SailGPVom F50 auf “Malizia” – ”Foiling? Wilder als alles, was ich kannte!”

Tatjana Pokorny

 · 22.11.2025

Normalerweise ist der SailGP die Arbeitswelt von Jonathan Knottnerus-Meyer.
Foto: Jonathan Nackstran for SailGP
Für SailGP-Grinder Jonathan Knottnerus-Meyer hatte die Deutschlandpremiere der Segelweltliga in diesem Sommer unerwartete Folgen. Im Gespräch mit Sassnitz-Besucher Boris Herrmann hatte sich für ihn die Chance ergeben, vom F50 auf eine Imoca umzusteigen. Die nutzte “Jona” und erlebte “eine Offshore-Familie auf Zeit”, “Kulturschocks” und ein foilendes Abenteuer. Jetzt zählt er zu den ganz wenigen Seglern auf dem Planeten, die sowohl einen F50 als auch eine Imoca gesegelt haben.

Jonathan Knottnerus-Meyer hat selbst einen Job, um den ihnen viele Segler beneiden: Der erst 27 Jahre alte Doktorand der Medizin, der Segeln einst als Opti-Junge auf dem Schweriner See lernte, ist Grinder im Germany SailGP Team. Fast drei Jahre hat er in der Crew um Steuermann Erik Kosegarten-Heil um den Aufstieg in der Weltliga des Segelsports mitgekämpft, bevor er seine Profi-Karriere zum Jahresende beenden und künftig im Hauptjob als Mediziner wirken will.

Am Sonntag fliegt Jonathan Knottnerus-Meyer mit Team Germany zum Saison-Showdown nach Abu Dhabi. Dort geht es für die Besten um zwei Millionen US-Dollar Preisgeld für die Sieger, bevor im neuen Jahr SailGP-Saison sechs eingeläutet wird. Hier der Zwischenstand der Saisonmeisterschaft nach elf von zwölf Events.

Von der SailGP-Kurzstrecke auf die Imoca-Langstrecke

In den vergangenen Monaten haben der deutsche Rennstall und Jonathan Knottnerus-Meyer nach schwerem Saisonauftakt zunehmend glänzen können. Auf dem Genfersee war dem deutschen SailGP-Rennstall am 21. September der historisch erste Event-Sieg gelungen. “Jona” genoss den Triumph mit der Mannschaft, konnte aber nur kurz mitfeiern, bevor er noch am selben Tag von Genf nach Montenegro flog.

Im Zielhafen des Ocean Race Europe erwartete ihn Team Malizia. Jonathan Knottnerus-Meyer folgte vom sportlichen Jahresgipfel seines SailGP-Teams in der Schweiz einer Einladung von Boris Herrmann. Die hatte sich bei Herrmanns Besuch der SailGP-Deutschlandpremiere in Sassnitz ergeben. Dort hatte Joanathan Knottnerus-Meyer den deutschen Offshore-Star im deutschen Hangar herumgeführt und ihm den F50-Rennkatamaran gezeigt, den das Germany SailGP Team segelt. Die beiden Profis tauschten sich auch übers Foiling aus.

Jonathan Knottnerus-Meyer nutzte seine Chance und fragte Herrmann, ob es eine Chance gäbe, einmal bei einer Überführung oder im Training auf “Malzia – Seaexplorer” dabei zu sein. “Klar, warum denn nicht?”, lautete Herrmanns Antwort. “Jonas” Chance kam schnell: Schon einen guten Monat später verzichtete er auf die Siegerparty seiner Mannschaft am Genfersee, setzte sich stattdessen in den Flieger nach Montenegro, wo Team Malizias Überführungscrew sogar einen Tag länger blieb, um den 1.95 Meter großen und kraftvollen SailGP-Athleten, der für den Kieler Yacht-Club auch in der Bundesliga startete, noch mitzunehmen.

Von Jonathan Knottnerus-Meyer

Ich segle inzwischen fast drei Jahre im SailGP. Dort ist mein Alltag hochpräzise: perfektes Timing, klar definierte Rollen, maximale Geschwindigkeit auf kurzer Strecke. Und auch wenn ich schon Offshore-Regatten über mehrere Tage gesegelt bin – ein foilendes Offshore-Rennboot wie eine Imoca hatte ich vorher noch nie erlebt. Als sich die Chance ergab, bei einer Überführung der „Malizia – Seaexplorer“ mitzufahren, wusste ich: Das ist eine Gelegenheit, bei der ich meine Komfortzone verlassen würde, körperlich, mental und seglerisch. Genau das hat mich gereizt.

Der Moment, der alles ins Rollen brachte, war fast unspektakulär: Boris Herrmann kam beim SailGP-Stopp in Sassnitz vorbei. Ich zeigte ihm unseren F50, führte ihn durch den Hangar. Wir sprachen übers Foiling. Auch wenn die Details sehr unterschiedlich sind, ist die Grundphysik doch sehr ähnlich. Man kann viel voneinander lernen.

Wir verstanden uns direkt gut und ich fragte ihn einfach geradeheraus, ob es irgendwann einmal eine Möglichkeit für mich gäbe, auf der Malizia mitzufahren, für eine Training, eine Überführung oder ähnlich. Er sagte: „Ja klar, warum nicht?“ Damit war das Abenteuer geboren.

Vom F50 auf die Imoca, vom Champagner in die Kabine

Der Zeitpunkt hätte intensiver nicht sein können: Wir hatten am 21. September gerade in Genf unser erstes SailGP-Event gewonnen. Champagner, Jubel, Feiern, um ehrlich zu sein: Ich wäre gerne noch den Abend mit dem Team durch die Stadt gezogen, aber ich wusste: In ein paar Stunden sitze ich in einem Flieger in Richtung Montenegro, um auf eine Imoca zu steigen.

Ich flog noch am Abend von Genf nach Montenegro (Red.: Zielhafen im Ocean Race Europe, das am 20. September mit dem letzten Rennen in Boka Bay zu Ende gegangen war), denn die “Malizia”-Crew hatte schon extra einen Tag auf mich gewartet. Mit leichtem Restpegel von der Siegerfeier und wenig Schlaf ging es dann tatsächlich über drei Flüge nach Tivat. Ich war gerade 20 Minuten an Bord der Malizia, während die Zollpapiere gestempelt wurden, da ging es schon los. Mehr Zeit zum Ankommen hatte ich nicht. Die Crew habe ich als eine kleine Offshore-Familie auf Zeit erlebt.

Wir waren zu fünft: Stuart, der entspannte, erfahrene Boat Captain. Alberto, der italienische Profi, der gleichzeitig Navigator, Trainer und Ruhepol war. Dazu mit Chanti und Noemie zwei Frauen aus dem Team, die ebenfalls zum ersten Mal wirklich lange im Offshore-Einsatz waren. Und ich: SailGP-Grinder, Offshore-erfahren, aber noch nie auf einem foilenden Monohull gewesen. Wir sind schnell zu einer funktionierenden Einheit geworden. Wachsystem, kleine Routinen, viel Austausch – man wächst in Offshore-Situationen unglaublich schnell zusammen.

Der größte Kulturschock: die Geräuschkulisse

Was ich komplett unterschätzt habe, war die Lautstärke an Bord. Unter Deck ist eine Imoca nicht einfach mal laut: sie ist durchgehend laut! Bei wenig Wind knallt der Bug in die Wellen. Bei mehr Wind kreischen und knacken die Foils. Ich lag in meiner Koje, mit Noise-Cancelling-Kopfhörern, und dachte in der ersten Nacht:

Wie zum Teufel macht Boris das 80 Tage nonstop?“ Jonathan Knottnerus-Meyer

Aber nach zwei Nächten passiert etwas Merkwürdiges: Man hört auf, sich über jedes Geräusch zu wundern. Man entwickelt Vertrauen. Und ohne dieses Vertrauen könnte man so ein Boot nicht segeln. Wenn ein F50 im SailGP foilt, ist das ein kontrollierter Zustand, James unser Flight Controller ist ausschließlich damit beschäftigt die Fluglage zu kontrollieren, in Echtzeit. Wenn eine IMOCA foilt, ist das ein Abenteuer.

Das Boot hebt an, fällt wieder rein, schlägt ein, beschleunigt: Es ist lebendig, unruhig und gleichzeitig unfassbar beeindruckend. Das Foiling – wilder als alles, was ich kannte! Die Schwelle, bei der das Boot überhaupt abhebt, ist viel höher. Gerade in den ersten Tagen sind wir viel am Wind gesegelt. Da kann erst bei mehr Wind gefoilt werden.

Ähnlich und doch ganz anders als im SailGP

Wenn man es dann endlich schafft, wird man aber sofort belohnt: Das Boot wirkt plötzlich leicht, schnell, unaufhaltsam. Das Gefühl wenn das Boot dann abhebt ist aber ähnlich wie im SailGP, es wird ruhiger und schneller. Bei der Imoca lernt man jedoch auch schnell, dass der nächste Einschlag in die Welle nicht weit weg sein wird.

