Freund und Co-Skipper Felix Oehme erstmals um die Welt segelte.
Berrehar und Herrmann trafen sich immer wieder, auch am Küchentisch bei Berrehars Familie in der Bretagne. “Loïs ist ein großer Surfer, ein super Typ, haben sieben Male das Solitaire du Figaro gesegelt, hat Jacques Vabre gemacht, ist viel Imoca gesegelt. Es ist natürlich in dieser Segelkultur aufgewachsen. Mit seinem Dad und seiner Schwester haben sie auch während der Schulzeit mal so ein Sabbatjahr auf dem Atlantik gemacht. Sie sind einfach eine Seglerfamilie aus dem Buch.”
Loïs Berrehar ist der künftige “Banque Populaire”-Imoca-Skipper. “Da bauen wir ja Schwesterschiffe”, sagt Boris Herrmann. Thomas Ruyant ist bei diesem gemeinsamen Design- und Bauprojekt der dritte Mann im Bund. Zudem haben Boris Herrmann und Loïs Berrehar eine strategische Allianz.
Boris Herrmann erzählt kurz vor dem Start zum Ocean Race Europe: “Wir wollen zusammen eine Zwei-Boot-Kampagne zum Vendée Globe machen. Die erste ever true Zwei-Boot-Kampagne mit zwei Teams, die sich vertrauen, die Budgets, Leute, Technik, Details, Pläne, Telemetrie, Daten, alles tauschen. Wir haben jetzt schon in den Kalender geschaut, welche Wochen wir Zwei-Boot-Testen in 2028 machen können. Weil: Es läuft auf 2028 raus. In 2027 kommen wir ja erst vom Ocean Race um die Welt wieder. Dann kommt gleich das Zweihand-Transat…”
Auch für die Anbordreporter im Team Malizia hat Boris Herrmann viel Lob: “Mit Flore (Redaktion: Flore Hartout, 26, Niederlande/Frankreich) sind wir jetzt auch schon viel gesegelt. Die hat sich schon ihre Meriten verdient. Die leistet tolle Arbeit. Und dann ist da noch Julien, ein absoluter Rockstar. Er ist in Deutschland vielleicht nicht so bekannt, aber war auch Co-Skipper von Justine. In Frankreich wollen alle mit ihm arbeiten. Er ist fest bei Gitana angestellt und klaubt die Zeit zusammen, um auch mit uns zu segeln. Er ist auch Foiling-Experte, segelt viel Motte. Von solchen Leuten gibt es drei, vier, fünf in der Welt.”
Der Ausblick auf das nun anlaufende neue große Kapitel in der Malizia-Teamgeschichte fällt bei Boris Herrmann positiv aus: “Es ist alles langjährig aufgegleist. Es geht nicht um eine einzelne Tagesetappe, nicht um ein einzelnes Event, sondern darum, dass es stabil läuft. Natürlich wollen wir aus dem Ocean Race Europe das Beste rauszuholen. Erster werden ist immer toll! Und wir haben einen Teil dieses Ocean Race Europe im Rahmen des Ocean Race um die Welt ja schon gemacht. Rund Europa haben wir damals im Ocean Race eine ganz gute Erfahrung gemacht. Wer weiß: Vielleicht können wir gut mitspielen…”
Das Ocean Race Europe im Fokus:
Die Malizianer auf Kurs Ocean Race Europe: