Tatjana Pokorny
· 15.07.2024
Viermal Gold auf den Weltsportbühnen – an nur einem Tag! Erst siegte Carlos Alcaraz auf grünem Rasen in Wimbledon. In Spanien gewann Sergio Garcia das Profiturnier Liv Golf Andalusia. In Berlin krönten sich die Iberer vor ihrem König Felipe und dessen Kindern zu Fußball-Europameistern. Und am Ende standen auch die Rot-Gelb-Roten ihren Landsleuten im SailGP nicht nach: Diego Botin und sein Team ließen es beim großen Finale des SailGP in San Francisco krachen. Sie kämpften sich ins Zwei-Millionen-US-Dollar Finale, ließen den top-favorisierten Neuseeländern und Australiern das Nachsehen und räumten das höchste Preisgeld des Segelsports ab.
Man sagt, aller guten Dinge sind drei. Aber für Spanien sind es heute vier von vier” (Diego Botin)
“Ich finde kaum Worte, kann kaum glauben, dass wir das an diesem Tag geschafft haben, da Spanien vier große Siege im internationalen Sport erringen konnte”, sagte der 30-jährige Steuermann Diego Botin. Ein “spanisches Märchen vom Aschenputtel” nennen die SailGP-Veranstalter den Coup der Los Gallos zwischen Alcatraz und Golden Gate Bridge. Und weiter: “Man sagt, aller guten Dinge sind drei, aber für Spanien sind es heute vier von vier: Die Los Gallos holten ihren ersten SailGP-Meisterschaftstitel, der zu den großen Siegen bei der Euro 2024, dem Wimbledon-Finale und dem Liv Golf an einem Sportsonntag hinzukommt, den die Spanier so schnell nicht vergessen werden.”
Wie so oft, fiel die Vorentscheidung im SailGP-Meisterschaftsfinale schon an der Startlinie, die Fahrer Diego Botin im alles entscheidenden letzten Lauf perfekt beherrschte. Sein Team beeindruckte mit einem Start-Ziel-Sieg. Im hochkarätigen Kräftemessen mit den dreimaligen australischen Saisonsiegern um Tom Slingsby und Neuseelands America’s-Cup-Dominatoren um Superstar Peter Burling war den Spaniern der Druck nicht anzumerken, unter dem sie im Rennen ihres Lebens standen.
Nach der Sensation von San Francisco sagte Diego Botin: “Die Kiwis und die Australier im großen Finale hier in San Francisco zu schlagen – das ist unglaublich. Wir sind überglücklich. Es war ein hartes Stück Arbeit. Wir haben in dieser Liga viel durchgemacht – letzte Saison waren wir Tabellenletzte, und siehe da – diese Saison gewinnen wir! Ich denke, wir haben ein tolles Team; mal sehen, ob wir zusammenhalten und den Ball weiter rollen lassen können.”
Wir haben in dieser Woche Tausende Wenden gemacht, und es ist nie etwas passiert. und dann ist es heute im letzten 2-Millionen-Dollar-Rennen passiert” (Tom Slingsby)
Die Australier waren den Spaniern fast im gesamten Finalrennen dicht auf den Fersen. Erst nach technischen Problemen mussten sie etwas abreißen lassen. Der dreimalige australische SailGP-Saisonsieger, Laser-Olympiasieger und America’s-Cup-Gewinner Tom Slingsby sprach nach dem Rennen von reinem Pech: “Es war eine normale Wende, aber irgendwie hat sich das Foil aus dem Schloss gelöst. Wir haben in dieser Woche Tausende von Wenden gemacht, und es ist nie etwas passiert, und dann ist es heute im letzten 2-Millionen-Dollar-Rennen passiert. Was macht man da? Es ist einfach unglücklich.”
Zuvor hatten die Australier als einziges Team mehr als eines der fünf Fleetraces bis zum großen Finale gewonnen. Damit hatten die Flying Roos ihre übliche Stärke im stets druckvollen Revier von San Francisco demonstriert. Den Event gewannen sie auch dieses Mal. Nicht aber das mit so großer Spannung erwartete Finale der besten drei Teams der Saison, für das sich auch die Kiwis als Tabellenführer nach insgesamt 13 Events in 2023 und 2024 sowie die Spanier als Tabellen-Dritte qualifiziert hatten.
Tom Slingsby fuhr mit seiner Analyse noch fort, sagte: “Ehrlich gesagt, ist das Team heute so gut gesegelt wie noch nie zuvor. Wir hatten diese Mentalität während des gesamten Rennens, selbst als wir zurücklagen, und ich bin so stolz auf dieses Team und die Art und Weise, wie es gesegelt ist. Ich fühle mich geehrt, daran teilhaben zu dürfen.”
Die herausragende Leistung des spanischen Teams im Finale dürfte indessen nach wochenlangen Spekulationen über die Zukunft von Botin und Co. in der Weltliga SailGP einige Kritiker verstummen lassen haben. Sie könnte die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, um das Team im November vor dem Aus zu bewahren. Die Liga hatte angekündigt, dass unter den Teams aus Kanada, Frankreich, Spanien und Neuseeland eines die Liga bei ihrem Start in die fünfte Saison im November voraussichtlich wird verlassen müssen.
Das hochspannende Finale war nicht das einzige Drama an diesem historischen Meisterschaftssonntag. Auch die vorgeschalteten Fleetraces 4 und 5 hatten es in sich. Den dramatischen Höhepunkt markierte das Ausscheiden Frankreichs. Quentin Delapierre und seine Les Bleus – nach starken Vorleistungen am Samstag mit Hoffnung auf den Einzug ins große Finale unterwegs – waren den Dänen in Rennen vier gefährlich nahegekommen und schieden nach ihrem Last-Minute-Manöver mit gebrochenem Ruder und einer zusätzlichen Strafe von zwölf Event-Punkten (acht Saisonpunkten) aus.
Manchmal bleibt man besser zu Hause. Ich glaube, heute war so ein Tag” (Quentin Delapierre)
Der Fahrer Quentin Delapierre war bitter enttäuscht, sagte: “Manchmal bleibt man besser zu Hause. Ich glaube, das war heute so ein Tag. Bei der letzten Wende habe ich die Dänen einfach nicht gesehen und wir sind mit ihnen zusammengestoßen. Wir haben den Job nicht zu Ende gebracht, und das ist im Moment wirklich sehr schmerzhaft für alle an Bord. Aber ich bin unglaublich stolz auf das, was das Team erreicht hat. Ich denke, die Gesamtwertung zeigt nicht, was wir in dieser Saison geleistet haben, besonders hier, wo wir einen so unglaublichen Samstag hatten.”
Am Samstag vor dem Super-Sonntag hatten die Franzosen die Konkurrenz und vor allem die Spanier im Zweikampf um das dritte und letzte Finalticket mit brillanten Starts, einem Rennsieg und zwei dritten Rängen im Konzert der Segel-Supermächte geschockt. In der Nacht zum Sonntag waren es noch die Franzosen, die mit einem Bein im Zwei-Millionen-US-Dollar-Finale standen. Doch dann ließ der Patzer in Rennen vier ihre Träume platzen.
Obwohl das neuseeländische Team während der gesamten Saison in Topform war und mit fünf Siegen bei den insgesamt 13 SailGP-Gipfeln seine Klasse gezeigt hatte, reichte es am Ende nicht zur Krone im großen Finale. Fahrer Peter Burling sagte: “Wir alle spüren im Moment den Schmerz, aber wir sind wirklich stolz auf die Art und Weise, wie das Team an die Sache herangegangen ist. Wir werden uns sammeln, darüber nachdenken und in der nächsten Saison mit Schwung zurückkommen.” Davor sind die Kiwis bei einem anderen großen Segelsportgipfel gefordert: In Barcelona werden sie im Oktober den America’s Cup verteidigen.
Für das Germany SailGP Team von Thomas Riedel und dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel endete die Premierensaison mit Rang acht in San Francisco und Platz neun im Saisonklassement der zehn SailGP-Teams. Fahrer Erik Heil aus Strande bei Kiel sagte: “Unser letzter Angriff endete nach den ganzen Situationen, die wir noch hatten, nicht so gut. Aber insgesamt haben wir auch von allen anderen Teams ziemlich gutes Feedback bekommen. Wir haben einen extrem guten Eindruck hinterlassen und können mit dem Recht, weiter mitzuspielen, in die Vorbereitung für die nächste Saison gehen.”
Zum Finale sagte Erik Heil: “Wir hatten leichte technische Probleme im letzten Rennen, sind etwas aus dem Rhythmus gekommen, konnten aber immerhin zwei andere Teams hinter uns lassen. Mein Tag wurde dann gerettet durch Diego. Ich habe das Rennen von der Mixed-Zone aus verfolgt. Es war einfach geil! Ich bin dann rüber zu den Spaniern, habe mich in die Box zu deren Coach gesetzt. Wir haben gemeinsam auf sie gewartet. Es ist toll, dass der Bann gebrochen ist und wir schon einmal Diego als SailGP-Gewinner haben. Hoffentlich kann er da noch eine schöne Medaille draufsetzen.”
Dabei bezieht sich Erik Heil auf die am 28. Juli beginnende olympische Regatta in Marseille, wo Diego Botin mit seinem 49er-Vorschoter und SailGP-Ass Florian Trittel zu den Co-Favoriten im Kampf um Edelmetall zählt. Die Spanier waren viele Jahre die vertrauten Sparringspartner und Freunde des deutschen 49er-Duos Erik Heil und Thomas Plößel, die bei den Olympischen Spielen 2016 und 2021 zweimal Bronze gewinnen konnten, während Botin bislang als zuletzt Vierter in Japan olympisch leer ausging.
Insgesamt war es in unser aller Köpfe eine positive Saison” (Erik Heil)
In San Francisco teilte das deutsche Team das Camp und sein Zelt mit den Spaniern. “Ich glaube, das wird ein langer Abend”, sagte Erik Heil kurz nach dem spannenden Finale. In seiner Bilanz am Ende der Premierensaison der Mannschaft unter deutscher Flagge sagte Erik Heil: “Insgesamt war es in unser aller Köpfe eine positive Saison. Wir haben unsere inhaltlichen Ziele so erfüllt. Das, was wir uns realistisch vorgenommen haben, konnten wir leicht übertreffen. Damit muss man dann auch zufrieden sein. Das Motto heißt: keep going! Wir müssen weiter schnell aufholen, damit wir in den nächsten Jahren gut angreifen können.”
Erst beim Rauskranen des deutschen F50-Foilers zeigte sich in der Nacht zum Montag, dass die deutsche Mannschaft am Finaltag nicht ganz ohne Grund mit Geschwindigkeitsproblemen zu kämpfen hatte. Erik Heil berichtete am frühen Montagmorgen: “Wir hatten leider ein gebrochenes Foil. Jetzt haben wir auch eine Erklärung, warum wir den Speed auf den Straightlines nicht halten konnten.”
Insgesamt spiegelt die Platzierung nicht wider, was wir wirklich können. Aber man muss immer bedenken, dass wir noch neu in der Liga sind” (Lennart Briesenick)
Coach Lennart Briesenick blickt positiv auf die Rennen, in denen das Germany SailGP Team als jüngster Liga-Neuzugang am Samstag erstmals mit den kleinen Flügeln im Einsatz war, die in der Weltliga bei mehr Wind eingesetzt werden. Lennart Briesenick sagte: “Das war unser erstes Mal mit dem kleinen Wing, und ich bin wirklich beeindruckt, wie gut das Team die theoretische Einweisung in die Praxis umsetzen konnte. Insgesamt spiegelt die Platzierung nicht wider, was wir wirklich können. Aber man muss immer bedenken, dass wir noch neu in der Liga sind. Spanien ist gerade die zweite Saison dabei und hat heute eindrucksvoll gezeigt, dass man die Lücke zu den erfahrenen SailGP-Teams schließen kann. In unserer nächsten Saison hoffen wir, auch weiter vorn fahren zu können.“
Mit Blick auf die Saison 2024/25 hat SailGP bestätigt, dass die Teams zum ersten Mal vor der Saison in zwei Trainingslagern trainieren dürfen. Zum ersten dreiwöchigen Intensiv-Training im Revier von Bermuda sind die Teams aus Deutschland, Dänemark und den USA zugelassen. Im Oktober dann können die Chance alle SailGP-Teams vor dem Event in Dubai nutzen. Die Saison 2024/2025 wird mit dem Emirates Dubai Sail Grand Prix presented by P&O Marinas am 23. und 24. November 2024 nach beendetem America’s Cup beginnen.