Tatjana Pokorny
· 05.05.2024
Knapp ein Jahr ist es her, dass die aktuell jüngste Crew im SailGP ihren historisch ersten Regattasieg im Juli 2023 in San Diego bejubeln konnte. Jetzt haben sich Steuermann Diego Botin, Florian Trittel, Nicole van der Velden und ihre Mannschaft in dieser Saison schon zum zweiten Mal durchsetzen können. Im Finale stahlen die Spanier den Stars der Profiserie die Schau, umkurvten Neuseeland und Australien in den letzten sechs Sekunden der Vorstartphase und fanden auf der Luvseite der Startlinie das passende Nadelöhr, das die Australier hätten zumachen können. Doch die Grün-Gelben waren ganz aufs Duell mit den Erzrivalen aus Neuseeland konzentriert, in dem sie auch noch das Nachsehen hatten.
Mit der höchsten Geschwindigkeit und Innenposition erreichten die Spanier nach ihrem frechen Start die Luvmarke im Triple-Finale als Erste und ließen sich auch im weiteren Verlauf des Rennens nicht von Attacken und Splits der Kiwis aus dem Konzept bringen. “Pistol Pete” Burlings Neuseeländer kamen als Zweite vor Australien ins Ziel. In dieser Reihenfolge führen die beiden Giganten-Teams das Klassement der vierten Saison nach zehn von 13 Events nun vor den drittplatzierten Spaniern an.
Die Kiwis haben sich bei bislang vier Siegen in dieser vierten SailGP-Saison vor den letzten drei Regatten mit 77 Punkten einen angenehmen Zehn-Punkte-Vorsprung vor Australien (67 Punkte) und den immer stärker aufkommenden Spaniern (65 Punkte) erarbeitet.
Dass die sieggewohnten Australier etwas vom üblichen Erfolgskurs abgekommen sind, ist vor allem ihrem Tonnen-Crash bei der letzten Regatta im neuseeländischen Revier von Christchurch geschuldet. Das unglückliche Manöver ohne Involvierung eines weiteren Teams war nicht nur aus Sicht der Australier mit zwölf Strafpunkten bei der Regatta und acht Minuspunkten für die Saisonwertung überhart geahndet worden und hatte sie weit zurückgeworfen. Ein Sieg ist Ausnahmesegler Tom Slingsby und dreimaligen Saisonsiegern aus Australien in dieser Saison erst einmal gelungen.
Am Saisonende zählt aber beim letzten und 13. Event am 13. und 14. Juli in San Francisco im Kampf um zwei Millionen US-Dollar allein für das siegreiche Team nur eines: das Finale der besten drei Teams der Saison zu erreichen. Über den Saisonsieg wird dann unabhängig von den zuvor ersegelten Punkten in nur einem Finalrennen zwischen diesen drei führenden Teams der Saison entschieden. Gut dran ist, wer dann auf den Punkt fit ist – so wie die Spanier an diesem Sonntag vor Bermuda.
Das erst in dieser Saison in den SailGP eingestiegene Germany SailGP Team von Thomas Riedel und dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel zahlte im Traumrevier vor Bermuda weiter Lehrgeld. Zwar hatten Fahrer Erik Heil und sein Team eine ganze Reihe von starken Momenten, doch konnten sie nicht alle gelungenen Starts zum Rennende auch in veritable Punkte umwandeln.
Wir sind zufrieden mit den Starts, aber nicht mit den Ergebnissen” (Sophie Steinlein)
Nach den ersten drei Rennen am Samstag hatte Strategin Sophie Steinlein gesagt: “Heute waren die Starts in den Rennen zwei und drei richtig gut. Wo auch unser Fokus drauf lag. Alles, was immer schwer für uns war, lief gut. Die Rückschläge kamen dann eigentlich so ein bisschen bei den einfachen Sachen rein. Im ersten Rennen haben wir uns von hinten nach vorn gesegelt, in den beiden folgenden Rennen leider von vorn nach hinten. Wir sind zufrieden mit den Starts, aber nicht mit den Ergebnissen.”
Auch Erik Heil bedauerte die Rennverläufe an Tag eins, an dem sein Team die Ränge 5, 8 und 7 eingefahren hatte. Der zweimalige Olympia-Dritte im 49er hatte am Samstagabend festgehalten, dass zwei der drei Starts gut gelaufen seien. Anschließend aber seien seinem Team taktische und Manöver-Fehler unterlaufen: “Da haben wir am meisten gelitten. Dabei hätte es so ein gigantischer Tag sein können für uns: Nach einem schlechten Start im ersten Rennen hatten wir so viel aufholen können. Im zweiten und im dritten Rennen haben wir das Feld mit angeführt, aber so ist es ...”
Wir blicken mit einem Wermutstropfen auf das Wochenende zurück” (Erik Heil)
Mit zwei fünften Rängen an Tag zwei konnte das Germany SailGP Team vor Bermuda aber Platz sechs im Finalklassement der zehnten Regatta seiner Premierensaison verteidigen und etablierte Mannschaften wie die Schweizer und die Briten mit Doppel-Olympiasieger Giles Scott hinter sich lassen. In der Saisonmeisterschaft liegt Team Germany auf Platz neun. Gar nicht zum Renneinsatz waren vor Bermuda die Amerikaner gekommen, deren Boot nach der brutalen Kenterung im Training am Freitag nicht rechtzeitig hatte repariert werden können.
Der Start wäre sehr gut geworden, doch dann kam Kamikaze-Frankreich” (Sophie Steinlein)
Die deutsche Mannschaft trauerte indessen nach Tag zwei auch dem möglichen Top-Start in Rennen vier hinterher. Sophie Steinlein erklärte: “Der Start wäre sehr gut geworden, doch dann kam Kamikaze-Frankreich. Wenn Erik nicht runtergedreht hätte, hätten die uns vollkommen gecrasht. Dafür war es okay.”
In seiner Bermuda-Bilanz sagte Erik Heil am Sonntagabend nach insgesamt fünf Rennen für sein Team: “Wir blicken mit einem Wermutstropfen auf das Wochenende zurück. Wir hatten das Finale in der Hand, haben es am ersten Tag aber weggegeben. Doch die Chance ist ja da. Und wenn alles zusammenläuft, haben wir schon in unserer ersten Saison die Chance auf einen Podiumsplatz. Aber dafür müssen wir noch einiges tun.”
Der Blick auf die bisherigen Regatta-Ergebnisse der deutschen Mannschaft zeigt den Aufwärtstrend und die Etablierung im Mittelfeld: Angefangen mit dem zehnten und letzten Platz in Chicago, ging es mit den Resultaten 10, 7, 9, 9, 9 und dann mit den Plätzen 5, 6, 5 und 6 weiter. Was der Trend für den kommenden Gipfel am 1. und 2. Juni im kanadischen Halifax wert sein wird, will das Germany SailGP Team dort möglichst erfolgreich beantworten.
Die Wiederholung vom zweiten Renntag vor Bermuda. Ab Minute 1:11:36 ist der faszinierende Finalstart der Spanier zu beobachten: