Tatjana Pokorny
· 24.01.2024
Die Vorzeichen für einen gelungenen WM-Start ins Olympiajahr könnten für Deutschlands Ilca-7-Asse kaum besser sein: Ihre Weltmeisterschaft startet am 26. Januar im Traumrevier vor Adelaide. Gleich um die Ecke in Melbourne hatte Deutschlands erfolgreichster Laser-Steuermann Philipp Buhl im Februar 2020 seinen ersten WM-Titel gefeiert.
Damals hatte der Allgäuer als erster deutscher Lasersegler historisches WM-Gold geholt. Die oft wind- und wellenreichen australischen Gewässer liegen dem 34-Jährigen, der für den Norddeutschen Regatta Verein und auch den heimischen Segelclub Alpsee-Immenstadt startet. Auf seinem Kurs zur dritten Olympiateilnahme im Sommer in Marseille hat der Dauerbrenner nach dem WM-Dämpfer in Den Haag im Sommer 2023 zuletzt überzeugend zu alter Stärke zurückgefunden.
Bei der Ilca-7-Meisterschaft für Ozeanien und Australien hat Buhl Mitte Januar in Down Under demonstriert, dass mit ihm im Kampf um die WM-Medaillen zu rechnen ist. Da hatte er sich im WM-reifen Feld nach guter Serie mit zwei Siegen am Finaltag noch auf den dritten Podestplatz hinter Olympiasieger Matt Wearn aus Australien und dem Neuseeländer Tom Saunders katapultiert.
„Bei der Meisterschaft lief es in allen Bedingungen erstaunlich gut. Das war ein schöner Booster. Man will sich ja vor einer WM beweisen, um dann mit viel Selbstbewusstsein zu starten. Das war gut“, zog Buhl nach dem erfolgreichen Vorspiel in Adelaide eine erste Zwischenbilanz. Buhls Teamgefährte Nik Willim hatte bei der offenen nationalen Meisterschaft Platz 15 erreicht.
Buhl und Willim setzen bei der Ilca-7-WM ihr Duell im Rahmen der dreiteiligen nationalen Olympia-Ausscheidung fort, die Buhl nach Teil eins und vor dem WM-Start mit vier Punkten Vorsprung anführt. Eine der spannendsten Fragen vor der WM lautet daher: Kann Philipp Buhl bei den Welttitelkämpfen mit 153 Startern aus 52 Nationen bereits eine Vorentscheidung zu seinen Gunsten erzwingen? Oder kann Nik Willim vom Norddeutschen Regatta Verein gegenhalten, den Dreiteiler spannend gestalten und gar selbst in Führung gehen?
Die finale Entscheidung, wer das einzige Ilca-7-Ticket für die olympische Regatta (28. Juli bis 9. August) lösen kann und den bereits gesicherten deutschen Nationenstartplatz in Marseille besetzen darf, fällt wie auch in weiteren olympischen Segeldisziplinen spätestens beim Mallorca-Klassiker Trofeo Princesa Sofía bis zum 6. April.
Fünf weitere aufstrebende deutsche Ilca-7-Steuermänner machen die starke deutsche Gruppe in Adelaide komplett. Im Einsatz sind Justin Barth (Berliner Yacht-Club), Tim-Felipe Conradi (Duisburger Yacht-Club), Julian Hoffmann (Verein Seglerhaus am Wannsee/Segelclub Alpsee-Immenstadt), Nico Naujock (Verein Seglerhaus am Wannsee) und Philip Walkenbach (Seglerverein Potsdamer Adler). Das junge Ilca-7-Quintett wird bei der WM vom Österreicher Andreas Geritzer betreut, während sich DSV-Coach Alex Schlonski auf die beiden Top-Akteure Buhl und Willim konzentriert.
Da hat Philipp die Latte bei mehr Wind so hochgelegt, dass auch Top-Leute wie Matt Wearn oder Micky Beckett keine Chance mehr gegen ihn hatten” (Alex Schlonski)
Gemeinsam arbeiten sie seit Ende Dezember in Down Under für WM-Erfolge. „Wir sind seit fast einem Monat hier. Es war ein guter Monat. Die Jungs haben sich gut akklimatisiert. Es war richtig und wichtig, die australische Meisterschaft mitzufahren. Philipp hatte eine gute Serie und einen sehr, sehr guten letzten Tag. Da hat er die Latte bei mehr Wind so hochgelegt, dass auch Top-Leute wie Matt Wearn oder Micky Beckett keine Chance mehr gegen ihn hatten”, berichtet Alex Schlonski.