Der Alltag an Bord ist körperlich härter als gedacht. Ich habe viel Kraft und Kondition, das gehört zu meinem Job im SailGP. Aber das Offshore-Segeln fühlt sich komplett anders an. Es ist keine 15-minütige Sprintbelastung. Im SailGP mache ich morgens im Hotel Stretching, gehe perfekt vorbereitet in den Renntag. Auf der Imoca ist es da anders: es ist Dauerdruck, acht, zehn, zwölf Stunden am Tag. Segel rauf, Segel runter, Vorbereitung fürs nächste Manöver, Nachbereitung, Trimm, Grinderarbeit – es hört nicht auf.

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Dazu der Schlafmangel, die Geräusche, das Essen aus Beuteln, der Rhythmus des Wachsystems. Irgendwann verschwimmen Tag und Nacht. Man funktioniert und genau das fand ich faszinierend. Das Segeln selbst ist eine Mischung aus Instinkt und Vertrauen. Was mich am meisten überrascht hat: Wie wenig man eigentlich sieht. Auf der Imoca ist man fast immer im geschützten Cockpit. Die Fenster sind ständig nass. Beim Foilen zeigt der Bug in den Himmel. Man verlässt sich komplett auf die Instrumente und auf die Erfahrung der anderen.

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Auch bei der Überführung: Rennfieber wie im SailGP

Wir sind auf einer Überführung unterwegs. Eigentlich. Praktisch war es eine Art inoffizieller Regatta, denn vier Imocas aus dem Ocean Race Europe segelten zeitgleich zurück nach Frankreich. Wir hatten in etwa die gleich Abfahrtzeit, die gleiche Strecke.

Offshore-Segler sind keine Menschen, die gemütlich vor sich hincruisen.” Jonathan Knottnerus-Meyer

Niemand wollte hinter den anderen ankommen. Also wurde die “Malizia”, trotz Überführungsmodus deutlich schneller gesegelt, als man das normalerweise tun würde. Zum Vergleich: Im SailGP habe ich einen Top-Speed von 99,8 km/h erlebt. “Malizia” erreicht Top-Speeds von 32 Knoten, als knapp 60 km/h. Unser Gasgeben bei der Überführung hat das Ganze intensiver, aber auch spannender gemacht. Weil wir viel am Wind segelten und dadurch langsamer waren, haben wir entschieden, mich in Gibraltar abzusetzen, denn auf mich wartete am 4. und 5. Oktober schon das nächste SailGP-Ebent in Cádiz.

Die Straße von Gibraltar bei Nacht, mit Frachtern und Fischern überall um uns herum, bot ein bewegtes und würdiges Finale für meinen Einsatz. Der Schlauchbootfahrer, der mich abholen sollte, verschlief – zwei Stunden. Die Crew wartete. Ich fühlte mich schlecht, aber gleichzeitig war ich dankbar, überhaupt diese Möglichkeit gehabt zu haben. Nach dem Absetzen bin ich auf den Affenfelsen hochgestiegen, habe einmal tief durchgeatmet und saß kurz darauf im Uber nach Cádiz, um mich wieder auf SailGP vorzubereiten.

Mit “Learnings” und Dankbarkeit zurück zum SailGP

Was habe ich mitgenommen? Sicher dies: Offshore-Segeln hat eine Art Ehrlichkeit, die ich so noch nicht kannte. Man ist permanent mit sich selbst konfrontiert: mit Müdigkeit, mit Geräuschen, mit körperlicher Belastung, mit Erwartungen, mit Ängsten und mit kleinen Erfolgen.

Der SailGP dagegen fühlt sich für mich an wie ein präziser Sprint: Alles ist direkt, klar, messbar, sofort spürbar. Offshore ist das Gegenteil: langsam aufgebaut, langfristig belohnt, roh, ungezähmt. Genau dieser Kontrast hat mich begeistert. Ich bin Boris und dem gesamten Malizia-Team unglaublich dankbar. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass ich so unkompliziert mitfahren konnte. Diese Überführung hat mir eine Seite des Segelns nähergebracht, die ich noch nicht kannte. Sie hat sich eindeutig meinen Respekt erarbeitet.

Ein Rückblick auf die Höhepunkte der SailGP-Deutschlandpremiere in Sassnitz:

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