SailGP“Die beste Liga des Segelsports” – Team Germany im Vorwärtsgang

Tatjana Pokorny

 · 19.01.2025

Haariges Manöver für das Germany SailGP Team.
Foto: Bob Martin for SailGP
Nach Bruchauftakt konnte sich das Germany SailGP Team am Super-Sonntag in Auckland in Starkwind und actiongeladenen Rennen wieder vorarbeiten. Die gastgebenden Kiwis verpassten den Finaleinzug vor 8000 Zuschauern auf ausverkaufter XXL-Tribüne um einen Punkt. Australiens Rekordsieger dagegen agierten souverän. Nosedives, Bruch und Verletzungen zeigten die Formel 1 des Segelsports auch im Grenzbereich.

Australien vor Spanien und Großbritannien – so sah es am Ende des zweiten SailGP-Gipfels der fünften Saison in Auckland aus. Tom Slingsby und seine Grün-Gelben liefen zu früherer Stärke auf, kamen am besten mit den neuen T-Foils zurecht und meisterten auch die starkwindigen Rennen am Finaltag souverän.

Favoriten auf dem SailGP-Podium

Mit Ausnahme der top-favorisierten Neuseeländer, die als Gesamt-Vierte auch mit technischen Problemen an Bord ihres F50-Katamarn zu kämpfen hatten, standen in der “City of Sails” die Favoriten auf dem Podium. Das Germany SailGP Team um Steuermann Erik Heil konnte sich nach dem unverschuldeten Bruch der Ruderstange am Vortag in der Gesamtleistung deutlich steigern.

Ich hatte das Gefühl, es ist 25-Knoten-49er-Racing.” Erik Heil

In Winden bis 25, 26 Knoten wusste der zweimalige 49er-Olympia-Dritte Erik Heil schon vor den Rennen um die Herausforderungen des Tages: “Wir waren uns ziemlich sicher, dass sich die Teams ihre Boote alle zerschießen. Wenn du es selbst sicher hälst, fährst du so um die Top-Sechs herum.” Erik Heils Prognose trat ein: Das Germany SailGP Team holte am zweiten Tag beim ITM New Zealand Sail Grand Prix in Auckland die Ränge sechs, sieben und fünf.

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Nach dem Bruch am Vortag reichte die gute Leistung noch zu Platz acht im Klassement der elf Teams. “Wir hätten in den Starts noch ein bisschen pushen können, aber als ich gesehen habe, wie einige Teams da doch auch seitlich weggerutscht sind… Du kannst auch auf T-Foils so hoch fliegen, dass du seitlich rutschst. Wir hatten auch ein paar wilde Momente. Aber es haben sich schon heute ein paar Teams das Boot zerschossen. Und es gab auch einige Verletzungen. Bei den Spaniern lief am Abend die Hälfte der Crew nicht mehr ganz gerade.”

SailGP: mehr Rennen, mehr Action

In seiner Crew gehe es allen gut, so der 35-jährige Profi aus Strande bei Kiel. Der deutsche Rennkatamaran sei “überwiegend heil” geblieben, sagte Erik Heil nach den fordernden Rennen fünf, sechs und sieben am Sonntag. Mit insgesamt sieben Läufen war das Fleetracing-Programm bei dieser SailGP-Regatta erstmals noch umfangreicher ausgefochten worden als mit den bislang stets fünf Flottenrennen bis zum Finale.

Ganz problemfrei war auch der deutsche Rennkatamaran am actiongeladenen Sonntag nicht geblieben. Erik Heil berichtete: “Wir hatten wieder so ein Hydroproblem mit Öl-Leck. Deswegen haben wir heute im zweiten Rennen des Tages immer ein bisschen verloren, weil das Board nicht mehr richtig funktioniert hat. Aber insgesamt können wir uns heute nicht sehr über technische Probleme beschweren.”

Ob das Gefahrenpotenzial für Segler und Boote inzwischen bei der Liga zu hoch ist? Heil Heil sagte: “Die T-Foils sind neu. Darauf müssen sich alle erst einstellen. Es ist grenzwertig jetzt mit den neuen Foils, in der Zukunft aber bestimmt handelbar.” Schon jetzt seien die Teams auf einem Niveau gefahren, so Heil, “dass du ziemlich sicher warst, dass alle ihre Boote gut handeln können. Hier werden ja nicht irgendwelche Segler auf die Boote losgelassen. Das sind alles sehr erfahrene Profis.”

Schöne Segelschau mit Schönheitsfehler

Ob die Wahl der größeren Flügelsegel für die Flotte der elf Geschosse, in der Frankreich wie schon beim ersten Saison-Event in Dubai fehlte, weil deren Boot noch nicht rennbereit war, in den starken Winden am Sonntag die richtige war?

Erik Heil bejahte: “Man natürlich auch die kleineren Wings wählen können. Aber die hätten nicht die Trägheit gehabt und die Boote extrem instabil gemacht. Wenn man abfallen und anluven kann, ist es fast leichter, mit den großen als mit den kleinen zu segeln. Da ist nur die Frage, wann die Lasten zu hoch werden und uns die Dinger um die Ohren fliegen.”

