Tatjana Pokorny
· 24.04.2025
Rosalin Kuiper wird Team Holcim-PRB ab 10. August als Skipperin von Kiel aus ins Ocean Race Europe 2025 führen. Die Niederländerin dirigiert eine co-favorisierte Top-Crew, die aufs Podium will. Ihre Mitstreiter bilden mit Ocean-Race-Legende Carolijn Brouwer (Niederlande), Allround-Talent Alan Roberts (Großbritannien), dem Vendée-Globe-Sechsten Nico Lunven und “Enzyklopädie” Franck Cammas (beide Frankreich) eine erlesenes Team.
Gleichzeitig ist die frühere Co-Skipperin von Boris Herrmanns Team Malizia seit der Geburt ihrer Tochter Feis am 17. Dezember als junge Mutter gefordert. Ihre beiden Welten verknüpft Rosalin Kuiper mit viel Dynamik, erfrischender Offenheit und maximalem Teamgeist. Wie schon in ihrem ersten Brief, schildert die Profiseglerin auch im zweiten Schreiben nach dem gerade beendeten ersten großen Teamtreffen in Frankreich die Verschmelzung ihrer beiden Welten.
Mit dem Baby in einem Arm und dem Notizbuch in der anderen Hand, bahnt sich die 29 Jahre alte Weltumseglerin, die im Ocean Race 2023 auf “Malizia – Seaexplorer” alle Etappen um die Erde bestritten hatte, ihren Weg auf Kurs Ocean Race Europe.
Von Rosalin Kuiper
Hey,
Ich bin gerade aus Frankreich zurückgekommen, und wow ... was für eine aufregende Zeit die letzten Wochen waren. Ich wusste, dass sich nach der Geburt meines Kindes einiges ändern würde, aber die Rückkehr ins Teamleben als Skipperin des Teams Holcim-PRB – mit meiner kleinen Feis auf dem Arm und meinem Notizbuch in der anderen Hand – hat diesem Abenteuer eine ganz neue Dimension verliehen.
Die ersten Wochen nach der Geburt waren voller Liebe und ich lebte in meiner Babyblase. Meine ganze Welt war Feis. Ihre winzigen Geräusche, ihre neugierigen Augen, ihre Bedürfnisse. Es war, als hätte der Rest des Lebens auf Pause geschaltet. Aber schon nach wenigen Tagen ertappte ich mich dabei, wie ich wieder an unser Team dachte. Langsam, Stück für Stück, kam mein Seglerhirn zurück.
Die Rückkehr zur Teambasis in Port-la-Forêt fühlte sich an, als würde man das Licht einschalten.” Rosalin Kuiper
Unser Boot war mitten im Refit, umgeben von einem unglaublichen Team von Spezialisten, die alle hart daran arbeiten, dass wir für das Ocean Race Europe 2025 bereit sind. Das hat mir sofort wieder bewusst gemacht: Das macht man nicht alleine. Hochseesegeln ist durch und durch ein Mannschaftssport. Man spürt die Leidenschaft und den Ehrgeiz in jedem Winkel der Werft, und plötzlich war ich wieder da.
Das erste Meeting um 8.30 Uhr morgens ... sagen wir einfach, es hat mich umgehauen. Da war ich nun, wieder Teil unseres Teams, mein fast drei Monate altes Baby warm und geborgen in unserer Wohnung, meine Milchpumpe in meiner Tasche. In einem Moment bin ich noch in eine intensive Diskussion über unsere Crew-Struktur vertieft, im nächsten füttere ich Feis mit einer Hand, mache mit der anderen Notizen und versuche, nicht mit meinem Crêpe zum Lunch auf die Crew-Liste zu kleckern. Und es funktioniert!
Wir lachen, wir jonglieren, wir schaffen alles. Die Energie im Team ist elektrisierend. Wir haben Leute in der Crew, die so viel Erfahrung, Tatendrang und Engagement mitbringen. Ich lerne ständig von ihnen, und ihre Unterstützung – genau wie die unseres Shore Teams, der technischen Crew und unseres Sponsors – bedeutet mir alles. Die erste Nacht nach meinem ersten Tag zurück in der Teamzentrale? Ich habe keine Sekunde geschlafen. Nicht wegen Feis (die, Gott sei Dank, wie ein Champion sieben Stunden am Stück schläft), sondern weil mein Kopf rauchte.
So viele neue Eindrücke, so viel Energie, so viele Gedanken über Führung, das Boot, die Crew, die Verantwortung. Ich war wieder mittendrin. Voll und ganz! Aber nachdem ich in den folgenden Tagen so viel Wärme und Unterstützung vom Team erfahren hatte, beruhigte sich mein Kopf und ich konnte endlich wieder durchatmen. Es gab so viele kleine Momente, die mich zum Lächeln gebracht haben.
Nico, der Feis ein Kuscheltier geschenkt hat, das er während der Vendée Globe um die Welt mitgenommen hatte (ich meine, komm schon…). Franck, den ich jetzt versucht bin, „die Enzyklopädie“ zu nennen, weil er für absolut alles eine brillante Erklärung parat hat. Das ganze Team steckt voller Persönlichkeiten und Leidenschaft. Und ich schätze mich glücklich, von ihnen lernen und gemeinsam mit ihnen führen zu dürfen.
Oh, und ja – ich habe zusammen mit unserem Elektronikspezialisten ein kleines „Milchprojekt“ gestartet. Wir suchen nach der effizientesten Möglichkeit, frisch abgepumpte Muttermilch auf See sicher zu lagern. Ich musste lachen, als ich zu Hause eine kleine Testanlage baute und mehrmals testete, wie stark eine 140-ml-Flasche frisch abgepumpte Milch (bei 36 °C Körpertemperatur) mit zwei Eisbeuteln und einer Isoliertasche abkühlen kann.
Wenig Gewicht und Praktikabilität waren dabei die wichtigsten Kriterien. Dank der Beratung einer Stillexpertin weiß ich jetzt, dass ich die Milch an Bord bis zu 24 Stunden lang sicher aufbewahren kann, bevor ich sie an Land einfriere. Für längere Fahrten auf See suchen wir noch nach einer Lösung – unser Elektronikspezialist wird dabei wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen, aber wenn ihr Ideen habt, würden wir uns sehr darüber freuen!
Clément lachte und sagte: ‘Wir sind vielleicht das erste Imoca-Projekt mit einer Milchausstattung an Bord!’ Das brachte mich zum Lächeln. Denn ja, wir wollen auf das Podium – aber wir schaffen auch Raum für das (echte) Leben neben der Hochleistung. Und das ist die Zukunft des Sports, die ich mitgestalten möchte. Nun sind wir also hier. Das Training beginnt bald.
Das Team steht, das Boot ist stark, die Energie ist hoch, und ich spüre wieder dieses Feuer.” Rosalin Kuiper
Dieses Kribbeln im Bauch und diesen Stolz auf das, was wir aufbauen. Und direkt neben mir schläft meine Tochter friedlich. Es ist chaotisch und schön und manchmal sogar ein bisschen absurd. Aber es ist unsere Geschichte. Und ich bin so stolz darauf. Danke fürs Lesen, fürs Mitverfolgen und dafür, dass ihr Teil davon seid! Eine große Umarmung, Rosalin
Neues Team, starker Aufschlag – diese herausragende Mannschaft führt Rosalin Kuiper ab 10. August als Team Holcim-PRB ins Ocean Race Europe: