Am 16. und 17. August rückt Rügens Hafenort Sassnitz ins Rampenlicht des internationalen Rennsegelrennsports. In einem Monat gastiert die Segel-Formel 1 auf Deutschlands größter Insel, trägt ihre spektakulären Rennen vor Europas längster begehbarer Außenmole im Ostsee-Revier aus. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch stellten die Liga, das Germany SailGP Team by Deutsche Bank und die Gastgeber in Mecklenburg-Vorpommern ihre Pläne vor.
Die 2019 vom fünfmaligen America’s-Cup-Gewinner Russell Coutts und Oracle-Gründer Larry Ellison eingeführte Profiliga kommt in ihrer laufenden fünften Saison erstmals nach Deutschland. Zwölf Teams aus zwölf Ländern kämpfen bei zwölf Events um ein Saisonpreisgeld von zwölf Millionen US-Dollar. Die Rennen werden auf rasenden Rennkatamaranen ausgetragen. In ihrer Ursprungsversion als AC50ies beim America’s Cup in Bermuda 2017 zu sehen, wurden die OneDesign-Foiler mit Flügeln zwischen 18 und 30 Metern Höhe inzwischen stark weiterentwickelt.
In seiner erst zweiten Saison kämpft das Germany SailGP Team vom Wuppertaler Kommunikationstechnologie-Unternehmer Thomas Riedel und dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel um den Aufstieg. SailGPs Managing Director Andrew Thompson sagt: “Der SailGP ist anders als jedes Segeln, dass man je gesehen hat. Die Boote fliegen mit Highspeed von 100 Stundenkilometern in ikonischen Revieren rund um die Welt übers Wasser.”
Ich glaube sicher, dass Deutschland eines unserer größten und besten Events werden kann.” Andrew Thompson
Mit Blick auf den ersten SailGP in Deutschland sagte Andrew Thompson nach Verweis auf die “ikonischen SailGP-Häfen” rund um die Welt: “Ich glaube, Sassnitz sitzt sehr hübsch auf unserer Event-Liste.” Nach Regatten in Dubai, Auckland, Sydney, Los Angeles, San Francisco und New York läutet am kommenden Wochenende (19./20. Juli) der SailGP in Portsmouth die zweite Saisonhalbzeit ein.
Danach nimmt die Flotte Kurs auf Sassnitz, wo am SailGP-Wochenende insgesamt rund 20.000 Besucher erwartet werden. Rund 5600 Plätze bieten Tribünen und das Rennstadion an jedem der beiden Renntage auf den eigens aufgebauten Tribünen und im Rennstadion. Andrew Thompson blickt einem erhofft vollen Haus entgegen, sagte: “Die Ticketnachfrage ist unglaublich stark gewesen. Wir haben in den ersten 24 Stunden 2000 Tickets verkauft. Das hat uns dazu veranlasst, die Kapazitäten zu erhöhen.”
Dazu wies der internationale SailGP-Top-Manager auch noch einmal auf die Möglichkeit hin, auf eigenem Kiel nach Sassnitz zu kommen. Für kleinere und mittlere Boote gab es zuletzt wieder einige Liegeplatzmöglichkeiten. Hier geht es zum Kontakt via Stadthafen Sassnitz. Wer ein “BYO”-Ticket via sailgp.com bucht, kommt den Booten laut Liga auf dem Wasser bis unter 50 Metern nahe.
Wir möchten mit der lokalen Gemeinschaft zusammenarbeiten. Wir möchten die lokale Gemeinschaft unterstützen.” Andrew Thompson
Zu den Wirtschaftsperspektiven sagte Andrew Thompson: “Was die wirtschaftlichen Auswirkungen angeht, sind wir fest davon überzeugt, dass wir einen bedeutenden Beitrag für die lokale Gemeinschaft und die umliegenden Gemeinden leisten. Wir erwarten an diesem Wochenende über 20.000 Besucher in Sassnitz. Das entspricht einem wirtschaftlichen Umsatz von etwa 10 Millionen Dollar. Diese Zahl basiert auf unseren bisherigen Einschätzungen früherer Veranstaltungen. Wir wollen lokale Unternehmen, Bars, Restaurants, Hotels unterstützen, allen örtlichen Interessensgruppen Vorteile bringen.”
Begeistert äußerte sich Thompson über die bisherige Zusammenarbeit mit den Gastgebern: “Die Unterstützung und die Zusammenarbeit waren hervorragend! Wir sind superglücklich, dass wir einige großartige Partnerschaften für dieses Event aufbauen konnten.” Kein Geheimnis ist aber auch, dass der Deutschland-Premiere – anders als anderen SailGP-Events – ein Titelsponsor fehlt.
Andrew Thompson sagte dazu: “Das deutsche Team ist in der ziemlich glücklichen, eine fantastische Partnerschaft mit der Deutschen Bank zu haben. Ich denke, es ist ziemlich schwer für ein neues Event Unternehmenssponsoren zu finden, bevor es tatsächlich zu sehen war. Das ist unsere Erfahrung der letzten Jahre. Wir gehen davon aus, dass es in Zukunft mehr Unterstützung von Unternehmen geben wird, wenn wir erneut ein Event in Deutschland austragen.”
Das “wenn” war auch ein Hinweis darauf, dass über Sassnitz’ Zukunft als Austragungsport im SailGP noch nicht entschieden ist. Zehn Veranstaltungsorte sind für die kommende sechste Saison 2026 bereits bestätigt. Einziger verkündeter Europa-Stopp bislang ist Saint-Tropez. Angekündigt ist ein weiteres Event in Europa für September oder Oktober. Es könnte Sassnitz, aber auch ein anderer deutscher oder ein anderer europäischer Hafen werden. Mit den neu in die Liga gekommenen Italienern von Red Bull Italy kommen beispielsweise auch italienische Gastgeber in Frage.
Andrew Thompson sagte aber auch, der deutsche Markt sei ein “wachsender Markt für uns”. Und dies: “Wenn wir mal das Event dort etabliert und unsere Fernsehpublikum durch das ZDF (Red.: überträgt an beiden Renntagen live aus Sassnitz) erhöht haben, werden wir erfolgreich sein. Ich denke, es ist ein langfristiges Unternehmen für uns.”
Noch ist nicht entschieden, ob der SailGP nach der Premiere mit Sassnitz in die Zukunft segelt. Wovon diese Entscheidung abhängt, erklärte Andrew Thompson: “Wir gehen sicher alle davon aus, dass dies ein signifikantes Event sein wird, das viele Menschen nach Sassnitz bringt. Ich denke, in erster Linie ist es die Größe der Veranstaltung, die sicherstellt, dass wir Menschen dazu bewegen können, sich die Veranstaltung persönlich anzusehen. Das ist einer der Faktoren. Natürlich möchten wir auch wirtschaftliche Impulse für die Region setzen. Das ist der entscheidende Punkt, den wir prüfen werden.”
Weiter erklärte Andrew Thompson: “ Und dann geht es auch darum, wie wir in Zukunft mehr Unterstützung von Unternehmen für die Veranstaltung gewinnen können.” Die SailGP-Macher, so Thompson, “wollen immer sicherstellen, dass wir dem Publikum, unseren Partnern und den Teams ein fantastisches Produkt bieten. Das werden wir nach der Veranstaltung ebenfalls überprüfen. Generell möchten wir langfristige Beziehungen zu unseren Veranstaltungen aufbauen und sicherstellen, dass wir den Veranstaltern einen langfristigen Mehrwert bieten.”
Sassnitz’ Bürgermeister Leon Kräusche sagte zum Großereignis für seine Stadt mit gut 9000 Einwohnern, die mehr als doppelt so viele Gäste erwartet: “Es ist eine richtig große Herausforderung für uns. Aber eine Herausforderung hat ja auch immer etwas Positives. Man ist mutig. Und wir haben ein tolles Team kennengelernt. Wir haben enge Kontakte mit allen Organisatoren.” Wie man so ein “Big Event” angehe? Kräusche sagte: “Man hat regelmäßige Meetings, packt die Themen auf den Tisch und versucht, Lösungen zu finden.”
Gerade diese Sportart mit der Begeisterung ist das natürlich etwas, wo wir auf uns und auf unsere wunderschöne Natur aufmerksam machen können.” Leon Kräusche
Leon Kräusche stellte die Frage selbst: “Warum machen wir das? Es sind bestimmte Voraussetzungen: Wir haben die längste begehbare Mole in Europa, die 1,4 Kilometer lange Ostmole. Wir haben ein tolles Seegebiet. Wir haben Vorassetzungen geschaffen, dass die logistischen Themen bedient werden können. Und wir haben auch uns selbst gesagt: Warum nicht was Neues machen? Wenn wir einen Standort entwickeln wollen, darauf aufmerksam machen möchte, dann muss man neue Wege gehen.”
Wir fahren hier vor einem Unesco-Weltkulturerbe. Die Kreidefelsen sind direkt im Hintergrund.” Leon Kräusche
Der Bürgermeister wies auch auf die parallel stattfindende Sail Sassnitz hin, die für einen sehr belebten Stadthafen und imposante Bilder auf dem Wasser sorgen dürfte, wenn sich dort Traditionsschiffahrt inklusive Mitsegelgelegenheiten und die furiosen Foiler begegnen. “SailGP und Sail Sassnitz passen zusammen”, hielt Kräusche fest. “Das maritime Volksfest verbindet die beiden Bereiche, die Technik-Area und auch die Tribünenbereiche”, so Kräusche. Sein Sassnitz-Team stehe vor großen Herausforderungen, doch treten die Gastgeber dem Gipfel dynamisch entgegen.
