Tatjana Pokorny
· 18.07.2025
“Es wäre hübsch, die britische Party zu ruinieren”, sagte Giles Scott bei der Eröffnungspressekonferenz zum siebten SailGP-Gipfel in der fünften Saison der Segel-Formel 1 mit einem kleinen Lächeln. Scott ist selbst Brite, war aber als Nachfolger von Sir Ben Ainslie kein Jahr lang Fahrer für das Emirates Great Britain SailGP Team. Dann wurde Scott durch Ainslies America’s-Cup-Co-Steuermann Dylan Fletcher abgelöst – wie zuvor schon im America’s Cup selbst. Das zweimal entzogene Vertrauen münzte der 38 Jahre alten Finn-Doppel-Olympiasieger Scott zuletzt in Erfolge für Kanada um.
Der hochaufgeschossene Giles Scott ließ sich nicht lange aufhalten. Weil er am Ottawa-River aufwuchs und auch einen kanadischen Pass hält, konnte er als Fahrer fast nahtlos ins kanadische NorthStar-Team wechseln. Mit seinem neuen Team ist Scott jetzt so erfolgreich, dass die “Ahörner” als Fünfte des Klassements nach der ersten Saisonhälfte schon fast dran sind an den Briten. Bei den letzten drei Gipfeln hatte Kanada (1, 2, 7) im direkten Vergleich mit den Briten die Bugspitzen vorne.
Drei Punkte nur lauern die Kanadier vor dem Heimspiel der Briten hinter 49er-Olympiasieger Dylan Fletcher, Strategin und 470er-Doppel-Olympiasiegerin Hannah Mills und ihrer Crew auf Platz vier. Beide – Briten und Kanadier – würden gerne in die Top-Drei vorrücken, wo aktuell die Spitzenreiter und Titelverteidiger aus Spanien, die australischen Rekordsieger von Tom Slingsbys Bonds Flying Roos und Peter Burlings neuseeländische Black Foils den Ton angeben.
In diesen Top-Gefilden waren zu Saisonbeginn auch die Briten schon unterwegs, rutschten aber nach zuletzt enttäuschenden Ergebnissen zurück. Ihre Platzierungen in Saison-Halbzeit eins bis zum Portsmouth-Gipfel an diesem Wochenende: 2, 3, 1, 4, 7 und 8. Nun soll daheim die Trandwende her. Auch im Prestige-Duell zwischen Fletcher und Scott.
Wir haben die einfachen Dinge nicht gut gemacht, uns einige dicke Schnitzer erlaubt.” Dylan Fletcher
Dylan Fletcher freut sich mit seinem Team aufs Heimspiel und sagte: “Portsmouth ist unsere Chance, die Fehler der letzten Events zu korrigieren.” Gleichzeitig warnte Fletcher davor, den Auftritt zuhause automatisch als Vorteil zu werten. Er erinnerte daran, dass die Australier bei ihrem Heimspiel in Sydney im Februar stark gesegelt haben, aber dennoch von seinem britischen Team geschlagen worden waren. Der Trend habe sich, so Fletcher, fortgesetzt.
Die Kiwis hatten in Neuseeland zu kämpfen. Ganz zu schweigen von den schweren Zeiten, die die Amerikaner bei den US-Events durchgemacht haben.” Dylan Fletcher
Der frühere britische Steuermann und heutige CEO und Co-Eigentümer Sir Ben Ainslie sagte bei der Vorab-Pressekonferenz am Freitag in Portsmouth: “Wir sind alle unglaublich stolz darauf, wohin sich die Liga als globaler Circuit entwickelt hat. Für uns als britische Segler, für Hannah, Dylan und den Rest des Teams, ist es wie nichts anderes, das du im Sport erleben kannst. Wir hatten hier schon früher große Events und ich denke auch an London 2012 (Red.: Gemeint sind die Olympischen Spiele, als Ben Ainslie seine vierte und letzte Goldmedaille vor Weymouth etwa 100 Kilometer entfernt von Portsmouth gewann).”
Zum Druck für sein Emirates Great Britain SailGP Team vor dem Auftritt im heimischen Gefilden sagte Ainslie: “Die Leute reden über Druck im Sport. Und es ist tatsächlich zusätzlicher Druck, wenn du – wie in diesem Fall – Zehntausende Menschen erlebst, die alle das Heimteam siegen sehen wollen. Das ist schon ein bisschen einschüchternd. Aber gleichzeitig sagen wir im Sport auch, dass Druck ein Privileg ist. Ich glaube, dass Hannah, Dylon und die anderen davon eher profitieren werden.”
