SailGPAls mutige neue Macht ins Finale mit Olympia-Déjà-vu

Tatjana Pokorny

 · 05.10.2025

Das Finaltrio von Cádiz: Neuseeländer, Deutsche und Briten.
Foto: Felix Diemer for SailGP
Wer erinnert sich noch ans olympische 49er-Finale 2021 in Enoshima? Dylan Fletcher gewann damals im Thriller mit Stuart Bithell Gold. Den neuseeländischen Top-Favoriten Peter Burling und Blair Tuke blieb Silber. Erik Kosegarten-Heil und Thomas Plößel gewannen ihre zweite Bronzemedaille. Genauso ging heute das SailGP-Finale in Cádiz zu Ende…

Mit mutigen Wow-Starts und einer großen Portion Souveränität hat Team Germany nur zwei Wochen nach dem ersten Triumph auf dem Genfersee schon wieder ein SailGP-Finale erreicht. Beim vorletzten Event der fünften Saison zogen Erik Kosegarten-Heil und seine Crew als zweitbestes Team nach sieben Fleetraces in den entscheidenden Lauf ein.

Wenn aus Einzelteilen ein fertiges Puzzle wird

Hier wiesen Briten und Kiwis den deutschen Rennstall dann doch in die Schranken. Was der Erkenntnis keinen Abbruch tat, dass Schwarz-Rot-Gold nun schon seit geraumer Zeit konstant Güte auf hohem Niveau serviert. Ist das schon der lang ersehnte dauerhafte Durchbruch? Erik Kosegarten-Heil sagt dazu: “Wir haben immer einzelne Bausteine gut hinbekommen. Es gelingt uns jetzt aber zunehmend gut, das gesamte Puzzle zusammenzusetzen.”

Das gilt auch für den Steuermann selbst, dem Coach Lennart Briesenick gegen Ende des zweiten SailGP-Jahres für Team Germany ein “viel besseres Gefühl” bescheinigt. “Ich glaube, da hat sich ein Schalter umgelegt. Wir wissen mehr und mehr, wie verschiedene Starts zu spielen sind”, erklärte Briesenickt, nachdem vom deutschen Team als “Mini-Slingshot-Starts” bezeichnete Renneröffnungen in Serie auffallend gut funktionierten.

Diese Starts sind angelehnt an die für Team Frankreich typischen Starts: Les Bleus holen oft und gerne sehr weit aus und stoßen dann zum Start von weit hinten mit höherem Tempo zum Start nach vorne durch. Team Germany exerzierte mehrfach erfolgreich eine ähnliche, aber nicht ganz so weit ausholende Variante. “Das bedeutet ein bisschen weniger Risiko, ist aber auch nicht ganz risikolos”, erklärt Lennart Briesenick.

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Die “Mini-Slingshot-Starts” der Deutschen

Auch der “Mini-Slingshot-Start” setzt darauf, nicht mit den anderen vorne platzierten Teams aus der formierten ersten Reihe zu starten, sondern sich der Startlinie von weiter hinten mit höherem Tempo zu nähern. Voraussetzung für den Erfolg dieser Variante ist es, mit optimalem Timing die notwendige Lücke zum Durchbruch zu finden. Dafür wiederum sind ein guter Flottenüberblick, Antizipationsvermögen und Reaktionsschnelligkeit erforderlich. Und allem liegt Erfahrung im Flottenverhalten zugrunde.

Schwarz-Rot-Gold glänzte an diesem Wochenende in allen diesen Disziplinen. Erik Kosegarten-Heil und seine Crew waren so konstant gut, dass sie auch als Spitzenreiter ins Dreier-Finale am Sonntag hätten einziehen können. Hätten. Können. Denn da war noch der Penalty, den das Team im Infight mit den Franzosen im vierten Rennen am Samstag kassiert hatte. Weil sich ein bestraftes Team hinter seinen Gegner zurückfallen lassen muss, die Franzosen aber von den Foils gefallen waren, hatte sich die Bereinigung für die Deutschen qualvoll lange gestaltet und in der Folge in diesem Rennen auf den zwölften und letzten Rang geführt.

Erst am Sonntag wurde bekannt, dass sich der Schiedsrichter später für seine falsche Entscheidung bei Team Germany entschuldigt hat. Eine Wiedergutmachung gibt es in solchen Fällen im SailGP nicht. „Ohne die Fehlentscheidung am Samstag wären wir wahrscheinlich als Erste ins Finale gegangen. Es ist der absolute Wahnsinn. Der aufsteigende Trend bleibt bei”, freute sich Erik Kosegarten-Heil trotzdem über die erneut starke Leistung seiner Mannschaft.

Wir hatten supergute Fleetraces und sind auch über den Kurs ganz gut vorwärts gekommen.” Erik Kosegarten-Heil

Für ihn brachte das Cádiz-Finale noch ein besonderes Olympia-Déjà-vu: Team Germanys Steuermann traf auf die beiden Steuermänner, mit denen er vor vier Jahren im olympischen 49er-Finale im Revier von Enoshima um die Medaillen rang. Die andalusische SailGP-Variante endete an diesem Sonntag genau wie am 2. August 2021: Dylan Fletcher gewann vor Peter Burling und Erik Kosegarten-Heil, der damals mit Thomas Plößel zur zweiten Bronzemedaille gesegelt war.

Kiwis mit “magischem Move”

Der deutsche Steuermann verneigte sich später vor den Kiwis, denen er einen “magischen Move” attestierte, als sie sein Team im Start luvten und auf diese Weise Team Germany und die Briten wieder zusammenbrachten, um selbst zunächst davonzueilen. Die Führung zwischen Neuseeländern und Briten wechselte mehrfach, bevor sich die Briten schließlich durchsetzten.

Erik Kosegarten-Heil sagte in seiner Bilanz am Sonntagabend: “Im Finale haben wir den Speed der beiden anderen guten Jungs nicht ganz halten können, sind etwas zurückgefallen. Am Ende hat sich noch einmal eine Chance eröffnet. Da haben wir gehofft, doch noch einen Platz holen können. Das ist nicht passiert, aber es war cool, ein Event so zu beenden.”

Mit dem Cádiz-Ergebnis hat sich die Liga für das große Finale in Abu Dhabi formiert. Noch immer, nur in anderer Reihenfolge, besetzen die SailGP-Schwergwichte die ersten drei Plätze, die nach den letzten Fleetraces in Abu Dhabi zum Einzug ins Finale um zwei Millionen US-Dollar berechtigen werden. Team Emirates GBR (85 Punkte) führt vor den neuseeländischen Black Foils (82 Punkte) und den australischen Rekordsiegern Bonds Flying Roos (80 Punkte).

​Eine Mini-Last-Minute-Chance auf den Einzug in den Showdown wahrten die spanischen Titelverteidiger, die den America’s-Cup-erfahrenen Rennställen im vergangenen Jahr die SailGP-Krone abtrotzen konnten. Los Gallos (76 Punkte) verpassten zwar beim Heimspiel als Fünfte das Finale, liegen aber nur vier Zähler hinter Tom Slingsby und seinem australischen Team zurück. Hier geht es zur SailGP-Tabelle nach elf Events und vor dem Finale in Abi Dhabi.

Vom verpatzten Finalstart der Briten bis zum Cádiz-Sieg – was Dylan Fletcher, Peter Burling, Erik Kosegarten-Heil und die weiteren Skipper zu ihren Leistungen am Wochenende sagten:

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