SailGPDer Wunsch für Sassnitz – “Ein richtiges Ausrufezeichen setzen!”

Tatjana Pokorny

 · 03.08.2025

Erik Heil beim SailGP in Portsmouth.
Foto: Felix Diemer for SailGP
Die kommenden zwei Wochen stehen im deutschen Norden im Zeichen des Segelsports: Erst startet nach fünftägiger Festwoche (ab 6. August) das Ocean Race Europe am 10. August in Kiel. Dann steigt am 16. und 17. August der erste deutsche SailGP in Sassnitz. Nach bislang stark forderder Saison will Team Germany auf der heimischen Ostsee mehr zeigen. Steuermann Erik Kosegarten-Heil blickt voraus.

Ein Wunsch für den ersten deutschen SailGP in Sassnitz? Erik Kosegarten-Heil muss nur einen kleinen Moment überlegen, sagt dann: “Wenn man sich etwas wünschen könnte, dann wäre das, in Sassnitz ein richtiges Ausrufezeichen in die Saison zu setzen!” Hinter seinem Team liegt etwas mehr als die erste Halbzeit der insgesamt fünften SailGP-Saison. Für den deutschen Rennstall ist es erst die zweite.

Team Germany hungrig auf Kurs Sassnitz

Das haben sie in diesem Jahr trotz vieler Fortschritte hart zu spüren bekommen. Weil es in der immer noch recht jungen Formel 1 des Segelsports kaum Trainingsmöglichkeiten gibt, erfordert der Aufstig ins Oberhaus Nehmerqualitäten und Geduld.

Vor der Deutschland-Premiere liegt das deutsche SailGP-Team im Saisonklassement mit null Punkten auf Platz elf unter zwölf Teams, weil zunächst satte zwölf Strafpunkte aus Sydney abgetragen werden mussten. Dahinter noch liegen die Amerikaner, die ohne das ganz große Strafpunktgewitter für die Deutschen auch nicht mehr Punkte auf dem SailGP-Konto haben. Hier geht es zu den Saisonständen.

Nach Platz elf beim siebten von zwölf SailGPs im britischen Portsmouth will der deutsche Rennstall des Unternehmers Thomas Riedel und des viermaligen Formel-1-Weltmeisters Sebastian Vettel, in den auch Wacken-Open-Air-Gründer Holger Hübner und der E-Sports-Kenner und ESL-Gründer Ralf Reichert investiert haben und die Deutsche Bank als Presenter und Partner an Bord ist, beim “Heimspiel” vor Rügen punkten.

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Schwarz-Rot-Gold hat die Starts im Fokus

Mit der offensichtlichen Startschwäche und dem in Portsmouth “schlechtesten Startschnitt aller Zeiten” von 8,9 haben sie sich intensiv auseinandergesetzt. Der “Winning-Schnitt” liegt an einem Rennwochenende etwa bei 5,4. Zur verfügbaren Datenflut für die intensiven Teamanalysen hat sich Erik Kosegarten-Heil noch ein Video mit allen Starts der gesamten Saison zusammengeschnitten – von 2:30 vor jedem Start bis eine Minute danach.

“Wir haben im Laufe der letzten Rennen immer mehr Details zu einem starken Bild zusammengefügt, wie der Start auszusehen hat”, sagte Erik Kosegarten-Heil. Das könne aber im Detailreichtum ab einem gewissen Punkt auch “zu viel” sein. “Je besser wir als Team sind, je weniger reden wir miteinander”, beschreibt Grinder Felix Van den Hövel die Optimierungsrichtung.

Vereinfachung und Automatisierungsprozesse sind weiter ein wichtiges Ziel. Das ist keine leichte Aufgabe für neuere Teams, die dem Erfahrungsvorsprung vor allem in Teams der ersten Stunde hinterherarbeiten, die schon im fünften Jahr auf den F50-Foilern Gas geben. Da bringt der SailGP in Sassnitz eine so seltene wie willkommene Chance: Das Germany SailGP Team darf – wie drei weitere Teams vor dem Showdown am 16. und 17. August mehrere Tage auf den Booten trainieren.

Mit einem neuen Team nicht trainieren zu können, ist eben wild. Die Trainingstage in Sassnitz werden uns helfen.” Erik Kosegarten-Heil

“Wir werden von Tag eins an Brasilien mit auf dem Kurs haben. Wir werden aktiv Starts trainieren. Ab dem zweiten Tag sind wir dann vier Teams auf dem Wasser. Es gibt sonst meist kein Training zwischen Events. Du baust alles in der Theorie zusammen. Die Trainingstage in Sassnitz werden eine große Chance für uns sein”, erklärt Erik Kosegarten-Heil den Wert des vorausliegenden Trainings.