Wir trauen uns das zu.” Leon Kräusche
Für das 2023 durchgestartete Germany SailGP Team sagte CEO Tim Krieglstein: “Meine Aufgabe ist es einseins, das Team erfolgreich zu machen. Als Team sportlich, aber natürlich auch für die Gesellschafter, die in das Team investiert haben und an das Team glauben.” Krieglstein glaubt daran, dass das Foiling den Segelsport “viel spannender für eine größere Gruppe an Menschen macht.” Als Team wolle der deutsche Rennstall diese Begeisterung nach Deutschland tragen.
Mit Blick auf die Lage der Liga und die Arbeit seines deutschen Teams sagte Krieglstein: “Zu den wirtschaftlichen Rahmendaten – das ist auch kein Geheimnis: Im Moment gibt es eine Budget-Begrenzung im SailGP: Kein Team darf mehr als zehn Millionen Dollar ausgeben. Etwa die Hälfte davon braucht man, um das Boot zu betreiben und das Boot um die Welt zu schicken. Die andere Hälfte steht uns als Team zur Verfügung.”
Wir sind eine rennsportbegeisterte Nation. Das kann man ganz klar so sagen. Neben dem Fußball. Da haben wir, glaube ich, eine ganz große Chance, mit SailGP da anzuknüpfen.” Tim Krieglstein
Zur Partnerschaft mit der Deutschen Bank erklärte Tim Krieglstein: “Die leisten einen guten und erheblichen Beitrag. Aber man sieht ja schon bei uns auf dem Boot: da ist noch viel Fläche frei. Insofern schreiben wir sogar noch massive Verluste. Man hat natürlich immer den Wunsch, dass es schneller geht. Ich komme aus dem Sponsorship-Markt, war immer im Sportmarketing unterwegs. Ich habe gesagt, es dauert drei vier Jahre. Wir sind jetzt in Jahr zwei.”
Tim Krieglstein sagte, sein Team erfahre “superviel Interesse”. Doch befände es sich nach wie vor im Aufbau. “Im ersten Jahr mussten wir den Leuten erst einmal erklären, was SailGP ist. In diesem Jahr sehen wir bei den Sponsoren wachsendes Interesse. Jetzt bei den europäischen Events werden viele Leute vor Ort sein, sich das live angucken. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der nächsten Saison, spätestens mit der übernächsten diese Lücke gschlossen haben, dass es entweder wirtschaftlich funktioniert, oder zumindest nur kleinere Verluste anfallen.”
Dabei wird auch der sportliche Erfolg eine Rolle spielen, den das Team um seinen Fahrer Erik Kosegarten-Heil aus Strande anstrebt. Das Germany SailGP Team by Deutsche Bank kämpft mit dem zweimaligen Olympia-Dritten in seinem erst zweiten Liga-Jahr um den Aufstieg. Ein historisches Strafpunktgewitter hatte den GER-Rennstall in Sydney stark zurückgeworfen. Inzwischen hat sich das Team aus der Minuspunktzone herausgekämpft, will wieder vorrücken.
Erik Kosegarten-Heil sagte vor dem britischen SailGP-Gipfel und dem folgenden Heimspiel: “Wir werden in England etwas risikomotivierter an den Start gehen und freuen uns dann extremst auf Sassnitz. Das wird der Hammer! Wir hoffen, das Feuer in Deutschland entfachen zu können, das wir rund um die Welt erleben.”
Die zu erwartenden Bedingungen im Ostsee-Revier von Sassnitz beschreibt der erfahrene Olympiasegler als verlockend: “Sassnitz hat überraschenderweise eine der besten Windstatistiken Deutschlands im August. Mit Südwestwind, 70 Prozent zwölf bis 16 Knoten. Was bei Flachwasser für uns ideal wäre. Besser kann es laut Statistik nicht gehen.”
Das Revier, so Kosegarten-Heil, böte eine gute Chance, “das Produkt F50 und den SailGP wirklich gut zu zeigen”. Zwar habe sein Team dort noch nicht gesegelt, doch verglich der deutsche Pilot das Revier mit jenem vom Olympiastützpunkt Kiel, “mit ablandigen Winden, ein bisschen drehig, aber relativ flaches Land davor.”
Man habe einen relativ soliden Wind. Einen Haken aber gibt es, wie der Steuermann weiß: “Wenn wir Ostwind haben, dann wird es tricky. Ostwind, viel Wind, dann wird es spektakulär für die Zuschauer, aber Horror für die Segler, glaube ich. Weil dann die Welle kommt. Und mit Welle ist unser Boot sehr schwer zu segeln. Aber ich glaube, wir haben wirklich eine gute Chance, dass was Gutes kommt.”
Davor steht die Herausforderung des SailGP-Gipfels in Portsmouth am kommenden Wochenende. Zu den ZDF-Liveübertragungen am 19. und 20. Juli ab 17 Uhr deutscher Zeit geht es hier. Die Zwischenstände der Saisonmeisterschaft finden sich hier.
Rückblick! Der letzte SailGP-Gipfel stieg im Big Apple. Was da los war, ist bald auch in Sassnitz live zu erleben: