Ocean Race EuropeBaci von “Bogi” zum Heimsieg, Fehler warfen Malizia zurück

Tatjana Pokorny

 · 03.09.2025

Das Traumfinale für Allagrande Mapei Racing.
Foto: Jean-Louis Carli/The Ocean Race Europe 2025
Diese Story hätte man sich aus Sicht von Ambrogio Beccaria nicht schöner ausdenken können: Der Italiener und sein Team Allagrande Mapei Racing haben die vierte Etappe im Ocean Race Europe gewonnen. Dominatorin “Biotherm” musste erstmals Federn lassen. Team Malizia kämpft noch auf Kurs Genua. Boris Herrmann kommentiert offen, wie sein Team den Anschluss verpasste.

2 Tage, 8 Stunden, 41 Minuten und 14 Sekunden hat der Traumlauf von Allagrande Mapei Racing gedauert. Dann war der Herzenswunsch von Skipper Ambrogio Beccaria erfüllt. Nach dem Crash mit “Holcim-PRB” im Starthafen Kiel, null Punkten für Etappe eins, der langsamen Wiederauferstehung und dem zunehmenden Zusammenwachsen der Crew ist es dem Italiener und seinen französisschen Mitstreitern gelungen, auf Kurs Genua eine Punktlandung hinzulegen. Dort feiert Beccaria jetzt den seinen ersten Imoca-Sieges auf Kurs zur Vendée-Globe-Premiere 2028.

​„Wenn man auf den Sieg hofft und dann tatsächlich gewinnt, ist das wirklich prächtig”, sagte Ambrogio Beccaria bei seiner Ankunft in Porto Antico. Dabei wies er auch auf ein Phänomen hin: „Es war eine unglaubliche Etappe, windig, manchmal fast 30 Knoten – viel für eine Etappe im Mittelmeer.” Beflügelt wird der 34 Jahre alte Ambrogio Beccaria bei seinem ersten großen Imoca-Rennen vom Team Thomas Ruyant Racing (TRR), dessen 2022 entstandenes Koch-Conq-Design “Vulnerable” nun als “Allagrande Mapei” erfolgreich ist.

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Schwerer Kampf für Team Malizia

Nach “Allagrande Mapei” haben das Genua-Ziel der vierten Etappe im Ocean Race auch Yoann Richommes “Paprec Arkéa” und Paul Meilhats “Biotherm” erreicht. Erstmals hat die französische Renndominatorin “Biotherm” eine Wertung nicht gewonnen. Team “Holcim-PRB” wurde am Mittwochmorgen als viertes Boot im Ziel erwartet. Boris Herrmann und seine Crew auf “Malizia – Seaexplorer” kämpfen indessen auf Kurs Genua ihren bislang schwersten Kampf im Ocean Race Europe.

Die deutsche Imoca lag am Mittwochmorgen drei Nächte nach dem Sonntagsstart in Nizza auf Rang sechs hinter dem Team Canada Ocean Racing – Be Water Positive mit Skipperin Pip Hare und vor Alan Rouras Schweizer Team Amaala. Team Malizia hatte die Straße von Bonifacio zu spät erreicht und musste in sterbenden Winden mitansehen, wie das Führungsquartett in Winden davoneilte, in denen auch sie nur zu gerne ihre Stärken gezeigt hätten.

Boris Herrmann warf einen schonungslosen Blick auf der Etappenverlauf aus Sicht seines Teams, sagte gegenüber YACHT online am Mittwochmorgen: “Wir haben an mehreren Stellen den Anschluss verpasst – das waren kleine Details mit großen Folgen. Der erste Fehler war nach dem Start die zu späte Wende Richtung Monaco. Wir haben 200 Meter weiter offshore nicht den gleichen Shift bekommen. Dann nach dem Gate etwas leichterer Wind…”

Ocean Race Europe: kleine Fehler, große Wirkung

Weiter sagte Boris Herrmann: “Wir hatten Schwierigkeinten, Tiefe zu gewinnen, um auf dem Weg nach Süden möglichst westlich zu bleiben. Das war’s. Zwei bis drei Meilen weiter westlich sind die andern schneller nach Süden vorangekommen. Wir haben dann viel verloren und sind in Bonifacio endgültig in ein anderes Regime geraten. 11th (Red.: Canada Ocean Racing) hat dann auch noch gut gesegelt. Es ist einfach kein guter Swing.”

Man sieht auch an Holcim, wie ein kleiner Fehler acht Stunden kosten kann.” Boris Herrmann

Stattdessen hat diese vierte Etappe im Ocean Race Europe einmal mehr den Kampf zwischen den von Guillaume Verdier entworfenen Imocas “Biotherm” und “Holcim-PRB” und ihren Koch-Conq-Rivalinnen “Paprec Arkéa” und “Allagrande Mapei” entfacht. Die Azzurri konnten sich dabei von Beginn in der Spitzengruppe etablieren.

Korsika hatten die führenden Boote noch in einer für diese Jahreszeit typischen leichten Ost-Südost-Brise umrundet, bevor sie in die berüchtigte Straße von Bonifacio einbogen. Das italienische Team schreibt es “der Erfahrung von Morgan Lagravière und der energiegeladenen Rückkehr von Manon Peyre” zu, dass die Crew hier “bei flachem Meer präzise am Wind segeln und “geduldig auf günstigere Bedingungen im Tyrrhenischen Meer” warten konnte, als noch andere führten.

Erfolgreich im Revier der Kindheit

Am Dienstag dann hatten Ambrogio Beccaria und sein Team das Blatt auf dieser vierten Etappe zu ihren Gunsten wenden können. Die italienische Imoca fand den ersehnten Südwind, die Beccaria-Crew konnte ihr volles Potenzial vor dem Wind entfalten. Das gelang trotz eines Motorschadens, der die die Crew übermehr als eine Stunde ohne Strom und Navigationsinstrumente zurückließ.

Ambrogio Beccaria, Thomas Ruyant, Morgan Lagravière und Manon Peyre hatten die Gelegenheit, noch in der Nacht “Paprec Arkéa” erst ein- und dann zu überholen. Von dort aus führte “Allagrande Mapei” die Flotte an Livorno und der ligurischen Küste vorbei an. Es waren symbolische Moment für Beccaria, der das Revier wie seine Westentasche kennt und das taktische Duell vor La Spezia anführte – in dieser Region hat Schiffingenieur “Bogi” einst studiert.

Bei nur noch 160 Meilen bis ins Ziel, lagen die vier führenden Boote im Golf von Genua phasenweise nur zwei Seemeilen auseinander. Beim Passieren des Wegpunkts Gallinara übernahm “Allagrande Mapei” die Führung und gab das Tempo vor. Stück für Stück erarbeitete sich die Crew einen Vorsprung von zwanzig Seemeilen zu “Paprec Arkéa”. Obwohl die nachlassende Brise entlang der ligurischen Riviera die Flotte dann wieder verlangsamte, wackelte die so entschlossen in die “Heimetappe” gestartete Crew auf “Allagrande Mapei Racing” danach nicht mehr, erreichte die Ziellinie inmitten der Nacht um 1.41 Uhr am sehr frühen Mittwochmorgen.

Etappensieg im Ocean Race Europe: furios, aber auch nicht fehlerlos

Bei aller überschäumender Freude, in der Ambrogio Beccaria in Genua “Fliegerküsse” (Baci) durch die Luft, fand der Skipper aber auch ein paar Schwächen im Traumlauf seines Qurtetts: „Wir haben einen kleinen Fehler am Scoring Gate gemacht, der uns etwas zurückgeworfen hat. Die Fahrt entlang von Korsika war schwierig, da das Boot bei diesen Bedingungen etwas zu kämpfen hatte. Aber dann war die Ausfahrt aus der Straße von Bonifacio einfach magisch.”

