Tatjana Pokorny
· 31.08.2025
Es war ein kurzer Besuch in Nizza, bevor die Flotte an diesem Sonntag das Ocean Race Europe auf Kurs Genua fortgesetzt hat: Nur zweieinhalb Tage hatten die Teams an der bildschönen Bucht der Engle Zeit, sich ein wenig zu erholen und ihre Imocas wieder fit zu machen. Am Abend waren schon die ersten Bonuspunkte vergeben. Team Malizia hat gut darum gekämpft, aber kassiert haben einmal mehr “Biotherm” und “Holcim-PRB”.
Man konnte es sehen, hören und sogar fühlen: Boris Herrmann und Team Malizia sind mit offensichtlicher Entschlossenheit in die vierte der fünf Etappen im Ocean Race Europe gestartet. Dass sie nach Etappe drei aus den Top-Drei der Gesamtwertung gerutscht waren, lieferte viel Extra-Motivation im Kampf gegen die flotte Konkurrenz.
Pünktlich um 17 Uhr waren die sieben Boote am Sonntag in Etappe vier des Fünfteilers mit abschließendem Küstenrennen gestartet. Es geht nach Genua, wo die Imocas schon zur Wochenmitte erwartet werden. Auf ihrem Kurs werden die Teams die französische Insel Korsika umrunden. Alle Crews setzten beim Sonntagsstart in der Baie des Anges auf ihre XL-Code-Zeros und rangen um die besten Startpositionen, bevor sie in acht Knoten Wind das erste Wertungstor anpeilten, das rund acht Seemeilen vor Monaco lag.
Hier ist der Verein von “Malizia – Seaexplorer” beheimatet: der Yacht Club de Monaco. Zu gerne hätten Boris Herrmann und sein Team naturgemäß genau dort einen oder zwei Bonuspunkte eingeheimst, wo auch aus dem Fürstenhaus interessiert auf die Flotte geblickt wurde. Doch daraus wurde trotz zwischenzeitlicher Führung und hochkonzentriertem Kampf nach rund eineinhalb Stunden nichts. “Ich bin happy mit dem Start. Wir haben zeitweise geführt, waren dann aus meiner Sicht etwas zu weit draußen auf See”, erklärte der Skipper die knapp verpassten Punkte.
Pünktlich zur Punktverteilung waren die “üblichen Verdächtigen” wieder an der deutschen Konkurrentin vorbeigezogen. Dass es etwas später ganz anders aussah – ”Holcim-PRB” hatte gegen 21 Uhr die Führung vor “Malizia – Seaexplorer” übernommen – half den neuen ersten Verfolgern der Spitzenreiter nicht mehr beim frühen Punktesammeln. Hier geht es zum Live-Tracker, der die sich zu diesem frühen Etappenzeitpunkt noch häufig verändernden Positionen zeigt.
Für alle, die den Etappenauftakt via Tracker verfolgt haben, hatte sich beim Rennen zum Wertungstor überdies ein dickes Fragezeichen eingeschlichen. Einmal mehr zickte der Tracker und hatte ausgerechnet über weite Teile des Kurses zum Wertungstor “Malizia – Seaexplorer” verschluckt, die in der Animation zeitweilig einfach “stehengeblieben” war. Das entsprach nicht annähernd der Realität, von der an diesem Sonntag auch Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner kosten durfte.
Der in Monaco lebende deutsch-österreichische Extremsportler war als sogenannter “Leg Jumper” bis kurz vor dem Start an Bord und verabschiedete sich mit einem hübschen Salto vom Outrigger in die an diesem Tag sanften türkisfarbenen Mittelmeerfluten. Beeindruckt war Steudtner vor allem vom Teamwork der Malizianer. Zurück an Land sagte er: “In unserem Sport steht die Welle im Vordergrund. Wo sie bricht, ist die Zone.”
Im Segelsport ist mir sofort die große Freiheit aufgefallen. Und mich hat das Teamwork an Bord sehr beeindruckt.” Sebastian Steudtner
Der Kurs der vierten Etappe führt die Flotte auf eine 550 Seemeilen lange Runde um Korsika, wobei die Teams die berühmt-berüchtigte Straße von Bonifacio passieren müssen. Die elf Kilometer lange Passage führt die Flotte zwischen Korsika und der italienischen Insel Sardinien hindurch und ist für ihre oft strammen Winde, Strömungen und Untiefen bekannt. Anschließend geht es fürs Feld nach Genua, im ersten Ocean Race Europe vor vier Jahren noch Gastgeberstadt für das große Finale.