Die Wetteraussichten für die WM sind mindestens für die ersten Tage vielversprechend. „Wir rechnen nach aktuellen Prognosen zum Auftakt erst einmal mit 15 bis 20 Knoten Wind“, sagte Alex Schlonski. Im weiteren WM-Verlauf sind aber auch Leichtwindtage möglich. Ob die laufende nationale Olympia-Ausscheidung und die damit verbundenen Rivalitäten im deutschen Lager schon zu spüren sind?
Das Revier hier ist dem von Melbourne sehr ähnlich. Es ist ein gutes Revier für uns” (Alex Schlonski)
„Ein bisschen schwingen sie sicher mit“, sagt Schlonski, „aber großen Argwohn gibt es in der Gruppe nicht. Die Jungs haben gut miteinander gearbeitet. Ich freue mich vor allem darüber, dass wir so gute Player im Spiel haben. Beide können eine sehr gute Leistung erbringen.“ Auf die Frage, ob Buhls WM-Triumph 2020 im australischen Nachbarrevier ein gutes Omen für die anstehende Mission sei, sagte Ilca-7-Coach Schlonski: „Ich denke schon. Das Revier hier ist dem von Melbourne sehr ähnlich. Es ist ein gutes Revier für uns.“
Als WM-Favorit und Gejagter Nummer eins dürfte dennoch Matt Wearn in die Serie mit zehn Flottenrennen und dem doppelt gewerteten Medaillenrennen am 31. Januar starten. Der australische Olympiasieger von 2021, der im vergangenen Jahr in Den Haag erstmals auch Weltmeister wurde, will seinen Heimvorteil nutzen. Gleichzeitig wird sich der Australier aber auch an die schmerzliche Heimniederlage erinnern, die ihm Philipp Buhl 2020 im heißen Duell um den WM-Thron in australischen Gewässern zugefügt hatte.
Die Lage vor dem WM-Start ist klar: Matt Wearn will zu Hause Weltmeister werden. Sein britischer Rivale Micky Beckett, der 2021 noch in der TV-Produktion für die olympische Regatta in Enoshima im Einsatz war, nun aber schon eine Weile auf höchstem Niveau an Wearns Thron rüttelt, will auf Kurs Marseille 2024 endlich einen großen Titel holen.
Der Neuseeländer Tom Saunders, der Australier Luke Elliott, Buhls und Willims vertraute Trainingspartner Jean-Baptiste Bernaz (Frankreich) und Hermann Tomasgaard (Norwegen) und weitere Top-Steuermänner mischen im WM-Spiel mit. Nie zu unterschätzen sind auch der Kroate Tonči Stipanović und Pavlos Kontides aus Zypern.
Zum Rumeiern ist keine Luft” (Philipp Buhl)
Die Boote werden bei der WM wie bei den Olympischen Spielen gestellt, sind bereits in den Händen der Segler. Alex Schlonski sagt: „Wir haben die Boote bereits. Alle sind gecheckt. Die Boote sind gut, alles gut.“ Was nun ist auf dieser Basis und auf der reizvollen australischen Segelbühne für die deutschen Akteure das wichtigste Ziel bei dieser WM?
Philipp Buhl sagt: „Das Wichtigste ist die Olympiaausscheidung. Es bringt ja alles nichts, wenn du da am Ende nicht hinfährst. Aber: Da ich den Anspruch habe, in Marseille nicht nur zu starten, sondern eine Medaille zu gewinnen, und Nik mich bislang nur bei zwei Regatten geschlagen hat, werde ich das zweitwichtigste Ziel zur Nummer eins machen: eine starke WM segeln! Zum Rumeiern ist keine Luft.“
Das hier ist einer der größten Meilensteine meiner Olympiakampagne. Wenn nicht der größte” (Philipp Buhl)
Weiter erklärte Philipp Buhl: „Auch ein Platz in den Top Ten ist ein wichtiger Schritt, weil man sonst am Ende die Kriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes für die Olympia-Nominierung nicht erfüllt. Ich habe hier anhand meiner Leistungen gesehen, dass es möglich ist.“ Buhl macht sich wenige Tage vor dem WM-Start keine Illusionen über die anstehende Prüfung: „Das hier ist einer der größten Meilensteine meiner Olympiakampagne. Wenn nicht der größte.“
Deutschlands erfolgreichster Lasersegler hatte der WM sogar sein Weihnachtsfest untergeordnet, das er mit seiner Freundin Sophia und seiner Familie bereist am 23. Dezember gefeiert hatte. In Australien ist Buhl seit dem 26. Dezember, in Down Under auch „Boxing Day“ genannt. Der WM-Segel-Boxkampf im olympischen Ilca 7 beginnt am Freitag genau einen Monat später und verspricht vorolympische Hochspannung.