Ocean Race EuropeBrief von Rosalin – als Mutter für die Skipper-Rolle gelernt

Tatjana Pokorny

 · 19.03.2025

Nico Lunven hat mit "Holcim-PRB" Platz sechs bei seiner ersten Vendée Globe erreicht, bevor nun Rosalin Kuiper die Imoca als Skipperin fürs Ocean Race Europe übernommen hat.
Foto: Eloi Stichelbaut/polaRYSE
Rosalin Kuiper bereitet sich mit Team Holcim-PRB auf das Ocean Race Europe vor. Erstmals wird Boris Herrmanns ehemalige Co-Skipperin selbst ein Offshore-Team führen. Dass sie im Januar Mutter geworden ist, habe sie – so schreibt die Niederländerin in einem offenen Brief – vieles auch für die neue Herausforderung gelehrt.

Für Rosalin Kuiper hat das Jahr mit einer schönen Doppel-Herausforderung begonnen: Team Malizias und Boris Herrmanns ehemalige Co-Skipperin wurde Mutter und hat nach der Vendée Globe und dem starken sechsten Platz von Nico Lunven die Imoca als Skipperin vom französischen Teamkameraden übernommen. Knapp fünf Monate bleiben ihr und dem Team bis zum Startschuss für das Ocean Race Europe am 10. August vor Kiel.

Von Team Malizia fürs Ocean Race Europe gelernt

Erst 29 Jahre alt, steht Rosalin Kuiper vor dem vielleicht intensivsten Jahr ihrer Karriere. Wie auch andere Rennställe, will Team Holcim-PRB bald seine weiteren Crew-Mitglieder für das Ocean Race Europe bekanntgeben. Von Boris Herrmann und Team Malizia hat die “Fliegende Holländerin” gelernt, ein “selbstfunktionierendes Team” aufzubauen. Wie auch Boris Herrmann, ist Kuiper kein Fan von Hierarchien.. Sie sagt: “Ich mag flache Strukturen. Das ist mein Ziel: Leute mit gutem Kampfgeist und einem guten Geist zusammenzubringen, die sehr ehrgeizig sind und sich große Mühe geben.”

Weiter erklärt Rosalin Kuiper: “Du musst nicht der beste Segler der Welt sein. Ich bevorzuge Leute, die sehr wissbegierig sind, so dass wir auf dem gleichen Level operieren können. Ich möchte die Skipperin sein, die Leute um sich herum beflügelt. Das ist etwas, dass ich von Boris Herrmann und Team Malizia mitgenommen habe. Das ist es, was er gemacht hat: Er hat jede einzelne Person im Segel- und auch im Shore-Team darin bestärkt, die beste Version seiner oder ihrer selbst zu sein.”

Die Basis dieser Art Führungsfigur sei es, so Rosalin Kuiper, dass man wirklich Interesse an den Menschen um sich herum habe. In einem offenen Brief schrieb die immer noch sehr freundschaftlich mit Team Malizia verbundene Rosalin Kuiper jetzt, wie sie ins neue Jahr gestartet ist, wie es ihr mit der Doppel-Herausforderung geht und in welchen Bereichen sie sogar von ihrer Doppelrolle als Mutter und Skipperin profitiert.

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Von Rosalin Kuiper

Hey,

ich habe gerade einen langen Brief an Euch geschrieben, in dem ich Euch über meine Erlebnisse auf dem Laufenden halte. In letzter Zeit habe ich darüber nachgedacht, wie ich Euch in den kommenden Monaten mehr an meiner Reise teilhaben lassen kann. Und dann dachte ich mir, warum schicke ich Euch nicht einfach ab und zu einen Brief? Ich hoffe, Euch gefällt die Idee und Ihr begleitet mich auf meiner Reise, denn es passiert so viel, und ich würde Euch gerne in dieses Abenteuer mitnehmen!

Also, los geht's!

Ende letzten Jahres stand ich gleichzeitig an zwei Startlinien: einmal als Skipperin des Teams Holcim-PRB, das sich auf das The Ocean Race Europe 2025 vorbereitete, und einmal als werdende Mutter, die kurz davor stand, ihre Tochter Feis kennenzulernen. Beide Rennen starteten im Januar und beide lehren mich mehr, als ich mir je hätte vorstellen können.