Wir flogen mit 20 Knoten am Wind – ein Gefühl, das ich noch nie zuvor erlebt hatte.” Ambrogio Beccaria

Dann zogen Erinnerungen seiner Kindheit an Beccaria vorbei, wie er erzählte: “Vor Sardinien segelten wir in der Nähe der Orte, an denen ich das Segeln gelernt hatte – ein besonderer Moment, als Freunde herauskamen, um uns zu begrüßen.

Der kritischste Moment, so berichtet der Skipper, sei ein längerer Abschnitt in Richtung La Spezia gewesen: “Ohne Strom waren wir völlig im Dunkeln – keine Instrumente, keine Verbindung. Ich steuerte blind in der Nacht, während Morgan an einer Reparatur arbeitete. Nach mehr als einer Stunde gelang es uns, alles wiederherzustellen. Unglaublicherweise hatten wir während dieser zwei Stunden ohne Strom unsere Konkurrenten überholt.”

Pasta Pesto für den Etappensieg

Weiter berichtete Ambrogio Beccaria: “Die Ankunft im Golf von Genua war sehr technisch, voller Übergänge und Spannung. Aber wir haben es geschafft. Und ja, kurz vor dem letzten Wendemanöver habe ich für die Crew ein leckeres Pasta al Pesto gekocht – das hatten wir nötig! Endlich eine Etappe mit richtigem Wind, eine der besten. Diese Boote unter diesen Bedingungen zu segeln, ist einfach das Beste: Alles fühlt sich leichter an, selbst bei 25 Knoten!”

Auch Beccarias französischer Lehrmeister Thomas Ruyant freute sich über den Erfolg, sagte in Genua: „Es ist ein wunderschöner Zieleinlauf, der für Bogi hier in Italien etwas ganz Besonderes ist. Wir hatten uns vorgenommen, diese Etappe stark zu gestalten, und vielleicht hat diese zusätzliche Motivation den Ausschlag gegeben.”

Thomas Ruyant zählt längst zu den großen Imoca-Seglern seiner Zunft. Bekannt auch als “König des Atlantiks”, sagte der vielfache Sieger großer Rennen, der jetzt Beccaria auf seinem Vendée-Globe-Kurs Flügel verleiht: “Es braucht Zeit, um diese Imocas zu beherrschen, aber hier ist es uns endlich gelungen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, insbesondere bei starkem Wind vor dem Wind.”

Ocean Race Europe: “Biotherm” erstmals entthront

Zwei Momente, so Ruyant, seien dafür entscheidend gewesen: “Das Einholen der Führenden in der Straße von Bonifacio und dann das Durchhalten vor dem Wind im Stromausfall, bevor wir die Gallinara-Passage geschickt gespielt haben, als die Flotte wieder aufschloss. Wir sind glücklich über diesen Sieg und stolz darauf, ‘Biotherm’ auf dieser Etappe entthront zu haben.” Hier geht es zu den Zwischenständen vor der letzten von fünf Etappen und dem abschließenden Küstenrennen im Revier des Zielhafens Boka Bay in Montenegro.

Im Gesamtklassement bleibt vorerst fast alles beim Alten: “Biotherm” führt das Ocean Race Europe mit nun 41 Punkten weiterhin souverän an. Auf Platz zwei ist Yoann Richommes “Paprec Arkéa” (29 Punkte) vorgerückt, weil “Holcim-PRB” (28 Punkte) erst als viertes Boot ins Ziel kam. Bliebe es bei Team Malizias aktuellem sechstem Rang auf dieser vierten von fünf Etappen im Ocean Race Europe, würde Mapei Allagrande Racing mit nun 19 Punkten auf dem Konto an Boris Herrmanns Crew (prognostiziert: 18 Punkte) vorbeiziehen und Platz vier einnehmen.

Bravo! Die nächtliche Triumphfahrt von Ambrogio Beccarias Team Allagrande Mapei Racing vor Genua:

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