“Paprec Arkéa”-Skipper Yoann Richomme, nach dem Aussetzen auf Etappe drei wie auch Pascal Bidégorry wieder im Spiel, hatte vor dem vierten Etappenstart prophezeit, dass die ersten 24 Stunden entscheidend für die Ergebnisse der Flotte in Genua sein könnten. Er sagte: „Zunächst einmal haben wir hier in Nizza etwas Wind, der uns um das Wertungstor in Monaco herumtreibt – das sollte also wirklich schön werden.” So kam es, wenn auch der Schönheit aus der Sicht der Crew auf “Paprec Arkéa” die Vollendung in Form von Bonuspunkten nicht vergönnt war.
Weiter hatte Yoann Richomme gesagt: “In der Nacht werden wir eine Zone mit sehr leichtem Wind durchqueren müssen, bevor wir morgen in den neuen Wind übergehen.“ Aus dieser Zone schickte Boris Herrmann am Abend noch einen kurzen Clip, der fast bleierne Flaute signalisierte. Herrmann sagte: “Das Gewicht ist vorne, Loïs steuert, da ist der Mond und hier das Boot. Die Küste sieht ziemlich cool aus. Es geht gerade erst los…”
Die Insel Korsika, so hatte Richomme gesagt, werde mit hoch aufragenden Gebirgszügen Einfluss darauf haben, wie nah die Crews sich der Insel nähern werden. „Das Rennen um Korsika ist immer sehr schwierig, weil die Berge auf der Insel groß und ihre Windschatten riesig sind. Es wird also ein sehr interessantes Rennen auf dem Weg nach Bonifacio und dann weiter nach Genua.”
Nur ein Ziel gibt es auf dieser Etappe in sein Heimatland für Ambrogio Beccaria (ITA), Skipper der unter italienischer Flagge segelnden “Allagrande Mapei Racing”: als Erster die Ziellinie in Genua zu überqueren. Der gebürtige Mailänder betrachtet die Stadt, die als seine zweite Heimat, weil er dort 2022 seine damalige Class-40-Yacht gebaut und vom Stapel gelassen hat.
Der brennende Wunsch, auf Kurs Genua eine “bella figura” zu machen, treibt auch die Italo-Amerikanerin Francesca Clapcich im Team Malizia an. Sie lebt heute mit ihrer Familie in den USA, wuchs aber in Turin auf. “Frankie” Clapcich wusste vor dem Start: „Das Timing wird entscheidend sein, wenn wir die Straße von Bonifacio passieren. Je nach Zeitpunkt könnten wir starken Westwinden ausgesetzt sein, die durch die Meerenge beschleunigt werden.”
Weiter sagte die Ocean-Race-Siegerin von 2023: “Entlang der italienischen Küste gibt es dann einen Wegpunkt vor der Toskana und einige Zickzackkurse vor dem Golf von Genua, bevor das Ziel erreicht ist. Die Bedingungen in Genua selbst sehen wieder leicht aus, sodass es gegen Ende zu einem Neustart kommen könnte.“ Die vierte Etappe verspricht mit leichten Winden, starken Brisen und vielen Übergängen Spannung bis ins Ziel.
Francesca Clapcich machte auch auf die gar nicht so bekannten Herausforderungen des Reviers aufmerksam, sagte: “Das Mittelmeer ist wirklich ein besonderer Ort, fast wie ein anderes Ökosystem, das nicht so viele Menschen kennen. Ich bin dort aufgewachsen und kenne mich mit den Küsten- und lokalen Effekten in diesem Teil der Welt gut aus.”
Die “Malizia – Seaexplorer”-Co-Skipperin und künftige Eignerin erklärte: “Alle reden über den Atlantik oder den Pazifik, aber das Mittelmeer ist noch nicht so gut erforscht, und das Wetter hier kann sehr unvorhersehbar sein. Die Vorhersagemodelle stimmen nicht immer mit der Realität überein, sodass es oft auf die Segler an Bord, ihren Instinkt und ihre Fähigkeit ankommt, die lokalen Effekte zu lesen, um im Moment die besten Entscheidungen zu treffen.“