All die Klischees, über die die Leute reden, wenn sie Eltern werden? Sie sind alle wahr.” Rosalin Kuiper

Es fühlt sich an, als hätte ich in nur wenigen Monaten zehn Jahre gelebt. Wir haben das Jahr 2024 damit abgeschlossen (Red.: im Januar), dass mein Kollege Nicolas Lunven mit dem Team Holcim-PRB die Vendée Globe auf dem sechsten Platz beendete, was unglaublich beeindruckend war. Ich habe mich immer mehr auf Rennen mit Crew konzentriert, aber das von innen zu sehen, all die Vorbereitungen, die französische Leidenschaft, die enorme Bedeutung dieses Rennens, war etwas ganz Besonderes.

Die Basis: Kommunikation, Vertrauen Ruhe bewahren

Wir haben viel über das Boot gelernt und wie wir es für die nächsten Herausforderungen weiter verbessern können. In der Zwischenzeit lief mein eigenes großes Projekt: die Vorbereitung auf die Geburt unseres Babys. Ich betrachtete Schwangerschaft, Geburt und Genesung als Spitzensport und genoss jede Phase davon! Im Gegensatz zu einem Wettbewerb, bei dem man gewinnt oder verliert, ging es bei dieser Reise um Vorbereitung, Visualisierung und Vertrauen.

Ich umgab mich mit Experten, die mich in den Bereichen unterstützten, in denen wir meiner Meinung nach Hilfe gebrauchen konnten, wie z. B. einem Beckenphysiotherapeuten, einem Personal Trainer und einer Doula, die uns in die Hypnobirthing-Methode einführte. Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, dass ich unsere Tochter so auf die Welt gebracht habe, wie wir es uns vorgestellt hatten. Es war eine schöne und intime Teamleistung zwischen meinem Partner Feis und mir – direkt in unserem gemütlichen Zuhause!

Durch diese Erfahrung wurde mir klar, wie sehr mich das Hochseesegeln auf dieses lebensverändernde Ereignis vorbereitet hatte. Lektionen wie Kommunikation, Vertrauen und Ruhe bewahren, egal was auf einen zukommt, erwiesen sich auf dieser Reise als genauso wichtig wie auf See.

Mit neuer Perspektive auf Kurs Ocean Race

Jetzt geht es darum, einen neuen Rhythmus zu finden. Körperlich baue ich meine Kraft Schritt für Schritt auf: zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche, eine Cardio-Einheit und eine Yoga- oder Pilates-Einheit, um meinen Körper stark und flexibel zu halten. Es geht um Balance, genau wie an Bord.

Eine der größten Veränderungen für mich ist, dass ich gelernt habe, Dinge aus der Vogelperspektive zu betrachten. Als Seglerin konzentriere ich mich auf Leistung und Details. Als Skipperin muss ich das Gesamtbild sehen. Und jetzt, als Mutter, habe ich natürlich auch im Leben damit begonnen. Es hat etwas so Kraftvolles, stillzustehen, einen Moment innezuhalten und die Dinge von oben zu betrachten. Ich glaube wirklich, dass diese neue Perspektive mich in beiden Rollen wachsen lassen wird.

Übrigens haben wir während der Vendée Globe mit unserem Ocean Pack unglaubliche Daten gesammelt, einen der besten Datensätze, die je während des Rennens gesammelt wurden! Diese Daten helfen Wissenschaftlern zu verstehen, wie sich unsere Ozeane verändern und wie dringend Maßnahmen erforderlich sind. Deshalb tun wir, was wir tun. Wenn Ihr neugierig seid, könnt Ihr hier mehr darüber erfahren.

Vor dem Ocean Race Europe: Der erste Brief einer Serie

Das war also der erste von vielen Briefen, die noch kommen werden. Kleine Einblicke in mein Leben, von der Schönheit bis zu den Herausforderungen, von kleinen Erfolgen bis zu großen Lektionen. Ich hoffe, sie gefallen Euch und Ihr fühlt euch dadurch diesem ganzen verrückten Abenteuer ein bisschen näher.

Danke, dass Ihr hier seid! Das bedeutet mir viel.

Herzliche Umarmung,

Rosalin

Rosalin im Interview! Das Gespräch mit Niall Myant-Best hat die Niederländerin im vergangenen Jahr geführt. Es ist immer noch sehr aktuell und aufschlussreich:

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