Der Schlüssel für gelungene SailGP-Starts

Die Starts, meist von großer Bedeutung im Segelsport, im SailGP in aller Regel schon vorentscheidend, könne man so anlegen wie die Franzosen es oft tun, erklärt der deutsche Fahrer: “Die fahren oft früh rein, setzen sich an die Boundary, dann los. Das ist aber nicht der durchschnittlich schnelle Start. Der Schlüssel ist, das Boot schnell zu halten und im Timing zu bleiben. Dafür muss man aber mal Training haben…”

In kurzen Übungsrennen vor den Grand-Prix-Gipfeln sah das deutsche Team schon oft sehr gut aus in den Starts. Doch diese Warm-Ups werden in der Regel nur mit halben Flotten von sechs Booten gesegelt. “Das ist kein Vergleich”, weiß Erik Kosegarten-Heil nur zu gut. Sein Ausblick: “Ich habe von mir selbst eingefordert und es auch von ein paar anderen gehört, dass wir uns einfach darauf fokussieren, dass ich das Leadership am Start habe. Wenn ich sage “my boat”, dann hat auch keiner was zu sagen. Natürlich liegt dann auch die Last auf mir, die Sachen alle zu erkennen und zu handeln, aber es ist nicht anders möglich.”

Die Kommunikation an Bord von straff zu minimal noch weiter zu reduzieren, ist Teil des Optimierungsprozesses an Bord. Der beinhaltet auch, keine Fehler wie in Portsmouth aufkommen zu lassen, als sich der taktisch aktive Grinder Will Tiller und Erik Kosegarten-Heil tatsächlich rein verbal missverstanden hatten und daraus ein verpatzter Start resultierte.

Warum die SailGP-Aufholjagd so schwer ist

Für Erik Kosegarten-Heil, für den es in Jollenklassen und im olympischen Segelsport meist nur aufwärts ging, sind die in dieser Saison wegzusteckenden Rückschläge neu. Er sagt: “Man setzt das natürlich in Relation. Man weiß ja, wie viel Training man hat – oder eben nicht. Man weiß, dass man früher bei 200 Tagen Training im Jahr angefangen hat aufzuholen. Wenn man hier nun das Gleiche versucht, mit einem viel komplexeren Boot, mit einer viel komplexeren Struktur, in 39 Tagen pro Jahr, dann ist dir auch bewusst: okay, die Aufholjagd wird nicht schneller gehen.”

Positiv nimmt der Steuermann auf Kurs SailGP in Sassnitz mit, “dass wir in Portsmouth über die ganze Rennserie zum ersten Mal ab Marke eins Boote gutmachen konnten”. Welche Teams er in Sassnitz als besonders stark erwartet? Der zweimalige olympische 49er-Bronzemedaillengewinner sagt: “Das wird von den Bedingungen abhängen. Vor Portsmouth hätte ich Australien, Kanada, Spanien und Großbritannien gesagt. Mit den T-Foils waren die erst einmal am stärksten.”

Die Herausforderung SailGP

Jetzt, so sagt er, habe Neuseeland in Portsmouth gewonnen und auch die Schweiz sei plötzlich im Finale gewesen. Es gehe so eng zu im SailGP, dass man in einem Rennen ganz hinten läge und im nächsten ein Ausrufezeichen setze. Genau das wünscht sich Erik Kosegarten-Heil fürs Heimspiel vor Sassnitz am 16. und 17. August. Restkarten für das Rennwochenende mit Stadion und XL-Tribünen auf Europas längster begehbarer Außenmole auf Deutschlands größter Insel sind hier noch zu haben.

Die SailGP-Kombination ist wahrscheinlich die größte Challenge, die segelsportlich je existiert hat.” Erik Kosegarten-Heil

Die Motivation des deutschen Steuermanns für den SailGP ist unverändert riesig: “Ich finde einfach Wettkampf toll. Eine größere Herausforderung, als das, was wir hier vorantreiben, hatten wir bislang noch nicht. Mit den Gegebenheiten, den wenigen Trainingsmöglichkeiten, mit den Top-Leuten aus dem weltweiten Segelsport, mit den Top-Booten, ist es wahrscheinlich die größte Herausforderung, die es im Segelsport gibt.”

Das war Portsmouth! Der Rückblick aufs erste europäische Rennwochenende der fünften SailGP-Saison und starke Einblicke ins deutsche Teamgeschehen hinter und vor den Kulissen, bevor es am 16. und 17. August in Sassnitz weitergeht:

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