Gegen Ende des Finaltages waren die Winde auf 21, 22 Knoten wieder etwas runtergegangen, die Böen von 27, 28 Knoten aber auf dem kleinsten Rennkurs der Liga vor 8000 Fans auf der ausverkauften Maxi-Tribüne geblieben. Das Publikum erlebte eine Segelshow, die es in sich hatte. Nur einen Schönheitsfehler gab es aus Sicht der Gastgeber: “Das eigene Team verpasste entgegen aller Prognosen und Hoffnungen das Finale. Sogar Superstar Peter Burling und seine Kiwis hatten dabei– fast parallel zum Germany SailGP Team – einen heftigen Nosedive zu überstehen.

America’s-Cup-Teams und Titelverteidiger glänzen

Erik Heils Bilanz in der Balance zwischen Bruch und guter Team-Leistung: “Wir hätten fast alle Rennen Top-Sechs fahren können. Wir könnten uns an einem normalen Rennwochenende gut im Mittelfeld bewegen.” Man habe sehen können, wie die Top-Teams ihre Erfahrungen aus dem America’s Cup nutzen. Erik Heil sagte: “Tom Slingsby hat mit American Magic gut America’s-Cup-Erfahrung mit T-Foils gesammelt, die Briten aus ihrem Team gute Ideen mitgebracht.”

Die Vorstellung der Kiwis, die als America’s-Cup-Sieger am meisten Cup-Erfahrung mitbringen, war dabei unbeständig. Erik Heil sagte: “Die waren grenzwertig unterwegs. Die hatten auch Hydroprobleme wie wir und konnten dadurch den Rake teilweise nicht so gut bewegen.”

Im Detail erklärte der Fahrer und Antreiber im Germany SailGP Team von Unternehmer Thomas Riedel und dem viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel: “Da sind so Kompressionsreservoire und die müssen vollgeladen sein. Dann kannst du eben was bewegen. So ein Problem hatten wir auch: Wenn die Boards sich bei der Einleitung eines Manövers zu lange gegen einen Widerstand runterarbeiten müssen, hattest du auf einmal beim Manöver keinen Rake-Druck mehr, konntest das Boot nicht mehr korrekt fliegen.”

Die “beste Liga” – mit Optimierungspotenzial

Unter dem Strich bleibt Erik Heil trotz der immer wieder auftretenden Tech-Herausforderungen bei seiner Einschätzung: “Es ist immer noch die beste Liga, die der Sport je hatte. Es ist immer blöd, dass wir nicht genügend Training haben. Es engagieren sich und zahlen viele Leute dafür, dass die Liga genügend Training möglich macht. Das ist also ein bisschen schade. Aber die Liga lernt auch immer wieder viel dazu. Die Tech-Teams lernen, in welcher Art und Weise Probleme gelöst werden. Da müssen die Prozesse noch weiter Formel-1-mäßig optimiert werden, die dazu führen, dass man auch wirklich gigantisch unterwegs ist.”

Dass es am Sonntag auch Verletzte gab, bleibt eine weitere Zukunftsaufgabe der Liga und ihrer Teams. In der kanadischen Crew trug der Flight Controller nach ersten Erkenntnissen der Segler vermutlich einen Schlüsselbeinbruch davon. Im spanischen Team zog sich Nicole van der Velden eine Knieverletzung zu. Viele weitere Segler und Seglerinnen verließen ihr Spielfeld mit Blessuren. “Bei den Spaniern ging nur noch die halbe Crew gerade, als ich sie gerade traf”, berichtete Erik Heil nach den Rennen.

In der Saisonwertung hat nach zwei von 14 Events Team Emirates GBR mit America’s-Cup-Steuermann Dylan Fletcher die Führung vor Neuseeland und Australien übernommen. Das Germany SailGP Team ist auf Platz neun vorgerückt, hat Kanada und die Neuzugänge aus Italien und Brasilien hinter sich gelassen. Hier geht es zu den Zwischenständen im Saisonklassement.

Die nächsten Stopps der SailGP-Liga

Der SailGP wird am 8. und 9. Februar im australischen Sydney auf prominenter Wassersportbühne fortgesetzt, bevor die Liga ab Mitte März ihre beiden US-Gastspiele in Los Angeles und San Francisco ansteuert und im Mai die Rio-Premiere in Brasilien folgt. Danach steigt am 7. und 8. Juni das Kräftemessen in New York, bevor die europäische Saison mit fünf Regatten eingeläutet wird.

Der Leckerbissen 2025 aus deutscher Sicht: der SailGP-Gipfel in Sassnitz vor Rügen am 16. und 17. August. Das Ostsee-Gastspiel der F50-Flotte wird dann schon den zweiten Segelhöhepunkt binnen einer Woche in einem deutschen Segelrevier markieren. Am Wochenende zuvor fällt vor Kiel am 10. August der Startschuss zum Ocean Race Europe. Boris Herrmann und Team Malizia sind dabei.

REPLAY! Die Live-Übertragung vom SailGP-Finaltag in Auckland:

Das Germany SailGP Team in der ZDF-Nahaufnahme:

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