Die britischen Gastgeber rechnen mit rund 20.000 Besuchern am Portsmouth-Wochenende. “Wir hatten schon zu Saisonbeginn ähnlichen Zuspruch in Auckland. Es ist fantastisch”, freute sich Liga-Mitgründer und CEO Russell Coutts. Kurz waren bei der Pressekonferenz auch die beiden für die kommende Saison erwarteten neuen Teams Thema. Details dazu aber wollte Coutts noch nicht preisgeben. “Wir müssen noch auf die Bekanntgabe der Teams warten. Aber für Boot 13 wurden Rümpfe und Cross Beams gerade gestern zusammengefügt. Und Boot 14 folgt mit nur vier Wochen Rückstand.”
Zurück zum Sport an diesem Wochenende: Die Segler sollen spätestens am Sonntag knackige Bedingungen bekommen. Giles Scott sagte: “Das Revier hier bietet einen unglaublichen Rennkurs. Es wird ein wundervolles Rennwochenende für die Fans.” Wie man die Begeisterung der Massen in Speed auf dem Wasser umsetzen könne? Dylan Fletcher sagte: “So, wie wir es in Auckland erlebt haben. Wir hörten die Fans, die offensichtlich die Kiwis angefeuert haben. Es wird schön sein, sie am Wochenende die Briten anfeuern zu hören.”
Den letzten Briten-Gipfel in der vierten SailGP-Saison hatten im vergangenen Jahr die dreimaligen Rekordsieger aus Australien gewonnen. Auf die Frage, ob er vielleicht einen Tipp für die Briten habe, wie man im eigenen Hausrevier siegt, lachte Steuermann Tom Slingsby und sagte: “Ganz sicher werden ich keine Tipps geben. Zum einen, weil sie die nicht brauchen. Zum anderen: Warum sollte ich?” Gerne erinnerte sich Slingsby auch ans britische Event in der ersten Saison 2019 vor Cowes, wo am Wochenende der Admiral’s Cup beginnt.
Slingsby sagte: “Das war eines der ereignisreichsten Events, die wir je mitgemacht haben, mit hohen Wellen und starken Winden. Die Boote taten sicher schwer, über den Kurs zu kommen. Wir hatten ein wirklich gutes Event und haben gewonnen. Die Wettervorhersage sieht für dieses Wochenende großartig aus. Wir erwarten mehr davon…”
Auf fordernde Bedingungen ist auch das Germany SailGP Team by Deutsche Bank eingerichtet. Steuermann Erik Kosegarten-Heil und sein Team liegen zu Beginn der zweiten SailGP-Saisonhalbzeit auf Tabellenplatz elf. Nach dem historisch größten Strafpunktgewitter in Folge von Trainingskollisionen im Februar in Sydney hat sich das GER-SailGP-Team berappelt und die Minuszone verlassen. Hier geht es zu den Saisonzwischenständen.
Jetzt will die Mannschaft "risikomotivierter" in den Portsmouth-Gipfel starten. Erik Kosegarten-Heil erklärt: „Die Mentalität geht in Richtung Top-Drei oder eben letzte Drei. Es ist schwieriger für uns, sich aus dem Mittelfeld durchzuwurschteln.” Schwarz-Rot-Gold ringt als einer der jüngsten Teamneuzugänge weiter um mehr Erfahrung.
Auszugleichen hat der deutsche Rennstall in Portsmouth möglicherweise die Bandverletzung von Anna Barth an der linken Hand. Sollte es in England Leichtwindbedingungen geben und die Strategin in der nur dann notwendigen kleinsten Crew-Konstellation von vier Akteuren an den Kurbeln gefordert sein, müsste sie ersetzt werden.
Dafür steht nach Tests mit mehreren Kandidatinnen mit Emma Kohlhoff aus Kiel Anna Barths vertraute Vorschoterin im olympischen Skiff 49er bereit. Die erst 17 Jahre alte Schwester des gerade erst während der Kieler Woche offiziell ins Germany-SailGP-Team aufgenommenen Nacra 17-Olympia-Dritten Paul Kohlhoff hinterließ den stärksten Eindruck und könnte eine Chance bekommen.
Die Rennen im Emirates Great Britain Sail Grand Prix werden an diesem Wochenende (19./20.Juli) an beiden Renntagen vom ZDF übertragen und live kommentiert. Hier geht es zum Live-Link am 19. Juli ab 17 Uhr deutscher Zeit.
Zur Einstimmung auf die “Rennen am Limit” – hier geht es zur siebten Folge der Serie in SailGP-Saison 5: